Im Gespräch mit Militär Aktuell zeigt sich Generalleutnant Bruno Hofbauer mit der Umsetzung des „Aufbauplans 2032+“ zufrieden. Trotzdem gäbe es noch viel zu tun, so der Planungschef des Bundesheeres.
Herr Generalleutnant, vor zwei Jahren haben Sie mit dem „Aufbauplan 2032+“ einen Zehnjahresplan zur Aufrüstung und Modernisierung präsentiert. Ein Fünftel der Zeit ist bereits vergangen – wie lautet Ihr Zwischenfazit?
Das Fazit ist sehr positiv. Entscheidend für die Umsetzung war die höhere Dotierung des Verteidigungshaushalts – und das in einem Allparteienkonsens. Der wahre Meilenstein ist aber das Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz, mit dem die Finanzierung mittel- bis langfristig steht. Gleichzeitig wurden wir auch zur Erstellung eines Landesverteidigungsberichts verpflichtet, in dem wir jährlich darstellen, was unsere Ziele sind und wie wir diese erreichen wollen. Der Bericht wurde auch in den Ausschüssen zustimmend zur Kenntnis genommen. Im Bericht sind auch Fähigkeiten angeführt, die für das Bundesheer wirklich große Fortschritte darstellen werden.
Zum Beispiel?
Da geht es etwa um Drohnen, die auch bewaffnet werden können, oder auch um Raketenartillerie. Derartige Investitionen wären vor dem Krieg in der Ukraine, der uns klargemacht hat, dass wir uns vorbereiten müssen, undenkbar gewesen. Aber darf ich noch einmal auf die Finanzierung zurückkommen?
Bitte.
Die langfristige Sicherstellung der Finanzierung ist für die Umsetzung des Aufbauplans von entscheidender Bedeutung, das kann man nicht oft genug betonen. Wir müssen das Geld, das uns zugesagt wurde, auch bekommen, das ist die Grundlage für den „Aufbauplan 2032+“ und die bereits eingeleiteten Beschaffungen. Bevölkerung und Bundesheer vertrauen darauf und wir müssen auch ein verlässlicher Partner für die Industrie sein, das ist ganz essenziell.
Inwiefern?
30 Jahre Friedensdividende haben sich auch in der Industrie ausgewirkt. Jetzt sagt man dort natürlich, wenn der Staat möchte, dass die Industrie wieder mehr produziert und Investitionen vorfinanziert, dann wird dafür auch ein langfristiges Commitment verlangt.
Apropos 30 Jahre Friedensdividende: Das Bundesheer muss auch deshalb jetzt viel Geld ausgeben, weil jahrzehntelang kaum etwas investiert wurde, es einen enormen Investitionsrückstau gibt. Geht die Rechnung wenigstens finanziell auf? Hat sich der Steuerzahler mit Blick auf die jahrelangen Ersparnisse und die nun notwendigen Mehrausgaben unter dem Strich Geld gespart?
Eine gute Frage. Vermutlich hat man sich etwas gespart. Die Frage ist aber: Zu welchem Preis? Wir haben dafür ein gewaltiges Sicherheitsrisiko in Kauf genommen, das im Übrigen weiterhin besteht. Die Einführung eines neuen Systems dauert acht bis zehn Jahre. Das heißt, auch wenn wir aktuell in viele Bereiche investieren, besteht noch auf Jahre hinaus eine Sicherheitslücke und wir können nur hoffen, dass wir die Zeit bekommen, um uns richtig aufzustellen. Wir haben einen guten Plan für den Wiederaufbau des Bundesheeres. Der „Aufbauplan 2032+“ ist eben mehr als neue Ausrüstung, es geht darum, das Bundesheer insgesamt wieder in die Lage zu versetzen, Österreich und seine Bürger gegen einen militärischen Angreifer zu verteidigen. Das erreichen wir durch Kampfkraft, Reaktionsfähigkeit, Führungsüberlegenheit und Durchhaltevermögen.
Ziel ist es, die Verteidigungsausgaben bis zum Jahr 2028 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern. Langfristig sind sogar zwei Prozent, wie es auch die NATO von ihren Mitgliedern verlangt, das Ziel. Was soll damit zusätzlich erreicht werden? Mit einem Budget in international vergleichbarer Höhe wird es möglich sein, die militärische Verteidigungsfähigkeit umfassend für die Republik zu gewährleisten. Was meinen Sie damit?
Essenziell ist die Sicherstellung der Luftverteidigungsfähigkeit mit neuen Kampfflugzeugen, der weitere Ausbau der bodengebundenen Luftabwehr und die Stärkung der mechanisierten Kampftruppen. Natürlich muss auch in die volle Digitalisierung und massiv in unser Personal investiert werden – die Anzahl der verfügbaren Kräfte in Frieden und Einsatz muss erhöht werden.
