In einem Gespräch im Rahmen der „Aerospace Nation” Reihe des Mitchell Institute for Aerospace Studies skizzierte der stellvertretenden Generalstabschef der United States Air Force, General James C. Slife, dieser Tage die zukünftigen Herrausforderungen für die US Luftwaffe (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte). Militär Aktuell bringt eine Zusammenfassung.

General Slife sieht die US Air Force demnach an einem strategischen Wendepunkt angekommen. Das Umfeld sei durch bahnbrechende Technologien, irreguläre Kriegsführung und gleichrangige Gegner geprägt, so Slife. „Und das alles im Spannungsfeld zwischen Anforderungen, Ressourcen und Risiken.” Die Art und Weise, wie die US Luftwaffe organisiert, ausbildet und ausrüstet müsse sich daher grundlegend ändern.

„Seit den frühesten Tagen der Luftwaffentheorie wissen wir, dass es besser ist, die Vögel im Nest zu töten als im Flug, die Bogenschützen und nicht die Pfeile zu bekämpfen.“

General James C. Slife

Slife sieht die US Luftwaffe für die US-Machtprojektion hauptverantwortlich. Der größte Teil der Wirkung komme von Abstandsstreitkräften, so der Militär. Im künftigen B-21 Bomber (-> Northrops Super-Bomber B-21 Raider fliegt erstmals) sieht er ein hohes Maß an Flexibilität. Das System werde sowohl Stand-in als auch Stand-off-Fähigkeiten haben.

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Einen kritischen Fähigkeitsbereich identifizierte Slife bei der Luftverteidigung von Luftwaffenstützpunkten gegen die gesamte Bandbreite von kleinen Drohnen (UAV) über Hyperschallmunition bis hin zu ballistischen Raketen. „All diese Dinge stellen eine Bedrohung für die Fähigkeit der US Air Force dar, in den vorderen Bereichen zu überleben und zu operieren.” Die US Army stellt einen großen Teil der Luftverteidigungsfähigkeiten für die Flugplätze bereit.

„Der Grund, warum wir eine Luftwaffe haben, ist nicht der Betrieb von Luftwaffenstützpunkten, sondern der Einsatz und der Kampf.“

General James C. Slife

In der indo-pazifischen Region bringen die Allianzen und Partnerschaften mit Japan, der Republik Korea, Australien und den Philippinen komparativen Vorteile gegenüber China, so Slife weiter.

Die US Air Force habe zudem festgestellt, dass die Garnisonsinfrastruktur kein Zufluchtsort mehr ist. Bedrohungen gehen von Cyberangriffen aus. „Aber auch von kleinen UAV, die ständig an den Grenzen der Luftwaffenstützpunkte herumfliegen und wo nicht klar ist, ob es sich bei den Bedienern um Hobbyisten oder um bösartige Akteure handelt.”

©Militär Aktuell

Angesprochen auf die Situation im Pilotenausbildungsbetrieb antwortete General Slife, dass die Lage „kompliziert” sei. Der Ausbildungsbetrieb sei auf Effizienz getrimmt und dimmensioniert, um am Ende des Tages genau die Anzahl von Piloten hervorzubringen, die benötigt werde. „Das System hat dabei aber die Fähigkeit verloren, mit Turbulenzen in der Umgebung umzugehen.” Folgedessen habe die US Luftwaffe seit rund zehn Jahren eine Unterproduktion von etwa 200 Piloten pro Jahr. Um das Problem zumindest ein klein wenig zu lindern, habe man sich auf die Engpässe in der Ausbildung konzentriert. Hubschrauberpiloten sei daher die anfängliche T6-Ausbildungsphase gestrichen worden, wodurch nun jährlich weit mehr als 100 Plätze für Starrflüglerpiloten angeboten werden können.

