Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nutzte den Eröffnungstag der ILA-Luftfahrtschau in Berlin, um einen Auftrag über 20 weitere Eurofighter-Kampfflugzeuge anzukündigen. Damit entsprach Scholz einer von Airbus Defence & Space-Chef Michael Schöllhorn bereits mehrfach vorgetragenen Forderung nach weiteren Bestellungen, um den deutschen Produktionsstandort in Manching bis über 2030 hinaus abzusichern (-> Airbus drängt auf deutsche Eurofighter-Bestellung).

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz – ©Deutsche Bundesregierung
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz während seines Pressestatements auf der ILA in Berlin.

Die angekündigte Bestellung ist als zusätzlicher Auftrag zu den bereits im Rahmen des Berliner Projekts „Quadriga” unter Vertrag stehenden 38 Exemplaren zu verstehen, deren Teileproduktion im Konsortium und Endfertigung in Manching vor einem Jahr begonnen wurde.

Deutsche Regierung unterstützt auch (wieder) den Export

„Die Bundesregierung hat größtes Interesse an einer starken Luft- und Raumfahrtbranche in Deutschland und Europa. Ich setze mich daher für den Erhalt und Ausbau der Produktionskapazitäten ein. Wir werden noch in dieser Legislaturperiode weitere 20 Eurofighter bestellen, zusätzlich zu den 38 Flugzeugen, die bereits in der Pipeline sind”, so Kanzler Scholz bei einem Medientermin auf der ILA. Scholz weiter: „Wir werden damit die Auslastung dieser Produktionskapazität sicherstellen und darüber hinaus weitere Perspektiven für den Eurofighter im Export unterstützen.”

©Militär Aktuell

Damit könnte auch der von seiner Regierung lange blockierte Auftrag über mehr als 50 Maschinen für Saudi-Arabien gemeint sein. Im Interview mit Militär Aktuell sprach Eurofighters Vorstandsvorsitzender Giancarlo Mezzanatto vor einem Jahr aber auch zahlreiche weitere potenzielle Absatzmärkte an.

Eurofighter der italienischen Luftwaffe – ©Georg Mader
Italien überlegt ebenfalls eine Aufstockung seiner Eurofighter-Flotte. Dem Vernehmen nach könnten 24 weitere Maschinen beschafft werden.

Einer davon könnte sogar sein Heimatland und Eurofighter-Konsortiums-Gründungsmitglied Italien sein. David Hulme, Typhoon Product Strategy Director und Eurofighter Project Director bei BAE Systems sagte Ende Mai, dass Italien seine aus 96 Maschinen bestehende Eurofighter-Flotte (aktuell sind noch 94 im Einsatz aufstocken wolle. Dazu soll im Sommer in Rom ein parlamentarischer Prozess eingeläutet werden, die Genehmigung der Regierung von Giorgia Meloni soll im dritten Quartal 2024 beantragt werden. Dem Vernehmen nach überlegt die italienische Luftwaffe (Aeronautica Militare Italiana, AMI), sich mit weiteren 24 Typhoons in ähnlicher Konfiguration wie nun von Deutschland bestellt, auf die anstehende Ausmusterung ihrer 36 Tornado Strike (IDS) und 16 Tornado EloKa (ECR)-Flugzeuge vorzubereiten. Alternativ könnten damit aber auch einige oder alle ihrer 26 (darunter zehn zweisitzige) Eurofighter-Tranche-1-Jets ersetzt werden. Jene wurde in der Vergangenheit – erfolglos – bereits anderen Staaten angeboten, zum Beispiel Rumänien, das sich im vergangenen Sommer dann für F-35 von Lockheed Martin entschieden hat.

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Deutschland hat für seine „nuklearen Teilhabe” zuletzt auch 35 Stück F-35A bestellt. Scholz ging mit folgendem Statement darauf ein: „Aus Zeitgründen werden nun einige Waffensysteme auch von Partnern beschafft, die schon marktverfügbare Produkte haben. Auf manches können wir schlicht nicht warten.” Und dann ganz generell und sogar einsichtig: „Die Politik in Deutschland hat um die Branche in der Vergangenheit einen zu großen Bogen gemacht. Das ist vorbei. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat ganz Deutschland vor eine neue sicherheitspolitische Realität gestellt. Nötig ist daher eine engere Zusammenarbeit der europäischen Partner. Wir können es uns in Europa schlicht nicht mehr leisten, eine deutlich größere Zahl konkurrierender Waffensysteme zu haben als etwa die USA. Es muss weniger Systeme geben, in denen sich aber die Stärken der jeweiligen Industrien widerspiegeln. Dann erreichen wir auch die nötige Interoperabilität zwischen Europas Streitkräften und höhere Stückzahlen.”

„Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat ganz Deutschland vor eine neue sicherheitspolitische Realität gestellt.“

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz

Natürlich zeigte sich der Hauptauftragnehmer im Eurofighter-Konsortium erfreut: „Wir begrüßen diese Entscheidung als wichtigen Schritt in die richtige Richtung, um die deutsche Kompetenz im militärischen Flugzeugbau zu erhalten und den Eurofighter weiterzuentwickeln”, so Airbus Defence & Space in einer ersten Reaktion auf der Social-Media-Plattform X.

Giancarlo Mezzanatto: „Der  Typhoon, das Rückgrat der europäischen Luftverteidigung, wird unseren Luftraum bis in die 2060er-Jahre hinein schützen, und deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die Fähigkeiten der Plattform weiter verbessern und sicherstellen, dass sie einsatzfähig ist.”

Eurofighter der Tranche-4 – ©Bundeswehr
Die neue Bestellung erfolgt zusätzlich zur bereits beauftragten Beschaffung von 36 Eurofighter-Jets im „Quadriga“-Projekt.

Systemdefinition – Phase 4 Enhancement

Das neue, nun als SD-Paket (System Definition) der Phase 4 Enhancement (P4E) bezeichnete Programmsegment enthält eine Reihe von Neuerungen. So soll ein sogenanntes automatisiertes Sensormanagement für alle (kommenden) Typhoon-Radare die Fähigkeiten des AESA-Radars nutzbar machen, um mehrere Aufgaben gleichzeitig  zu erledigen und zugleich – in Verbindung mit einer verbesserten Cockpit-Schnittstelle – die Arbeitsbelastung beim Management der verschiedenen Sensoren verringern. Es kommen mit P4E auch verbesserte Funkfrequenz-Interoperabilität (RFIO) und ein Upgrade des Selbstschutzsystems (DASS), damit auch eine – noch nicht näher definierte – zusätzliche Fähigkeit zur elektronischen Kampfführung.

Noch keine Tranche-5

Obwohl auf der ILA spekuliert wurde, dass diese 20 zusätzliche Maschinen schon etwas mit der Tranche-5 zu tun haben könnten, ist das auf Grund der Tatsache, dass aktuell die Umsetzung des LTE-Fähigkeitspakets (Long Term Evolution) noch gänzlich fehltdoch unwahrscheinlich. Vielmehr kann die Luftwaffe mit den – am besten als Tranche-4+ zu bezeichnenden – zusätzlichen Eurofightern ihre Flottengröße während des Projekts zur Umrüstung von 15 im Einsatz befindlichen Tranche-3 Exemplaren auf den Standard für elektronische Kampfführung (EK-Modell) und Unterdrückung gegnerischer Luftabwehr (ECR beziehungsweise SEAD/DEAD) beibehalten (-> deutsche Eurofighter erhalten dafür die Arexis-Sensorsuite von Saab).

Infrastruktur-Offensive am Fliegerhorst Aigen im Ennstal

In Richtung Österreich dürfte vom Hersteller auch gleich signalisiert worden sein, dass aus den nun von Deutschland bestellten 20 Maschinen gerne auch 44 werden könnten, sollte das Bundesheer bei der Nachfolge seiner Tranche-1-Eurofighter auf neue Eurofighter setzen wollen. Diese Ankündigung kommt wohl noch ein paar Jahre zu früh, wenngleich sich die relevanten Ebenen im Heer einig sind, dass die nächste Bundesregierung um eine Entscheidung über die rot-weiß-rote Eurofighter-Nachfolge nicht umhin kommen wird.

Hier geht es zu weiteren Eurofighter-Meldungen und hier zu weiteren Meldungen rund um Airbus Defence and Space.

Quelle©Deutsche Bundesregierung, Militär Aktuell/Zacharias, Georg Mader