Nach einer Reihe von Vorfällen verstärkt die NATO nun ihre Präsenz in der Ostsee. Zum Schutz der kritischen Infrastruktur hat die Allianz bereits die Operation „Baltic Sentry” ins Leben gerufen und wird sehr rasch weitere Kapazitäten zuführen, um die Kontrolle des Ostseeraumes zu gewährleisten.
Der jüngste Vorfall datiert von vergangener Woche. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde ein französischer Seefernaufklärer vom Typ Atlantique 2 (ATL2) im internationalen Luftraum zuerst gejammt und dann von einem russischen S400-Luftabwehrsystem ins Visier genommen. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bezeichnete das aggressive Vorgehen als „Einschüchterungsmaßnahme Russlands” und als „nicht akzeptabel”.
Dans la nuit de mercredi à jeudi, un avion de patrouille maritime Atlantique 2 français a été la cible de mesures d’intimidation russes.
Il patrouillait en espace aérien international au-dessus de la mer baltique, dans le cadre d’une opération de l’OTAN, et a été illuminé par le…
— Sébastien Lecornu (@SebLecornu) January 17, 2025
Erst zwei Tage zuvor hatte die NATO die bereits erwähnte Operation „Baltic Sentry” (Baltische Wache) zum Schutz der kritischen Unterwasserinfrastruktur in der Ostsee angekündigt. NATO Generalsekretär Mark Rutte stellte klar, dass Schiffe, die eine Bedrohung für kritische Infrastrukturen (KRITIS) der NATO-Länder darstellen, auch mit Boarding und Festnahmen nach internationalem Seerecht rechnen müssen.
Das Spektrum der gestellten Überwachungskapazitäten für die Operation reicht von Kriegsschiffen und Aufklärungsflugzeugen über Satelliten bis hin zu Drohnen in der Luft (UAV), auf dem Wasser (USV) und unbemannte Unterseefahrzeuge (UUV).
#NATO announces Operation #BalticSentry in the #BalticSea to deter attacks on critical undersea infrastructure. It follows a declaration of solidarity between nations at the Baltic Sea NATO Allies Summit in Helsinki. #NATO stands ready to deter and defend against any threats to… pic.twitter.com/M4cL78GjyI
— NATO Maritime Command (@NATO_MARCOM) January 14, 2025
Der französische Admiral Pierre Vandier, Oberkommandierender des Alliierten Transformationskommandos (SACT) kündigte an „einige neue USV mit Lichtgeschwindigkeit zum Einsatz zu bringen”. Bislang sind USV bei den westlichen Alliierten allenfalls in Einzelstücken und eher zur Erprobung vorhanden. Nun soll es schnell gehen. „Ich erwarte, dass wir UAV in weniger als ein paar Wochen dem Alliierten Marinekommando (MARCOM) zur Verfügung stellen und dann damit beginnen werden, diese Schiffe zur ständigen Überwachung kritischer Gebiete rund um die Uhr einzusetzen.” Die Rede ist von mindestens 20 USV-Einheiten noch unbekannter Typen.
.
Weitere Vorfälle im Ostseeraum
Am 26. September 2022 wurden mit vier Sprengungen beide Leitungen der Nord Stream 1- und eine Leitung der Nord Stream 2-Gaspipelines zerstört. Die Explosionen fanden in internationalen Gewässern südöstlich der dänischen Insel Bornholm statt.
Nach dem Anschlag begannen die zuständigen schwedischen, dänischen und deutschen Ermittlungsbehörden wegen schwerer Sabotage zu ermitteln. Deutsche Behörden ermitteln seit Ende 2022 unter anderem auch gegen mögliche ukrainische Täter.
Der investigative US-Journalist Seymour Hersh nannte in einem Artikel eine amerikanisch-norwegische Urheberschaft. Darauf hat sich auch Russland vor den Vereinten Nationen bezogen. Im April 2023 wurde dann bekannt, dass sich russische Schiffe mit Ausrüstung für Unterwasseroperationen in unmittelbarer Nähe der späteren Explosionen aufgehalten haben. Wie das dänische Verteidigungskommando bestätigte, hat ein dänisches Patrouillenboot 26 Fotos von „SS-750”, einem Bergungsschiff der Kaschtan-Klasse sowie einem AS-26-Tiefseerettungsfahrzeug der Priz-Klasse gemacht.
Am 8. Oktober 2023 wurde die Gaspipeline Balticconnector zwischen Finnland und Estland beschädigt. Die chinesische Regierung gab in Folge bekannt, dass das Frachtschiff „NewNew Polar Bear” versehentlich die Ostsee-Gaspipeline zerstört hat.
Am 25. und 26. April 2024 konnten Finnair-Flüge von Helsinki nach Tartu aufgrund einer Störung ihres GPS-Systems nicht sicher landen, sodass die Flugzeuge nach Finnland zurückkehren mussten. Finair stellte die Flüge nach Tartu vorübergehend ein.
Am 7. Oktober 2024 wurde das EE-S1-Telekommunikations-Seekabel zwischen Schweden und Estland beschädigt. Zum Zeitpunkt der Störung befanden sich das russische Frachtschiff „Sevmorput” und auch wieder das unter Hongkong-Flagge fahrende Frachtschiff „NewNew Polar Bear” im Bereich der Schadenstelle. Der Eigentümer von Sevmorput, Rosatom, bestritt eine Beteiligung.
Am 17. November 2024 wurde vor der Südküste von Schweden das BCS-East-West-Interlink-Telekommunikations-Seekabel sowie das C-Lion1–Telekommunikations-Seekabel mutmaßlich durch das Frachtschiff „Yi Peng 3” durchtrennt. Die „Yi Peng 3” wurde anschließend von der dänischen Marine mehr als einen Monat lang in internationalen Gewässern im Kattegat festgesetzt, während Untersuchungen liefen.
Am 25. Dezember 2024 wurden das Unterwasser-HGÜ-Stromkabel EstLink 2 zwischen Finnland und Estland sowie mehrere parallel führende Telekommunikationsleitungen, unter anderem abermals das C-Lion1-Kabel zerstört. Zum Störungszeitpunkt fuhr der, unter der Flagge der Cook-Inseln fahrende, Rohöltanker „Eagle S” mit einer Geschwindigkeit von 9 Knoten über das Kabel und zog dabei einen seiner Anker über den Grund. Der Tanker wurde in Folge von der finnischen Spezial-Grenzschutzeinheit „Erikoisrajajääkärikomppania” geentert.
Auf dem Schiff wurden Sende- und Empfangsgeräte vorgefunden, die für ein Handelsschiff ungewöhnlich sind und offenbar dazu dienten, die Marine- und Luftfahrtaktivitäten der Nato zu überwachen.Die Europäische Union geht davon aus, dass die Eagle S Teil der sogenannten russischen Schattenflotte ist, mit der Russland das Öl-Embargo umgeht.
Wie das Luftfahrtmagazin Austrian Wings berichtete, musste am 30. Dezember 2024 der Ryanair/Lauda-Flug FR 748 kommend von Riga den Landeanflug auf Wien-Schwechat zwei Mal abbrechen. Die Piloten beschlossen in Folge einen Ausweichflughafen anzusteuern und landeten schließlich in Brünn. Ursache war offenbar ein nicht zu behebendes Problem mit der Navigationsanlage aufgrund von GPS-Störungen entlang der Flugroute in Polen.