Wie der Kurier oder auch die Presse berichten, stimmte Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba jüngst ein Loblied auf das neutrale Österreich an. „Österreich hat bewiesen, dass Neutralität nicht Gleichgültigkeit bedeutet.”

„Es hat den Anschein, als würde ich dich öfter sehen als meine Kinder”, so der österreichische Chefdiplomat Alexander Schallenberg gegenüber seinem ukrainischen Kollegen beim Treffen der EU-Außenministerkonferenz am 1. September im spanischen Toledo. Die launige Replik von Kuleba: „Ich entschuldige mich bei deinen Kindern.”

Alexander Schallenberg und Dmytro Kuleba verbindet ein amikales Verhältnis. In Toledo riet er Kritikern der ukrainischen Gegenoffensive im Ukraine-Krieg den Mund zu halten und selbst vor Ort zu versuchen einen Quadratzentimeter zu befreien – wohl ein Indiz für das mühsame und blutige Vorankommen seiner Soldaten. Analog dazu erhoffte er sich vor allem Zusagen für mehr Luftverteidigungssysteme, Artilleriemunition, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Von militärisch neutralen EU-Staaten wie Österreich und Irland wünschte er sich hingegen gehärtete Rettungsfahrzeuge. Wien hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits mindestens 25 Rettungsfahrzeuge an die Ukraine geliefert, meist als Spende von Blaulichtorganisationen. Jene waren aber wohl nicht gehärtet (gepanzert). Wien sei in laufendem Austausch mit Kiew und prüfe den dortigen Bedarf, so das BMEIA.

@BMEIA
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba im Gespräch mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg.

Aus Kiew zugeschaltet
Zur Eröffnung der Jahrestagung der österreichischen Botschafter am 4. September in Wien, bei der er als Redner via Video aus Kiew zugeschaltet war (siehe Video unten), nahm Kuleba den Ball wieder auf und sang ein geradezu überschwängliches Loblied auf die österreichische Interpretation der Neutralität in Zeiten des Ukraine-Kriegs – und erwies so, ganz gelernter Diplomat, seinem Freund auch einen Gefallen.

Wolodymyr Selenskij, sein Präsident, hätte vielleicht ein paar Kritikpunkte und „Wünsche” anklingen lassen. Verhalten, aber doch immer wieder, war zuvor die eine oder andere Kritik aus Kiew gekommen, dass das neutrale Österreich sich auf einen „bequemen” Standpunkt zurückziehe: Unter dem Vorwand der „militärischen Neutralität” dürften keine Waffen an die Ukraine geliefert werden.

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Nicht so Kuleba: „Manche missbrauchen die Neutralität als Ausrede. Doch Österreich demonstriert das Gegenteil.” Moralisch auf der richtigen Seite, mit einer klaren Haltung, aktiv, zwar nicht mit militärischer Hilfe, dafür mit humanitär-finanzieller Unterstützung im Ausmaß von 314 Millionen Euro.” So pries der Österreich-Freund Kuleba das Engagement der Regierung in Wien und ihr „diplomatisches Gewicht”, etwa in Südosteuropa.

„Manche missbrauchen die Neutralität als Ausrede. Doch Österreich demonstriert das Gegenteil.“

Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba

Er erwähnte unter anderem auch die Hilfe bei der Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge, die „starke Unterstützung” für die Energieinfrastruktur sowie für die strafrechtliche Verfolgung Russlands durch den Internationalen Strafgerichtshof. „All dies kam von einem offiziell neutralen Land”, so Kuleba, „ihr habt allen Grund, stolz auf Euch zu sein.”

Highlights des „Slovak International Air Fest”

Lob für Skihersteller
Zudem habe sich trotz des Kriegs „kein einziges” österreichisches Unternehmen aus der Ukraine zurückgezogen. Im Besonderen würdigte er die Skifirma Fischer, die im großen Stil im Land investiert habe. Er zählt auch beim Wiederaufbau darauf, im Speziellen auf die Kredite österreichischer Banken, Bereitstellung von Versicherungsschutz für Investitionsprojekte in der Ukraine – und auf die Enteignung eingefrorener russischer Konten. „Russland muss für den Schaden zahlen, den es angerichtet hat.” Sentimentale Gefühle für Russland und seine Geschichte seien unangebracht. „Russland ist heute Europas größter Feind. Ein Sieg der Ukraine formt ein neues Europa.” Kuleba hofft auf Unterstützung bei den EU-Beitrittsgesprächen – und auf eine Führungsrolle Österreichs.

„Russland ist heute Europas größter Feind. Ein Sieg der Ukraine formt ein neues Europa.“

Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba

Er hob diese Solidarität auch gleich auf eine höhere Ebene: „Eine Unterstützung der Ukraine ist auch eine Unterstützung der UN-Charta.” Von einem voreiligen Frieden, gar vom Status eines „eingefrorenen Konflikts” wollte Dmytro Kuleba nichts wissen. Erst ein „Sieg auf dem Schlachtfeld”, danach die Diplomatie – so lautet die Formel für Verhandlungen in Kiew. Wie einen Pflock rammte er die ukrainische Ultimativ-Position ein: „Es gibt keine Gerechtigkeit ohne die Grenzen von 1991.” Sprich: Die Ukraine pocht – zumindest rhetorisch – auf eine Rückgabe der Krim und des Donbass, ohne auf Realpolitik und Kompromissbereitschaft zu schielen.

@Archiv
Verteidigungsminister Schoigu unterzeichnete einen neuen Einberufungserlass – bald schon sollen 200.000 neue russische Soldaten in der Ukraine zum Einsatz kommen.

Standing Ovations
Die österreichischen Botschafter spendeten dem Gastredner aus Kiew Standing Ovations. Der Außenminister wiederum, der sich schon einmal als Fan der Salzburger Festspiele deklariert hatte, forderte sie auf, mit einem Glas Gelben Muskatellers auf die Ukraine anzustoßen. „Beim nächsten Mal in der Wachau”, fügte Schallenberg hinzu, nachdem er die aus der geografische Nähe gespeiste Quasi-Nachbarschaft hervorgehoben, ein Bekenntnis für die Verfolgung der russischen Kriegsverbrechen abgelegt und in hohen Tönen die Stärke und Einheit der EU gelobt hatte. Es ist, so der Tenor unter den Außenministern, ein Effekt des Kriegs: Die Ukraine und der Westen sind näher aneinandergerückt – und Wien und Lwiw ohnehin.

Übrigens: Am Tag von Kulebas Rede hat Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu eine neue Einberufung von 200.000 Mann ab 11. September und bis 1. November unterschrieben.

Quelle@Archiv, BMEIA