Aktuellen, bislang allerdings noch unbestätigten Berichten von Militärbloggern wie Sandeep Mukherjee oder Top War zufolge, haben die USA über Offshore-Unternehmen jüngst 81 ausrangierte Kampfflugzeuge der Luftwaffe Kasachstans erworben. Obwohl anfänglich eher als Schrottverwertung im Inland ausgeschrieben, sollen die Maschinen – oder zumindest ein Teil davon – nun für die Ukraine gedacht sein und dort als Ersatzteilspender und als Scheinziele für russische Angriffe zum Einsatz kommen.
Bereits im Oktober 2023 wurden jedenfalls die entsprechenden Bekanntmachungen zur „Veräußerung am Standort des Guthabeninhabers” vom Komitee für staatliche Verteidigungsaufträge des Ministeriums für Industrie und Infrastrukturentwicklung auf einer elektronischen Plattform für den Verkauf beziehungsweise eine Auktion von staatseigenen Vermögenswerten („Qazarnauliexport” beziehungsweise „Kazspecexport”) veröffentlicht.
Es handelt sich um 42 Su-24 Schwenkflügler (die M-Version wurde in der Ukraine teils für westliche Waffenlasten wie Storm-Shadow Marschflugkörper umgerüstet) und 16 MiG-29, die in Kasachstan früher bei Militäreinheiten in den Regionen Almaty, Abai, Karaganda und Schymkent im Einsatz waren. Das Gerät ist flugunfähig und schon länger abgestellt beziehungsweise teils im Schrottzustand. Die Maschinen sollen nun in die Ukraine überführt werden (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg), wo Spezialisten die Jets zerlegen, verwendbare Ersatzteile einlagern und die Maschinen anschließend für Täuschzwecke einsetzbar machen werden.
Laut einer 117 Zellen umfassenden Zusammenfassung aus dem Jahr 2023 gehörten zu den angebotenen Maschinen neben den Su-24 und den Mig-29 auch alte MiG-27-Jagdbomber sowie 21 frühe und Mach 2,8 schnelle MiG-31-Abfangjäger (aus dem beim Zerfall der Sowjetunion verblieben Inventar), welche aber für die Ukraine nicht von Interesse sind. Deren Startpreis lag zwischen rund 40.000 und 80.000 Euro – abhängig vom Zustand der einzelnen Maschinen. Die erwähnten MiG-31 sind nicht zu verwechseln mit den neueren MiG-31BM beziehungsweise -K mit denen die russische Luftwaffe immer wieder die ukrainische – oft auch zivile – Infrastruktur angreift und zerstört. Das gesamte Auktionsvolumen wurde mit 1,8 Milliarden Tenge (rund 3,5 Millionen Euro) angegeben.
MiG-Rücklauf
Nach Beginn des russischen Angriffskrieges wurden bereits (flugfähige) MiG-29 aus Polen und aus der Slowakei an die Ukraine abgetreten und erst am 22. Februar wurde ein MiG-29-Kampfflugzeug – ohne sichtbare Markierungen, die auf seine Herkunft hindeuteten würden – auf einem Tieflader gesehen, der in Polen auf dem Weg zur ukrainischen Grenze war. Der Westen erwirbt darüber hinaus auch weiterhin weltweit ex-sowjetische Rüstungsgüter, um diese an die Ukraine weiterreichen zu können. In den USA gibt es zudem Spekulationen, ob die USAF aus ihrer insgesamt 21 MiG-29 umfassenden Flotte (die Maschinen wurden 1997 von Moldawien gekauft, damit diese nicht in den Iran gingen) ebenfalls einige Maschinen an die Ukraine abgeben könnte. Acht der 21 MiG-29 sind in US-Museen beziehungsweise auf US-Basen (wie beispielsweise auf der Nellis-AFB) ausgestellt, über den Status des Rests herrscht seit Jahren offiziell Schweigen.
Der Einkauf der alten kasachischen Maschinen ist auch vor dem Hintergrund aktueller Bemühungen zu sehen, das weltweit größte Binnenland und russischen Nachbarn in die westliche Einflusszone zu ziehen. Damit soll die Position Russlands in der „postsowjetischen” Region geschwächt und Moskau strategische Allianzen erschwert werden. Auch deshalb besuchten zuletzt vermehrt westliche Politiker Astana: Am 24. April stattete beispielsweise der britische Außenminister und Ex-Premier David Cameron dem Land offiziell einen Besuch ab. Dabei wurden Abkommen in den Bereichen Handel, Bildung, Umwelt und Mineralien geschlossen. Dabei erwähnte Cameron, dass „Kasachstan von ‚schwierigen Nachbarn’ wie Russland, China, Afghanistan und Iran umgeben” sei.
Astana in bequemer Position
Es bleibt abzuwarten, wie weit die Bemühungen des Westens im Land greifen. Im Rüstungsbereich hat das Land bei Airbus Defence & Space zwar zwei A400M-Transporter (-> erste A400M für Kasachstan präsentiert) beschafft. Aber erst im Dezember hatte der stellvertretende Oberbefehlshaber der kasachischen Luftverteidigung und Leiter der Hauptrüstungsabteilung, Jerschan Nildibajew, bestätigt, dass man sich für eine Neubeschaffung von Kampfflugzeugen – trotz intensivem französischen Bemühen – nicht für die Rafale von Dassault sondern für neue Su-30SM des russischen Herstellers Suchoi entschieden habe, in erste Linie aus Gründen der Kommunalität mit der bestehenden Su-27-Flotte und aus Kostengründen.
Ein Problem aus westlicher Perspektive ist auch, dass über Kasachstan weiterhin im großen Stil sanktionierte westliche Technologie sowie Konsum- und Luxusgüter nach Russland gelangen. So stiegen deutsche Exporte in Ex-Sowjetrepubliken infolge der US- und EU-Sanktionen um bis zu 950 Prozent (!). Während (Stand Mitte 2023) Fahrzeugexporte aus der EU nach Russland um 80 Prozent zurückgegangen waren, stiegen jene nach Kasachstan im gleichen Zeitraum um 268 Prozent (!) an. Der Spiegel wies in einem Bericht im vergangenen Jahr auch nach, dass in Deutschland firmierende Unternehmer, die westliche Elektronik zuvor direkt nach Russland verkauften, die Sanktionen umgingen, indem sie ihre Produkte nun nach Kasachstan lieferten, von wo wiederum nach Russland weiterexportiert wurde.
Die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien sind für Moskau ideale „Hubs”, um die westlichen Embargos zu umgehen– Länder wie Kasachstan (oder Kirgisistan) sind sogar Teil einer Zollunion mit Moskau. Und die großen Entfernungen – alleine Kasachstan hat eine mehr als 7.500 Kilometer lange Grenze mit Russland – machen eine lokale Kontrolle der Sanktionen schwierig bis praktisch unmöglich, wenn man die überhaupt will. Dazu kommt, dass die Rohstoffgroßmacht Russland auch Milliarden an den Transitgebühren verdient, wenn kasachisches Öl durch Tausende Kilometer Pipelines („Druschba”) des Moskauer Staatskonzerns Transneft beispielsweise nach Deutschland und Westeuropa exportiert wird, während man dort behauptet, sich von russischem Öl weitgehend unabhängig gemacht zu haben.