Am 7. Dezember wurden in einer Zeremonie in Caselle bei Turin in Anwesenheit des kuwaitischen Botschafters in Italien, Sheikh Azzam Al-Sabah, und des stellvertretenden Kommandeurs der kuwaitischen Luftwaffe (KAF), Air Vice-Marshal Staff Bandar Al-Mezyen, die ersten beiden der von Kuwait bestellten 28 Eurofighter übergeben.
„Dies ist ein Meilenstein in unserer umfassenden Strategie, einen Quantensprung in der Bereitschaft der kuwaitischen Luftwaffe zu bewirken, und die Frucht einer langen Geschichte der Verteidigungszusammenarbeit mit Italien. Die neue Ausrüstung der Staffel erfüllt die weltweit neuesten Standards für Mehrzweckkämpfer in Bezug auf elektronische Kriegsführung, die schnellste Reaktionsfähigkeit, die fortschrittlichen und diversifizierten Flugkörper-Waffen und das aktive E-Scan-Radar. Dies wird unseren nationalen Verteidigungsfähigkeiten Schwung verleihen und die Fähigkeiten der kuwaitischen Militärpiloten verbessern”, sagte Al-Mezyan.
Die zwei Flugzeuge werden bereits nächste Woche in ihrem neuen Zuhause auf der modernisierten Luftwaffenbasis Al-Salem in Kuwait ankommen. Natürlich waren sie – wie bis auf eine Ausnahme international üblich – Zweisitzer, auf denen die in Lecce ausgebildeten ersten Fluglehrer nun in Kuwait die Implementierung beginnen werden.
Der bislang modernste Typhoon
Die 28 Eurofighter (22 Einsitzer und 6 Zweisitzer) wurden 2016 von Kuwait im Rahmen eines Vertrags mit (damals) Leonardo-Finmeccanica für das Eurofighter-Konsortium, im Wert von rund 7,7 Milliarden Euro erworben. Es umfasst auch die Ausbildung von Piloten und Bodenpersonal durch die italienische Luftwaffe und Leonardo sowie Logistik und ein erstes operatives Unterstützungspaket für drei Jahre. Es umfasst auch die Bereitstellung von Ausrüstung und Geräten, um die Installation einer operativen Umschulungseinheit in Kuwait zu ermöglichen, sowie die Modernisierung des Luftwaffenstützpunkts Al-Salem zur Unterbringung des Typhoon-Geschwaders.
Take a seat in a Kuwait Air Force Eurofighter Typhoon taking part in the celebrations for Kuwait National Day. For some background about the Kuwait Air Force Typhoons ???????? read here: https://t.co/1MyXwh50it pic.twitter.com/6AvgSPJq0d
— The Aviationist (@TheAviationist) February 25, 2022
Wie der kuwaitische AVM erwähnte und Airbus und Leonardo schon bislang mehrfach nicht müde wurden zu betonen, ist die KAF der erste Kunde für den neuesten Mehrzweckstandard der Tranche-3 des Typhoon, der mit der ersten Serienversion des aktiv elekronisch-strahlschwenkenden Captor-E AESA-Bordradar (oder ECRS Mk.0) und anderen Upgrades ausgestattet ist. Funktionen, die andere Exportkunden wie Katar oder die 38 Stück als Ersatz für T1 der deutschen Luftwaffe in Zukunft ebenfalls übernehmen werden. Jenes ECRS Mk.0 Bordradar zeichnet sich durch hohe Emissionsleistung und ein sehr breites Explorationsfeld (200°) aus, ermöglicht durch die Kombination der elektronischen Abtastung mit einer mobilen Antennenbasis – im Gegensatz zu den festen AESA-Antennen der meisten modernen Kampfflugzeuge. Die KAF-Maschinen sind mit dem neuen Standard-Phase-3-Upgradepaket (Abkürzung: P3Eb) zurzeit sogar die fortschrittlichsten Eurofighter der Welt, denn der kuwaitische Entry-into-Service-Standard (EIS) umfasst auch den Sniper Advanced Laserzielbeleuchtungs-Behälter mit Datenverbindung, die VOR-Navigationsfähigkeit und den P5 ACMI Pod (der Echtzeit-Luft-Luft-Training bietet, das den Einsatz von IRIS-T- und AMRAAM-C7-Flugkörper beziehungsweise der 27-mm-Kanone nachahmt beziehungsweise die Resultate überträgt).
Bewaffnung
Die Erstausstatung an Bewaffnung umfasst Freifallbomben (Mk.82, .83 und .84 Serien), IRIS-T und AIM-120C7 AMRAAM Raketen. Das System wird zunächst in der Lage sein, mit der die AIM-120 weit übertreffende Meteor-Langstreckenrakete (BVR) von MBDA zu trainieren. Später werden die kuwaitischen Maschinen auf den Standard KAF Enhanced aufgerüstet, wobei Verbesserungen am ECRS Mk.0-Radar, die volle Fähigkeit zur Verwendung der Meteor, GBU-31 JDAM-Präzisionsbomben, einen verbesserte Sniper-Behälter und Upgrades des P5 ACMI-Trainingssystems eingeführt werden. Das Paket soll dann auch die Integration von MBDA’s Storm Shadow Langstrecken-Marschflugkörpern und Brimstone Luft-Boden-Flugkörper erlauben.
