Laut einem Bericht der deutschen Verteidigungswebsite „Augen geradeaus!” soll der letzte „Einsatzort” der nie in Dienst gestellten Euro Hawk-Aufklärungsdrohne das Militärhistorische Museum der Bundeswehr am Flugplatz Berlin-Gatow werden.
Die Geschichte der deutschen Euro Hawk-Überwachungsdrohne – einer geplanten europäisierten beziehungsweise eingedeutschten Version des Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk – ist endlich zu Ende. Aber nicht glücklich, speziell nicht im Sinne des deutschen Steuerbürgers. Das unbemannte Luftfahrzeug mit der Größe fast einer Boeing 737 wird von einem Hangar in Manching in ein Museum transferiert, nachdem sich die Pläne zum Verkauf des Unikats nach Kanada zerschlagen hatten.
Das deutsche Verteidigungsministerium (BMVGg) bestätigte in einer Antwort auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz, dass im Rahmen einer im Oktober 2019 unterzeichneten Vereinbarung Ersatzteile, Bodendienstausrüstung, Testausrüstung und Spezialwerkzeuge an die NATO-Agentur für Unterstützung und Beschaffung übergeben werden, welche sie wohl zur Unterstützung ihrer Flotte von fünf AGS-Drohnen (RQ-4D Alliance Ground Surveillance) in Sigonella auf Sizilien verwenden werden, die ebenfalls auf dem Global Hawk basieren. Die Kosten des Geschäfts wurden nicht bekannt gegeben. Die in Deutschland verbleibende Ausrüstung, nämlich das einzelne RQ-4E-Flugzeug selbst ohne jegliche Militär- und Missionsausrüstung sowie die Bodenkontrollstationen werden in das oben genannte Museum gehen und frühestens im Jahr 2022 im Rahmen einer Dauerausstellung ausgestellt.
So war das nicht geplant
Ein Ende im Museum in Gatow ist wohl nicht ganz das, was das BMVg erwartet hatte, als es das Programm startete. Der sogenannte Euro Hawk absolvierte seinen ersten Flug am 29. Juni 2010 in der Produktionsstätte von Northrop Grumman in Palmdale, Kalifornien. Am 20. Juli 2011 erfolgte – ein Meilenstein in der Geschichte unbemannter Flugzeuge – der non-stop Überstellungsflug nach Deutschland. Fünf Stück der SIGINT-Plattform (Signals Intelligence) sollten in Folge bei der deutschen Marine die speziell konfigurierten bemannten Breguet Atlantique ersetzen. Jene hatten – hauptsächlich rund um die Ostsee – bis 2010 die Rolle der elektronischen- und Kommunikations-Signalsammlung ausgefüllt. Dazu hätten sie ein eigens von Airbus entwickeltes SIGINT-System mit dem bezeichnenden Namen ISIS getragen.
Wie sich herausstellte, entwickelte sich das Euro Hawk-Programm zu einem absoluten Flop. Die europäischen Luftfahrtbehörden weigerten sich wiederholt, die Riesendrohne für den Flug im kontrollierten Luftraum über den Kontinent zu zertifizieren. Die Befürchtung, dass das unbemannte Flugzeug – ohne einem für den zivilen Luftverkehr zertifizierten automatischen Antikollisionssystem – den zivilen Flugverkehr in einem chronisch überlasteten europäischen Luftraum gefährden könnte, führte dazu, dass die Zertifizierung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit nur für Flüge über unbewohnten Gebieten möglich war. Und es gab keine Garantie dafür, dass sich dies mittelfristig ändern würde. Vor diesem Hintergrund wäre das deutsche Militär weder für Ausbildungszwecke noch für Einsätze in der Lage gewesen, das Gerät von seinen eigenen Stützpunkten aus operationell im Sinne der gedachten Mission zu betreiben.
In Kombination mit erheblichen Kostenüberschreitungen und resultierenden langen Verzögerungen beschloss Berlin 2013 die Notbremse zu ziehen, nachdem statt wie geplant 363 Millionen Euro insgesamt 668 Millionen Euro ausgegeben worden waren. Inmitten der peinlichen Folgen und unter großem politischem Druck verteidigte der damalige deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière in einem eigenen Drohnen-Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Position, bevor er im selben Jahr von seiner Position zurücktrat.
