Das Bundesheer hat mit dem Tracker seit 2015 erste Erfahrungen im Drohnenbereich gesammelt. In den kommenden Jahren sollen nun weitere autonom fliegende Geräte zulaufen. Ein Blick in die Zukunft mit Brigadier Jörg Freistätter, Leiter der Luftzeugabteilung in der Direktion Beschaffung.
Herr Brigadier, das Bundesheer hat mit der Einführung des UAV-Systems Tracker des französischen Herstellers Survey Copter Anfang 2015 Neuland betreten.
Richtig. Anfang bis Mitte der 2010er-Jahre führten immer mehr Streitkräfte unbemannte Militärluftfahrzeuge ein, also das, was gemeinhin als Drohnen bezeichnet wird. Das Ressort hat sich damals entschlossen, ebenfalls ein System zu beschaffen, um damit entsprechende Erfahrungen sammeln zu können. Dabei ging es um den Umgang mit derartigen Systemen im militärischen Bereich. Ganz wesentlich aber auch um die Auswirkungen auf das Luftfahrtrecht.
Es stand also die Grundlagenarbeit rund um den Einsatz von Drohnen-Systemen im Fokus?
Die Militärluftfahrzeug- und Militärluftfahrtgerätverordnung aus 2008 (MLFGV 2008) kannte bis dahin noch gar keine unbemannten Militärluftfahrzeuge. Wir mussten daher erst eine Richtlinie zur Ergänzung der MFLGV 2008 für die Feststellung und Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit von unbemannten Militärluftfahrzeugen erarbeiten. Darin wurden unterschiedliche Kategorien etwa abhängig von der Masse, vom Einsatzgebiet mit Umgebungsprofil, Bebauungsgrad und Bevölkerungsdichte definiert, Ableitungen getroffen und Regularien, die sich daraus für Einsätze, den Flugbetrieb und viele andere Bereiche ergeben, festgelegt. Ganz wichtig war und ist in diesem Zusammenhang auch das Frequenzmanagement, es gibt schließlich auch andere Systeme und Infrastrukturen, die im selben Frequenzbereich wie Drohnen arbeiten. Das ist alles viel komplizierter und schwieriger, als man sich das als Außenstehender vorstellt und auch längst noch nicht abgeschlossen. Es gilt immer noch weitere Erfahrungen zu sammeln und Erkenntnisse zu gewinnen.
Geht es nach den aktuellen Planungen, dann sollen weitere Erfahrungen bald auch mit neuen Drohnen-Systemen gemacht werden können, oder?
Wir haben jedenfalls zwei konkrete Vorhaben in der Pipeline. Da geht es einerseits um gefechtstechnische Drohnen, also Systeme mit einem maximalen Abfluggewicht von fünf Kilogramm, einer Flugdauer von rund 45 Minuten und einer Reichweite von bis zu fünf Kilometern. Und andererseits um unbemannte Militärluftfahrzeuge „großer Verband”.
Das sind dann größere Systeme?
Ja. Da reden wir von Reichweiten bis zu 70 Kilometer und einem Abfluggewicht von – abhängig vom dann gewählten Modell – 25 bis 60 Kilogramm. Beide Systeme werden uns einen neuerlichen massiven Erfahrungsgewinn bringen.
Eine konkrete Typenentscheidung gibt es in beiden Fällen aber noch nicht, oder?
Nein, aktuell haben wir in beiden Fällen „nur” eine Vorhabenabsicht. Das heißt, es gibt einen – allerdings schon mit einem Budget hinterlegten – Plan zur Realisierung einer gewissen Fähigkeit. Daraus leiten wir gerade eine Leistungsbeschreibung ab, wir übersetzen also die Forderungen der Planer in produktneutrale technische Beschreibungen. Zudem sind wir im Rahmen eines „Request for information” gerade dabei, aktuelle Informationen zu infrage kommenden Systemen, Modellen und Beschaffungswegen bei Herstellern und anderen Nationen einzuholen.
Für wann ist die Beschaffung dann konkret geplant?
Die erste Tranche der gefechtstechnischen Drohnen soll bereits ab 2024 zulaufen, eine zweite Tranche 2027 bis 2028 und bis 2031 wollen wir dann den Zielbedarf inklusive Miliz realisiert haben. Unter dem Strich geht es dabei um die Beschaffung mehrerer Hundert Systeme.