Diversifizierung
Kuwait hat als Ersatz für seine F/A-18C/D Legacy-Hornets – für jene hat sich wie berichtet Tunesien interessiert – aber nicht nur Eurofighter-T3 sondern auch 28 F/A-18E/F Block-III Super-Hornet-Advanced (ebenfalls 22 Ein- und 6 Zweisitzer) bestellt. Mit der nun beginnenden Auslieferung der in Italien endmonierten Typhoon als auch der bevorstehenden Übergabe der ersten Super Hornet, wird die KAF über eine der modernsten und leistungsfähigsten Flotten im Nahen Osten verfügen. Die erste fertige KAF F/A-18E wurde im September bei „Touch-and-Gos” am Boeing-Werksflugplatz am Lambert International Airport gesichtet, wobei Boeing im Jänner bekanntgab, dass sich die Abgabe an die US-Navy (welche die Maschinen im FMS-Regime dann weiergibt) wegen Covid-Problemen bis nächstes Jahr verzögere. Bekannte technische Details sind ebenfalls ein AESA-Radar (Raytheon AN/APG-79) und ein großformatiges Glass-Cockpit-Cockpit-Display von – früher keineswegs denkbar – ELBIT aus Israel.
Der Einsatz von zwei separaten Kampfflotten aus verschiedenen Quellen ist eine neue Perspektive für Kuwait, folgt aber dem, was unter den Golfstaaten zur gängigen Praxis wird. Neben Saudi-Arabien mit seiner langen Geschichte der Beschaffung amerikanischer und britischer Kampfflugzeuge kaufte Katar seine Verachtfachung (!) an Kampfflugzeugen aus drei verschiedenen Quellen (Boeing, Airbus, Dassault), während die VAE ihrer jüngsten Dassault Bestellung von 80 Rafále (Militär Aktuell berichtete) auch – sollten die „Bedingungen” der Biden-Administration überwunden werden – noch 50 F-35-Stealth-Jets hinzufügen könnten. Diese Politik stellt nicht nur politische und militärische Beziehungen zu den verschiedenen Liefernationen sicher, sondern sollte auch dazu beitragen, die langfristige Verfügbarkeit von genug Kampfflugzeugen sicherzustellen, wenn eine der Verbindungen zu einem Hersteller (politisch) abgeschnitten wird. Obwohl die KAF – im Vergleich am Golf – ziemlich klein ist, hat sie traditionell ein hohes Leistungsniveau beibehalten und in eine gute Ausbildung investiert. Darüber hinaus hat die Truppe jüngste Kampferfahrung gesammelt, um die militärische Intervention der von Saudi-Arabien geführten Koalition im Jemen zu unterstützen und Luftangriffe gegen die Huthi-Rebellen zu fliegen.
Inklusive 5-Stern Club
Die Beschaffung der Typhoon war von Unstimmigkeiten beziehungsweise Klagen über die Kosten begleitet und hat sich auch deswegen auf nunmehr mehr als fünf Jahre hingezogen. Zwar auch Monarchie, hat in Kuwait das Parlament jedoch offenbar mehr Rechte sowie Möglichkeiten als in der Region üblich. In Untersuchungen des ständigen parlamentsarischen Ausschusses wurde die Frage aufgeworfen, warum jeder Eurofighter für andere Länder um die 90 Millionen Euro kostet (mit Vollausstattung), während es sich im Falle von Kuwait pro Stück auf 285 Millionen Euro summierte? So hätte der Oman für seine 24 – bereits gelieferten – Typhoon an die Briten 1,99 Milliarden Euro gezahlt, die Saudis hätten vor Jahren um 7,85 Milliarden Euro sogar insgesamt 72 Stück (einer früheren Version) erhalten.
Berichten zufolge hätten die (anfänglich) am Eurofighter-Flugzeugdeal beteiligten Minister eine großflächige Verschwendung staatlicher Gelder bei der Sicherung des Kaufs zu verantworten. Das aber eher nicht wegen der Flugzeuge selbst, sondern wegen „der finanziellen Inkludierung mehrerer sogenannter Anhänge für Nebeneinrichtungen”. Zum Beispiel für den Neubau eines Fünf-Sterne-Clubs für die Nutzung durch die Kampfpiloten oder eine Wasserentsalzungsstation für die Basis Al-Salem. Verträge für den Bau dieser Einrichtungen wurden „an ein bestimmtes lokales Vertragsunternehmen vergeben”, obwohl – sogar nach Richtlinien in Kuwait – Verträge dieser Größenordnungen (nicht für das Rüstungsmaterial) mehreren Auftragnehmern separat angeboten werden sollen. Strafrechtliche Ermittlungen (auch durch die nationale Anti-Korruptionsbehörde NAZAHA) laufen, Anhörungen und Verhandlungen sind aber wegen der Bewegungsbeschränkungen durch Covid nur eingeschränkt möglich und finden daher nur sehr verzögert statt. Siehe auch Bericht in der Kuwait Times.
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