In jenem U-Auschuss kam heraus, dass für den US-Hersteller Northrop Grumman schon im Februar 2010 festgestanden habe, dass der Euro Hawk keine Zulassung für einen regulären Flugbetrieb in Europa bekommen würde. Dazu habe es eine Vorlage für eine Krisensitzung am 3. Februar 2010 bei Northrop Grumman gegeben. Der Schlüsselsatz in dem Papier lautete: „Der Euro Hawk in seinem jetzigen Zustand wird niemals die Anforderungen eines umfassenden Musterprüfverfahrens erfüllen.” Diese Einschätzung hatte laut Bericht sogar bereits zuvor das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung den Amerikanern übermittelt. De Maizière erklärte, 2012 erstmals „abstrakt” über die Zulassungsprobleme und erst im Mai 2013 über den ganzen Umfang der Probleme informiert worden zu sein. Hierbei stellte er dar, dass „Entscheidungsfindungen auf Staatssekretärsebene stattgefunden haben, was nicht in Ordnung gewesen ist.”
2015 wurde dann eine Reaktivierung zu Testzwecken geprüft, alleine der damals 15 Wochen dauernde Wartungsprozess kostete 2,6 Millionen Euro. Danach kam Kanada ins Spiel, nachdem Ottawa ein formelles Angebot für das Flugzeug abgegeben hatte, obwohl dort keine anderen ähnlichen Geräte im Inventar waren. Kanadischen Medien haben berichtet, dass Kanada die Drohne in die Lufttüchtigkeit zurückversetzen und damit Ölverschmutzungen, Eisstände und Meereslebensräume in der zunehmend ökonomisch umkämpften arktischen Region überwachen hätte wollen. Woran dieser Deal dann gescheitert ist, ist unklar. Aber schließlich fehlten dem Unikat wesentliche Komponenten, einschließlich ihrer Navigations- und Flugsteuerungssysteme, was sie wohl ohne nennenswerte Aufwertung nutzlos gemacht hätte.
Was kommt stattdessen?
Die deutschen Streitkräfte setzen nun ihre Hoffnungen auf eine brandneue SIGINT-Plattform, die im Rahmen des Programms Persistent German Airborne Surveillance System verfolgt wird. Die Nachfolgerin von De Maizière als Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, wollte ursprünglich eine weitere unbemannte Plattform auf der Basis der MQ-4C Triton-Drohne der US-Marine – ein weiteres Derivat von Global Hawk – nach 2025 in Dienst stellen. Jene wurde bereits von Anfang an für die zivile Zertifizierung entwickelt. 2020 änderten sich diese Pläne aber erneut, als sich das BMVg stattdessen für eine bemannte Lösung des „Projekts Pegasus” entschied, welches – wie die fünf AWACS der VAE Global Eye von Hersteller Saab (Militär Aktuell berichtete) – auf dem Geschäftsreiseflugzeug Bombardier Global 6000 samt Ausrüstung von Hensoldt basiert. Bislang wurde jedoch kein Budget für die Integration der erforderlichen nationalen SIGINT-Ausrüstung/Sensoren zugewiesen.
Airbus (nun als Geschäftszweig Defence & Space) selbst hat es in vielen Jahren nicht geschafft, eigenständig eine größere Drohne zu entwickeln, die sich auf dem Markt durchsetzen konnte. Die Bundeswehr stieg 2009 aus dem Airbus-Projekt Talarion aus. Die Harfang-Drohne, die Frankreich beschaffte und – übrigens in Datalink mit denselben Breguet Altantique – in Mali einsetzte, ist keine Eigenentwicklung von Airbus. Dennoch plant das BMVg langfristig eine neue „Euro-Drohne”. Damit erhält Airbus eine neue Chance, eine selbst entwickelte Drohne für die Streitkräfte zu bauen. Die geleaste israelische Heron TP ist für die Truppe nur eine Zwischenlösung. Langfristig plant die Bundeswehr mit einer in Europa entwickelten Kampfdrohne. 2018 zeigten die beteiligten Firmen Airbus, Dassault Aviation und Leonardo auf der ILA mit einem Modell in 1:1, wie die Euro-Drohne aussehen soll. Bis sie fliegt, werden aber noch Jahre vergehen. Ursprünglich sollte das Gerät bis 2025 bei der Truppe sein. Mittlerweile nennt man 2028 als neuen Termin. Sollten Airbus und dessen Partner die Euro-Drohne bis dahin nicht fertig haben, dürfte das Leihgeschäft für Heron – begleitet von einer rein innenpolitischen Diskussion um eine „Bewaffnungsoption” – weiterlaufen. Eine Option zur Verlängerung bestehe jedenfalls, heißt es.