Die Jägerei im Gebirge ist zwar höchst traditionsreich, doch die Einsatzräume der Zukunft sind in Städten. Das Jägerbataillon 26 in Spittal an der Drau durchlebt gerade eine Urbanisierung mit Bereitschafts-Miliz.
Benno hat einst Lasten in verschneite Höhen getragen. Bis er sich ein Bein gebrochen hat und eingeschläfert werden musste. Heute hat er dafür einen Ehrenplatz. Der Haflinger steht ausgestopft im Traditionsraum der Türk-Kaserne in Spittal an der Drau. Nein, nicht jedes Tragtier bekommt diese außergewöhnliche letzte Ehre erwiesen. Aber Benno war einer der letzten Haflinger, die beim Jägerbataillon 26 ihren Dienst versehen haben, bevor sie im Jahr 2009 auf den Truppenübungsplatz Hochfilzen zum Stabsbataillon 6 „dienstversetzt” wurden. Heute geht es bei den „26ern” nicht mehr mit eigenen Vierbeinern ins Gebirge, sondern bevorzugt motorisiert auf Gummiketten. Und natürlich – wie eh und je – zu Fuß.
Acht Hägglunds und drei Quads stehen den Soldaten zur Verfügung. Letztere sind mit 90 PS wahre Flitzer nicht nur im Schnee, sondern auch offroad im Wald und ebenso auf der Straße. Genauso wie ihre größeren „Brüder”, die Hägglunds, lassen sie sich mit Anhängern ausstatten, um größere Lasten zu transportieren. Aufklärer, Scharfschützen und Beobachtungstrupps nutzen hingegen vorrangig die Quads. Sie kommen damit rasch in die Nähe ihrer Stellungen und legen von dort die „letzten Meter” zu Fuß zurück.
Doch freilich ist die Anzahl der Fahrzeuge noch deutlich zu gering, wie Bataillonskommandant Oberst des Generalstabsdienstes Hannes Krainz verdeutlicht: „Ideal wäre, wenn mindestens eine Kompanie mit Hägglunds ausgestattet wäre”. Derzeit ist es um die Mobilität seiner zwei Jägerkompanien und seiner Kampfunterstützungskompanie nicht optimal bestellt. „Was fehlt, ist eine Typenentscheidung für Gefechtsfahrzeuge für die Infanterie, Stichwort Pinzgauer-Ersatz”, so der Generalstabsoffizier, der für zwölf Monate das Bataillon im Rahmen seiner Truppenverwendung führt. Davor war er ein Jahr in der „Zentralstelle” in Wien, vier Jahre in Brüssel, vier Jahre in Ulm (multinationales Kommando der Bundeswehr) sowie Kontingentskommandant in Bosnien. Sein Blick auf die „26er” ist daher ein frischer und mit gesunder Kritik gespickt: „Jäger per Mannschaftstransporter von A nach B zu chauffieren und absitzen zu lassen, entspricht nicht den Anforderungen an die moderne Infanterie.”
Denn die „Fußsoldaten” stehen heute mehr im Fokus denn je. „Aktuelle Gefechtsbilder sowohl in der Ukraine (-> aktuelle News aus dem Ukraine-Krieg) als auch im Gazastreifen zeigen, dass die letzten hundert Meter immer der Infanterie gehören”, analysiert Krainz. Daher ist das Handwerk des Jägers immer gefragt. Doch es spezialisiert sich und wird mit technischer Unterstützung wie etwa Drohnen verfeinert. Zwar bleibt der Kampf im Gebirge als Kernkompetenz der 6. Jägerbrigade und damit auch des ihm unterstellten Jägerbataillons 26 erhalten, doch müssen die Gebirgssoldaten auch im Kampf in verbautem Gebiet stark sein. Krainz dazu: „60 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben in Städten. Und das sind auch unsere potenziellen Einsatzräume, davon bin ich überzeugt.”
Wohnhäuser und Straßen statt Goldeck und Nockberge lautet also die Devise. Neben der Ausbildung der Soldaten müssen auch Waffen und Gerät für den Häuserkampf tauglich sein. Im Urbanen fühlt sich die Panzerabwehrlenkwaffe (PAL) von Haus aus wohl, etwa um Straßen auf größere Entfernung zu sichern. Im Jägerbataillon 26 befindet sich sich der PAL-Zug in der Kampfunterstütungskompanie. 45 Kilo schwer ist dieses Waffensystem, hinzu kommen 60 Kilo für drei Raketen. Ob des Gewichts also für den Transport auf der Straße prädestiniert. „Dafür trifft diese Waffe Punktziele auf eine Entfernung bis zwei Kilometer Entfernung und durchschlägt bis zu 60 Zentimeter Stahl”, erzählt ein Unteroffizier beim Besuch von Militär Aktuell. Schon im Jahr 1991 war er mit „seiner” PAL am Grenzübergang in Lavamünd im Echteinsatz. „Kein schönes Erlebnis, aber eine Erfahrung”, fügt er hinzu.
