Parallel zu den multinationalen FCAS- und GCAP-Programmen und den laufenden chinesischen Bemühungen (-> Gewinnt China das Rennen um die 6.Generation-Kampfjets?) intensivieren nun auch Schweden und Saab ihre Bemühungen zur Entwicklung eines Kampfjets der 6. Generation. Das Vorhaben darf als durchaus ambitioniert bezeichnet werden.
Es mag zunächst wie eine David-gegen-Goliath-Geschichte klingen, wenn das „kleine” Schweden („David”) mit Blick auf einen 6.-Generations-Kampfjet einen Alleingang wagt. Aufgrund der milliardenschweren Forschungs- und Entwicklungskosten haben sich bei den laufenden Programmen zur Realisierung entsprechender Systeme (FCAS – Future Combat Air System mit Frankreich, Deutschland und Spanien sowie GCAP – Global Combat Air Programme mit Japan, Großbritannien und Italien) jeweils mehrere „große” Länder mit ihren Industrien („Goliath”) zusammengetan und ursprünglich war auch Schweden Teil eines solchen Programms.
Ausstieg aus Tempest

2019 ist Stockholm dem damals noch rein britischen „Team Tempest” zunächst als Beobachter auf technischer Ebene und dann 2021 auch formell beigetreten. Seitdem haben sich die Voraussetzungen aber mit der Eingliederung des japanischen F-X-Programms (dort flog bis 2018 bereits der Demonstrator X-2 Shinshin) und der Umbenennung von Tempest in GCAP im Dezember 2022 und dann vor allem mit dem NATO-Beitritt Schwedens in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) grundlegend verschoben. Die Regierung entschied sich daraufhin, doch einen eigenen Weg zu gehen, und startete bereits im Juli 2023 das Projekt KFS (Koncept för Framtida Stridsflyg), zu dem nun Saab erste Details bekanntgegeben hat.
„Schweden hat angesichts der aktuellen Entwicklungen beschlossen, seine nationalen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken und auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden”, so Peter Nilsson, Leiter der Saab Advanced Programmes, im Gespräch mit Militär Aktuell. Ein bedeutender Schritt dahingehend war laut Nilsson ein Auftrag, den Saab im vergangenen März von der schwedischen Verteidigungsmaterialbehörde erhalten habe. Darin geht es um die Entwicklung umfassender Studien zu bemannten und unbemannten Lösungen für verschiedene Technologieentwicklungen, Subsysteme und Demonstratoren. „Mit diesem umfassenden Ansatz soll sichergestellt werden, dass Schweden auch in Zukunft über eine hochmoderne und effektive Luftverteidigung verfügt.”
Technologische Innovationen
Freilich befindet sich das KFS-Projekt derzeit noch in einer frühen Phase, doch die Pläne sind ehrgeizig: Schon jetzt arbeiten 270 Mitarbeiter an dem Projekt, unter anderem in rund 150 aktiven Forschungs- und Entwicklungsprojekten. 2026 soll mit einem fliegenden Demonstrator ein erster Meilenstein erreicht werden, das Programm ist vorerst bis 2030 budgetiert. Laut Nilsson wird sich KFS deutlich vom laufenden Gripen-Programm – in dessen Fähigkeitsaufwuchs weiterhin investiert wird (-> Neue Flügel für den Gripen) – unterscheiden. Die Schwerpunkte sollen auf einer geringen Ortbarkeit, einem hohen Grad an Autonomie und starken elektronischen Kampffähigkeiten liegen. Ein Beschaffungsentscheidung wird für das Jahr 2031 erwartet.

Noch viele offene Fragen
Was man bei Saab aktuell noch nicht weiß – oder nicht sagen will –, ist, ob das Design ein- oder zweistrahlig beziehungsweise ein- oder zweisitzig sowie optional auch unbemannt sein wird. Das Unternehmen hat in der Vergangenheit bereits einige unbemannte Stealth-Konzepte eines sogenannten „Loyal Wingman” im Windkanal getestet und könnte diese nun aufgreifen und weiterentwickeln. Damit, mit Gripen E/F und dem Multi-Role-Frühwarnflugzeug Global Eye (fünf Stück für die Emirate und inzwischen drei für Schweden) sei man laut Lars Tossman, dem Leiter des Saab-Geschäftsbereichs Aeronautics jedenfalls „in einer starken Entwicklungsposition”. Um diese weiter zu stärken, soll die Zusammenarbeit mit innovativen Start-ups wie Helsing (-> Saab kauft sich bei Helsing ein) intensiviert werden.
„ES GEHT in unserem Fall nicht darum, Goliath zu bezwingen, sondern daneben auch als David zu bestehen, und dafür sehen wir gute Chancen.”
Lars Tossman, Leiter des Saab-Geschäftsbereichs Aeronautics
Saab beabsichtigt zudem auch Innovationsplattformen wie die „Defense Innovation Initiative” der schwedischen Regierung und den „Defense Innovation Accelerator for the North Atlantic” (DIANA) der NATO zu nutzen. „Wir verfügen auf vielen Ebenen über die fortschrittlichsten Technologien und das technische Know-how, um KFS voranzutreiben. Damit können wir in jedem Fall die zukünftigen operativen Anforderungen der schwedischen Streitkräfte und anderer Kunden erfüllen”, so Tossman.

Ob sich das „kleine” Schweden dabei nicht übernehme, wollen wir wissen. Schließlich habe das Land nur zehn Millionen Einwohner und eine überschaubare Industrie. FCAS und GCAP stehen im Gegensatz dazu auf deutlich potenteren Beinen und selbst das von den USA vorangetriebene NGAD-Programm (Next Generation Air Dominance) kämpfe mit Budgetsorgen und werde mit dem Einsatzwert von Stealth-Kampfdrohnen gegengerechnet. Tossman lächelt. „Sie kennen den Kampf von David gegen Goliath?” Der Saab-Manager weiter: „Dann wissen sie auch, wie der Kampf ausgegangen ist. Wobei es in unserem Fall ja nicht darum geht, Goliath zu bezwingen, sondern daneben auch als David zu bestehen, und dafür sehen wir gute Chancen.”
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