„Unsere oberste Priorität ist die Bereitstellung einer sicheren und zuverlässigen nuklearen Abschreckung. Der Luftteil der Triade wird ohne Risiko erfüllt.“

General James C. Slife

Die Luftstreitkräfte der nuklearen Triade werden lauf Slife in den kommenden Jahren stark beansprucht werden. „Die B-21 muss in Dienst gestellt werden, die B-52 wird aufgerüstet und die B-1 und später die B-2 werden nach und nach ausgemustert. Das B-21 Testprogramm verläuft wie erwartet. Die B-21 als erste US-Plattform der sechsten Generation kommt wirklich sehr, sehr gut voran.”

Gesucht werde zudem nach neuen Plattformen für Langstreckenfeuer, das bereits im Inventar ist. „Die C-130 oder die C-17 könnten große Mengen an Waffen transportieren  und damit die Fähigkeiten im Bereich des Langstreckenfeuers verstärken”, so Slife.

Durch moderne Fertigungstechniken lasse sich zudem die industrielle Basis auf nichttraditionelle Lieferanten ausdehnen. Damit könne ein gößerer Teil der amerikanischen Industriebasis für die Herstellung von Munition genutzt werden.

„Ich denke, dass es Flieger gibt, die den Weltraum auf einer weitaus taktischeren Ebene verstehen, als wir es in der Vergangenheit getan haben.“

General James C. Slife

Slife weiter: „Durch Fortschritte in der Automatisierung und dem Aufkommen von KI als Kriegsführungsfähigkeit verändern sich die Architekturen wie UAV geführt werden. Die Idee der Betreiber ist es, viele, viele Plattformen mit einem höheren Automatisierungsgrad zu steuern.”

General James C. Slife – ©Mitchell Institute for Aerospace Studies
General James C. Slife gab im Gespräch mit dem Mitchell Institute for Aerospace Studies zahlreiche interessante Ein- und Ausblicke.

General Slife sieht eine steigende Abhängigkeit der US Air Force von der US Space Force. Einen neuer Kader an Weltraumexperten wolle die US Air Force allerdings nicht aufbauen. Investiert wird jedoch in die Ausbildung von Luftwaffenangehörigen, um die Fähigkeiten und die Integration von Weltraumaktivitäten in Luftoperationen besser zu verstehen und nutzen zu können.

„Wir müssen darüber nachdenken, wie Luftüberlegenheit aussieht und wie wir sie erreichen können. Wir werden keine F-22 aussenden, um DJI Quadcopter mit Handgranaten zu finden.“

General James C. Slife

Zur Bedeutung der Luftüberlegenheit und was passiert, wenn man sie nicht hat, verweist General Slife auf die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg): „Dort sieht man, wie Kriegsführung ohne Luftüberlegenheit aussieht.”

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Die Kriegsführung mit kleinen UAV und Kamikazedrohnen sieht Slife „als große intellektuelle Herausforderung”. Geklärt werden müsse die Frage des Einsatzes kleiner UAV, wie sie sich nutzen lassen, aber auch wie man sich dagegen verteidigen können. Und das gelt für die Infrastruktur, aber auch für Streitkräfte vor Ort.

„Die USA betreiben ihre Luftwaffe um drei Dinge zu tun.
Erstens: Schutz des Heimatlandes.
Zweitens: Zwei Säulen der nuklearen Abschreckung der Nation zu betreiben.
Und drittens: Machtprojektion zur Unterstützung nationaler Interessen.“

General James C. Slife

Die Probleme bei der Entwicklung der Sentinel-ICBM (Minuteman III-Nachfolge) und das  Kostenwachstum könnte in den 2030er-Jahren zu Einschnitten bei anderen Programmen führen, so Slife abschließend. Die USA sei mit drei Standbeinen der nuklearen Abschreckung sicherer, wie der General weiter sagt. „Entscheidend für die Abschreckungsbasis ist ein modernisiertes ICBM-Bein. Die US Air Force wird mit dem Kongress zusammenarbeiten, um die Auswirkungen auf den Haushalt in den kommenden Jahrzehnten zu bewältigen.”

Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um die US-Streitkräfte.

Quelle©Mitchell Institute for Aerospace Studies