Stichwort Einsatz. Die Lehren aus der Mobilmachung der Miliz im Zuge der Covid-Lage im Jahr 2020 wurden gezogen. Viel zu lange habe es gedauert, bis einzelne Kompanien der Miliz-Jägerbataillone einberufen, eingerückt, ausgebildet und in den Einsatz geschickt wurden. Unter dem Titel Reaktionsmiliz sollen daher nun ein Aufklärungszug sowie zwei Jägerkompanien formiert werden. Für eine davon sind die „26er” zuständig. Die Milizsoldaten werden im Anlassfall binnen 72 Stunden vom Zivilleben in den Dienst wechseln. „Die stärkere Einbindung der Miliz ist die Zukunftsausrichtung des Bundesheeres. Denn für den Einsatz bringt man mit präsenten Kräften nicht die geforderten Mannstärken auf”, erklärt Krainz.
Doch was beiden Systemen – dem Aktivstand und der Miliz – fehlt, ist ausreichend Personal. Im Vergleich zur Privatwirtschaft niedrige Löhne und Ausbildungsstätten mit starkem Ost-Schwerpunkt. Für alle Soldaten im Westen Österreichs ein erheblicher Reiseaufwand. Bis vor Kurzem mussten etwa alle, die die Kaderanwärterausbildung 2 (KAAusb2) in der Waffengattung Jäger absolvieren wollen, nach Bruckneudorf im Burgenland pilgern. „Für Vorarlberger ist das wie ein Auslandseinsatz”, formuliert es Krainz überspitzt. Im vergangenen Jahr gab es erstmals diesen Kurs auch im Westen, nämlich bei den „26ern”.
Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufs ist laut Krainz das Gebot der Stunde, um Personal zu gewinnen und zu halten. Seit 2018 gehen in seinem Bataillon jährlich mehr Soldaten in Pension als neue nachkommen. In Zukunft soll das aber wieder anders werden. Muss es!
Zur Geschichte:
Das Hochgebirgs-Jägerbataillon 26 gehört zur 6. Jägerbrigade und ist in der Türk-Kaserne in Spittal an der Drau stationiert. Es umfasst 220 Soldaten und gliedert sich neben Bataillonskommando und Stabskompanie in zwei Jägerkompanien (eine davon mit Kaderpräsenzzug) sowie eine Kampfunterstützungskompanie (mit Aufklärungs-, Panzerabwehr-, Granatwerferzug). Im Einsatzfall wächst das Bataillon um eine weitere Jägerkompanie aus der Miliz auf. Zur Ausrüstung gehören neben den klassischen Infanteriewaffen auch die Panzerabwehrlenkwaffe sowie schwere und mittlere Granatwerfer. Hinzu kommen spezielle Fahrzeuge für den Einsatz im Hochgebirge, wie etwa Hägglunds und Quad. Die 16 Heeresbergführer stellen das Know-how für Operationen in den Bergen sicher und halten sich unter anderem an der Kletterwand in der Kaserne fit. In Marschweite zur Kaserne befindet sich auch der Garnisonsübungsplatz Fratresberg. Alpine Ausbildungen finden in Hochfilzen, auf der Wattener Lizum oder Seetaler Alpe statt. Die „26er” haben als Leitspruch „Kärntner allzeit voran” und sind für das Jägerbataillon Kärnten (Miliz) sowie ab dem nächsten Jahr für eine zusätzliche Jägerkompanie im Rahmen der Reaktionsmiliz zuständig. Die Geschichte des Bataillons geht bis zum Ersten Weltkrieg zurück, damals hieß der Verband Kärntner Gebirgsschützenregiment Nr. 1, später Kärntner Alpenjägerbataillon Nr. 1 und im Zweiten Weltkrieg Gebirgsjägerregiment Nr. 137.
Hier geht es zu weiteren Bundesheer-Meldungen, hier zum Interview mit Vizeleutnant Stefan Noisternig (Kommandant des Granatwerferzugs des Jägerbataillons 26) und hier zu unseren anderen Truppenbesuchen.