Sie sprechen die Long Range Air Defence und die Eurofighter-Nachfolge an – was hat es damit auf sich?
Für die außerordentliche Finanzierung der weitreichenden Luftverteidigung gibt es bereits einen Ministerratsbeschluss, bei der Nachfolge des Eurofighters entsteht Handlungsbedarf. Der Eurofighter fliegt bis Mitte der 2030er- Jahre und wenn man jetzt die acht bis zehn Jahre für die Einführung abzieht, so sollte die nächste Regierung jedenfalls die Nachfolgefrage beantworten.
Auffällig war, dass das Heer schon kurz nach Veröffentlichung des Aufbauplans konkret in die Umsetzung gegangen ist. Wo kam man dabei besonders gut voran?
Gleich auf mehreren Ebenen. Wir konnten etwa sehr rasch mehrere laufende oder fertig geplante Projekte realisieren. Ich spreche hier beispielsweise die gezogene Option für 18 weitere AW169-Helikopter an, die Kampfwertsteigerung der Kampfpanzer Leopard und der Schützenpanzer Ulan und die Nutzungsdauerverlängerung unserer 35-Millimeter-Fliegerabwehrkanonen. Zudem haben wir für die Beschaffung von mehr als 200 weiteren Pandur Evolution ein 1,7 Milliarden Euro schweres Investitionspaket geschnürt. Damit bekommen wir viele neue Fahrzeuge, vor allem aber auch neue Fähigkeiten.
Insgesamt sind zwölf Pandur-Versionen geplant.
Wir haben mit der Aussonderung der Saurer-Schützenpanzerflotte in den 2000er-Jahren die Systemfamilien im Bundesheer verloren. Damals hatten wir Führungs- und Sanitätsversionen, Granatwerfer- und Beobachterversionen – alles in einer Familie. Mit dem Pandur Evolution stellen wir nun genau so eine Systemfamilie bei der 3. Jägerbrigade wieder her, statten damit aber auch andere Elemente wie die geplanten Electronic Warfarce-, Pionier- oder bodengebundene Luftabwehr-Elemente aus.
Zuletzt wurden mit dem Kauf von vier C-390M-Transportflugzeugen und von zwölf UH-60M Black Hawk-Helikoptern auch komplett neue Beschaffungen in die Wege geleitet.
Richtig, wobei das nur die prominentesten Beispiele sind. Daneben läuft auch viel anderes Gerät zu, neue Sturmgewehre, viele neue Lkw von Rheinmetall MAN Military Vehicles. Darunter geschützte und ungeschützte Hakenladegeräte, Bergefahrzeuge und Tieflader.
Wo orten Sie aktuell noch Nachholbedarf?
Wo wir noch nicht ganz dort sind, wo wir sein wollen, ist der lange erwartete Ersatz von Puch G und Pinzgauer. Mit dem Iveco MUV ersetzen wir nun zunächst die Funk-Pinzgauer, es braucht aber viel mehr Fahrzeuge für alle Waffengattungen.
Noch fehlt auch das lange erwartete neue Battle Management System.
Dafür erwarten wir noch heuer den Zuschlag. In einem ersten Schritt ist der Roll-out auf Kommandoebene und für die Ausbildungseinrichtungen geplant, und dann über die nächsten Jahre weiter auf die unteren Ebenen. Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir viele neue Systeme beschaffen, wir damit die Truppe – insbesondere im Ausbildungsbereich – aber auch nicht überfordern dürfen. Zu lernen, wie man damit richtig umgeht, benötigt Zeit.
Welche weiteren größeren Beschaffungen stehen an?
Rund um den Jahreswechsel ist der Zulauf der ersten gefechtstechnischen Drohnen geplant und ebenfalls zeitnah könnte zum Advanced Jet Trainer eine Entscheidung fallen. Im nächsten Jahr muss auch die Vorgangsweise bei der Medium Range Air Defence geklärt werden. Was mir ein wenig unter den Nägeln brennt, ist die Panzerabwehrfähigkeit.
Da soll ja die Panzerabwehrlenkwaffe Bill ersetzt werden.
Ja. Zudem benötigen wir eine neue Wegwerfpanzerabwehrwaffe und in Verbindung mit Ulan und Pandur Evolution auch eine Panzerabwehrlenkwaffe mit über 4.000 Metern Reichweite. Wichtig wird auch die Mobilität: Neben dem erwähnten neuen Gruppentransportfahrzeug benötigen wir speziell für die 7. Jägerbrigade ein leichtes ungeschütztes Transportfahrzeug, das idealerweise auch als Außenlast am Black Hawk transportiert werden kann. Ebenfalls noch Nachholbedarf haben wir bei Quads und bei Side-by-Sides. Zusätzlich laufen gerade Erprobungen mit unbemannten Bodensystemen, zur unmittelbaren Unterstützung der Truppe auf dem Gefechtsfeld.
