Der deutsche Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat der Bundeswehr im vergangenen Jahr eine neue Struktur verordnet. Er wies dabei auf die gestiegene Bedrohungslage und die Notwendigkeit, in einem Verteidigungskrieg militärisch auch im In- und Hinterland gefordert zu sein. Angesichts von Spionagefällen, Sabotage von Kabeln und Bahnanlagen ist für Experten klar: Deutschland ist Ziel von hybrider Kriegsführung – wohl durch Russland. Vor dieser Herausforderung werden die bestehenden Heimatschutzregimenter der Bundeswehr nun in einer neuen Struktur zum 1. April als Division (Abkz. HSchDiv) zusammengefasst und als vierter Großverband dem Heer unterstellt.

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius – ©Georg Mader
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius setzt sich mehr militärische Kräfte auch im Hinterland ein.

Zudem sollen die Verbände weiter ausgebaut werden. Jene werden – sozusagen „teilaktiv” – aus Reservisten und aktiven Soldaten bestehen und einer einheitlichen Führung unterstellt, sagte ein Sprecher des Heeres der Deutschen Presse-Agentur (DPA) in Berlin. Die anderen drei Divisionen – mit jeweils etwa 20.000 Soldatinnen und Soldaten – sind die 1. und die 10. Panzerdivision sowie die Division Schnelle Kräfte (DSK), in der die leichte und hochbewegliche Infanterie zusammengefasst ist.

Noch viel zu wenig Kräfte

Jene Heimatschutzregimenter bestehen aus den Heimatschutzkompanien in den jeweiligen Regionen, in denen ausschließlich Reservistinnen und Reservisten beordert sind, die vor Ort verwurzelt und vernetzt sind. Bis 2027 sollen – nun in jener neuen Division – sechs solcher Heimatschutzregimenter in Deutschland aufgestellt werden und zwar in Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Vor dem Sommer 2024 stellte die Bundeswehr erst ihr sechstes Heimatschutzregiment auf. Insgesamt stehen damit bis dato 6.000 Männer und Frauen bereit – zunächst noch viel zu wenig für die Aufgabe. Der Schritt leitet auch eine andere Aufstellung der Reserve ein, auf die in der Verteidigungsplanung („Operationsplan Deutschland”) zentrale Aufgaben zukommen. Militärplaner halten mindestens eine hohe fünfstellige Zahl an Heimatschützern für nötig.

Schutz kritischer Infrastruktur

Im Spannungs- und Verteidigungsfall und bei anderen krisenhaften Entwicklungen sollen die Heimatschutzkräfte jedenfalls Häfen, Bahnanlagen, Brücken und Güterumschlagplätze schützen, auch Pipelines, Straßen für Truppenbewegungen beziehungsweise Konvois zur NATO-Ostflanke im Rahmen des sogenannten „Host Nation Support”, sowie die digitale Infrastruktur. Sie sollen damit auch die Rolle Deutschlands als Operationsbasis und Drehscheibe der NATO absichern.

Im vergangenen Jahr wurden bereits verstärkt Übungen durchgeführt, um die Reserve zu integrieren. Reservistinnen, Reservisten und freiwillig Wehrdienstleistende spielen aber nicht nur im militärischen Ernstfall eine zentrale Rolle im Heimatschutz. Im Frieden können sie im Rahmen der Amtshilfe bei schweren Unglücksfällen, Terrorlagen oder Pandemien eingesetzt werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius unterstrich auf der Jahrestagung der Reserve 2024 die immense Bedeutung der Reserve für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.

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Rückkehr der Wehrpflicht durch die „Heimatschutz-Hintertür”?

In Deutschland fragen nun manche Medien, ob jungen Menschen damit eine versteckte Reaktivierung des Wehrdienstes „drohen” könnte. Und laut einem DPA-Bericht setzten die Militärplaner bei der Aufstellung der Heimatschutz Division schon etwas auch auf die von Minister Boris Pistorius angestoßenen Pläne zur Wiedereinführung eines Diensts. Dessen Plan für den Wehrdienst liegt aber seit dem Ampel-Aus auf Eis. Er umfasste damals lediglich eine Auskunftspflicht für junge Männer und die Wiedereinführung der sogenannten Wehrerfassung – mehr war mit SPD-Chef Olaf Scholz nicht möglich.

Militärische Kräfte in einem Hafen – ©Bundeswehr
Zu den Aufgaben der Heimatschutz-Kräfte gehört auch der Schutz kritischer Infrastruktur wie Eisenbahnlinien, Energieerzeugungsanlagen und Häfen.

Die CDU/CSU – die Union liegt etwas mehr als einen Monat vor der Bundestagsneuwahl bei Umfragen vorne – hatte hingegen wiederholt erklärt, dass sie sogar noch mehr wollen, als nur das von Pistorius vorgelegte Modell. Sie wollen eine echte Wehrpflicht und keinen unverbindlichen Fragebogen. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul meinte vorigen Sommer gegenüber dem ZDF, dass die „Bedrohungslage durch Russland und die Personalnot der Bundeswehr Verpflichtungsmodelle nötig machen”. Deutschland sollte nach seinen Worten ähnlich wie in Skandinavien zunächst alle mustern und dann diejenigen heranziehen, die wehrdiensttauglich sind und ihre Bereitschaft signalisieren. So könne man Jahr für Jahr zu einer Steigerung der Wehrdienstleistenden kommen. Und „alle” meint für ihn beide Geschlechter: „Ich glaube, dass wir in der heutigen Zeit zwischen den Geschlechtern keine Unterscheidung mehr machen können. Das wird in anderen Bereichen auch nicht gemacht. Möglicherweise müssten dazu Änderungen im Grundgesetz geprüft werden.”

Am Parteitag der oppositionellen Rechtspartei AfD in Riesa überstimmte am 12. Jänner übrigens ein Großteil der 600 Delegierten Co-Parteichef Tino Chrupalla und somit wurde die Reaktivierung der Wehrpflicht ins AfD-Wahlprogramm aufgenommen. Nun heißt es: „Dem Hauptauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung soll wieder Rechnung getragen werden. Dazu muss die Bundeswehr nicht nur finanziell gut ausgestattet sein, sondern ihr auch die Einsatzbereitschaft insbesondere bei Material und Personal zurückgegeben werden, daher wollen wir die Wehrpflicht wieder einsetzen.” Diese soll aber nach Wünschen der AfD auch einen Ersatzdienst beinhalten.

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Quelle©Bundeswehr, Georg Mader