Über welche Eigenschaften muss eine „gefechtstechnische Drohne” unbedingt verfügen, um für das Heer interessant zu sein?
Nachdem es dabei vor allem um Aufklärung und eine rasche Einsetzbarkeit geht, muss die Drohne einfach aufgebaut und in einem Rucksack oder in einer Tasche mannverlastbar sein. Wichtig ist auch eine möglichst simple Bedienung, um sich vor allem auf die Sensordaten konzentrieren zu können.
Apropos: Werden für die Systeme unterschiedliche Sensoren beschafft? Denkbar wären ja beispielsweise optische Kameras, aber auch Infrarotkameras oder andere Sensoren, die je nach Situation und Einsatzziel gewechselt werden können.
Das ist prinzipiell natürlich denkbar, wobei der Fokus bei der Infanterie ganz sicher auf der optischen Nahaufklärung liegen wird, die dem Zugs- oder Kompaniekommandanten einen besseren Lageüberblick erlaubt. Bei den größeren Systemen, die wir beschaffen wollen, ist aber eine ganze Phalanx an Sensoren denkbar. Ganz entscheidend, um die gesammelten Informationen dann aber verwerten zu können, wird die Einbindung der Drohnen in ein modernes Battle-Management-System sein …
… das es beim Heer aktuell aber noch nicht gibt.
Das aber ebenfalls beschafft werden soll.
Wann sollen die unbemannten Militärluftfahrzeuge „großer Verband” zulaufen und welche Kriterien werden bei der Beschaffung dieser Systeme entscheidend sein?
Die Zeiträume sind sehr ähnlich denen bei den gefechtstechnischen Drohnen, die Stückzahlen natürlich deutlich geringer, wobei ein System in diesem Bereich im Regelfall aus mehreren Flugkörpern besteht. Beim Tracker beispielsweise besteht ein System aus drei Flugkörpern. Entscheidende Eigenschaften werden die Sensorik, die Intelligenz der Sensorik und wie schon erwähnt die Einbindung der Daten in das Battle-Management-System sein.
Man hört, dass unabhängig von den beiden Vorhaben auch noch weitere Drohnen beschafft werden könnten?
Es sind auch noch weitere Systeme in Überlegung, auf der Ebene operativer kleiner Verband und auf der operativen Ebene über den Aufklärungs- und Artilleriebataillonen. Da sprechen wir dann aber von richtig großen Systemen, die mit ihrer Reichweite ganz Österreich abdecken könnten.
Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass es nicht immer große Systeme braucht, sondern sich auch mit vergleichsweise günstigen und modifizierten handelsüblichen Drohnen eine große Wirkung erzielen lässt.
Das ist dort aus der Not heraus entstanden und hat ganz sicher auch seine Berechtigung – sonst würden sie es nicht machen. Für uns ist das aktuell aber kein Thema. Was wir allerdings schon machen, ist, dass wir uns vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg und davor schon bei den Kämpfen um Bergkarabach natürlich viele Gedanken rund um Drohnen und deren Einsatzspektrum machen. Deshalb haben wir zuletzt im Bereich der Mikrodrohnen unter anderem auch bei den Spezialeinsatzkräften drei unterschiedliche Systeme vom zivilen Markt getestet und mit Blick etwa auf deren Handling, die Akkulaufzeiten und die Einsetzbarkeit auch bei schlechten Witterungsbedingungen wichtige Erfahrungen gesammelt. Zudem verfügen wir auch über einen bei der Luftaufklärung in Langenlebarn stationierten Octocopter des österreichischen Herstellers Riegl, der mit verschiedenen Sensoren bestückt ist und von den unterschiedlichsten Dienststellen angefordert werden kann.
„Das Letzte, was wir wollen, sind Systeme, die sich einfach abfangen oder lahmlegen lassen.“
Brigadier Jörg Freistätter
Abschließend: Das Bundesheer verfügt mit ELDRO seit einigen Jahren auch über ein gut aufgestelltes Drohnendetektions- und Abwehrelement. Inwiefern fließen Erfahrungen von dort in die aktuellen Beschaffungen ein?
Die dort gemachten Erfahrungen sind für uns ganz entscheidend, wir tauschen uns daher regelmäßig aus. Das Letzte, was wir wollen, sind Systeme, die sich einfach abfangen oder lahmlegen lassen. Daher werden wir die bei den aktuellen Beschaffungen für uns infrage kommenden Systeme auch gemeinsam analysieren und testen.