Und wenn Sie noch weiter in die Zukunft blicken?
Dann werden wir auch die Frage nach der Steilfeuerunterstützung beantworten müssen. Wir benötigen bis Anfang der 2030er-Jahre einen Nachfolger für unsere M109-Haubitzen, dabei sind verschiedenste Varianten mit Kette und Rad denkbar …
… und auch ein Ersatz der M109 durch Raketenartillerie?
Wir planen zwar die Wiedereinführung der Raketenartillerie im Bundesheer, aber das muss zusätzlich passieren. Jede Plattform hat spezielle Fähigkeiten. Rohrartillerie kann neben Präzisionswirkung auch Flächenfeuer liefern, das Gefechtsfeld ausleuchten oder Nebelwände aufbauen. Mit Raketenartillerie wiederum lassen sich sehr präzise mit relativ geringen Kräften auch sehr große Räume abdecken, da die Reichweite erheblich höher ist.
„Wir müssen
das Geld, das zugesagt
wurde, auch bekommen.
Das ist die Grundlage
für den ,Aufbauplan 2032+‘
und die bereits eingeleiteten Beschaffungen. Bevölkerung und Bundesheer vertrauen darauf.“Generalleutnant Bruno Hofbauer
Wie sieht es mit der weiteren Digitalisierung des Bundesheeres aus?
Ziel ist der Aufbau einer Combat Cloud zur effektiven Interaktion aller digitalisierten Systeme am Gefechtsfeld. Wenn wir im gleichen Gefechtsstreifen neben modernen Fliegerabwehrkanonen und -lenkwaffen auch Drohnen, Granatwerfer, Loitering Munition und darüber Hubschrauber zum Einsatz bringen wollen, dann ist dafür der Austausch des Lagebildes ganz entscheidend. In diesem Bereich ist auch das Tactical Data Radio sehr wichtig.
Wie zufrieden sind Sie mit den bisher erreichten Fortschritten?
Wir machen bei der Bereitstellung von Ausrüstung und auch bei der Modernisierung der Infrastruktur ein ordentliches Tempo. Sorgen bereitet mir aktuell aber der Personalbereich, der ist massiv verbesserungswürdig. Allerdings können wir uns dabei nur mehr bedingt selbst helfen. Sicherlich können wir uns mit kleineren internen Verbesserungen noch besser aufstellen, angesichts der Verdienstsituation im Bund sind wir im Vergleich zur Privatwirtschaft aber trotzdem derzeit nur bedingt konkurrenzfähig – das muss sich ändern!
Geht es am Ende des Tages nur ums Geld?
Nein, nicht nur. Dort wo wir begonnen haben, wieder echte militärische Ausbildung zu machen, kommen auch mehr Leute. Nun müssen wir diesen Schwung mitnehmen, unser Personal halten und parallel dazu die Miliz wieder aufbauen. Das Bundesheer ist darauf auszurichten, Österreich zu verteidigen – ohne Miliz funktioniert das nicht.
Musste in den ersten zwei Jahren im Aufbauplan schon irgendwo nachgesteuert werden, weil beispielsweise Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg eine neue Ausrichtung nötig gemacht haben?
Wir beobachten die aktuellen Konflikte laufend, werten die Erkenntnisse aus und lassen diese einfließen – unser Aufbauplan ist daher auch evolutionär aufgebaut und wird sich in der Realisierung am Ende des Tages sicher in einigen Bereichen anders darstellen, als er jetzt aussieht. Ich hätte aber bis jetzt noch keinen Bereich gesehen, den wir falsch beurteilt hätten.
Wenn Sie ins Jahr 2032 blicken, welches Bundesheer sehen Sie da?
Ein Bundesheer, das nach Mobilmachung voll einsatzfähig und kampfkräftig ist – und eine hohe Reaktionsfähigkeit hat. Dafür muss das Zusammenspiel zwischen den Kräften einer neu zu schaffenden Bereitschaftstruppe, die aus aktivem Kader und der Miliz besteht, unbedingt forciert und die Reaktionsmiliz weiter ausgebaut werden. Ziel ist es, dass wir im Ernstfall mit der Bereitschaftstruppe den ersten Schock abfangen, die geordnete Mobilmachung durchführen und somit in der Lage sind, Österreich erfolgreich zu verteidigen.
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