Ab Mitte Mai nehmen zwei Soldaten des Bundesheeres in Fort Benning an der Ranger-Ausbildung der US-Armee teil. Wir haben sie bei ihrer Vorbereitung in der Khevenhüller-Kaserne in Klagenfurt besucht.
Extreme körperliche Belastungen in Kombination mit Schlaf- und Nahrungsentzug: Die Ausbildung an der „US Army Ranger School” in Fort Benning, Georgia, gilt als eine der schwierigsten und herausforderndsten der Welt. Die Teilnehmer müssen zwei Monate lang kilometerlange Gewaltmärsche mit schwerem Gepäck absolvieren, in eisigem Wasser schwimmen, durch Schlamm und Sumpfgebiete robben, im Team herausfordernde Hindernisse überwinden und ihre Fähigkeiten immer wieder auch in Gefechtsübungen und Stresssituationen unter Beweis stellen.
Ziel der Tortur ist es, diejenigen auszusortieren, die nicht für die Aufgaben eines Army Ranger geeignet sind – und ab Mitte Mai werden auch zwei Soldaten der 7. Jägerbrigade das anspruchsvolle Auswahlverfahren durchlaufen: Sie haben sich kürzlich im Rahmen eines Vorbereitungstrainings in Kärnten für die begehrten Ausbildungsplätze qualifiziert und sie wollen es David V. gleich machen. Der Unteroffizier des Jägerbataillons 25 hat bereits im Vorjahr den Ranger-Kurs erfolgreich absolviert.
9. Februar, 2.45 Uhr früh. Schauplatz Khevenhüller-Kaserne in Klagenfurt. Die Temperaturen liegen weit unter null Grad. Der Wind pfeift, weil er hier möglichst schnell wieder weg möchte, für sechs Soldaten der 7. Jägerbrigade ist trotzdem gerade Tagwache. Verschlafen reiben sie sich die Augen. Sie steigen aus ihren Betten. Kurz auf die Toilette. Dann ist die Abmarschbereitschaft hergestellt. Als Vorbereitung für die Aufnahme in Fort Benning steht ein anspruchsvoller, zehn Kilometer langer Orientierungsmarsch im Gelände auf dem Programm, der in längstens vier Stunden zu absolvieren ist und zur Hälfte in der Nacht stattfindet.
Die umfangreiche Aufnahmetestung steht noch vor der eigentlichen Ranger-Ausbildung. Rund die Hälfte der Bewerber wird aber schon diese Hürde nicht nehmen können. Um zu bestehen, müssen sie im Rahmen der sportlichen Testung auch mindestens 49 Liegestütze und 59 Sit-ups in jeweils zwei Minuten schaffen. Auf dem Programm steht außerdem ein Acht-Kilometer-Lauf (fünf Meilen) in 40 Minuten, der mit sechs Klimmzügen abschließt, und eben auch ein Orientierungsmarsch.
Klingt schaffbar? Für gut Trainierte in jedem Fall. Allerdings: Die Angaben verstehen sich als absolutes Minimum – erwartet werden vielmehr 80 Liegestütze und Sit-ups, eine Zeit unter 35 Minuten für den Lauf sowie zwölf bis fünfzehn Klimmzüge. „Wer die Voraussetzungen nur knapp erfüllt, wird mit Fortdauer der Ausbildung Probleme bekommen und dafür nicht genügend Reserven haben”, erklärt Doktor Wolfgang Rausch den Unterschied zwischen Limits und Anspruchsdenken. Der Sportwissenschaftler des Heeres-Sportzentrums ist Teil des Teams, das sich um die Vorbereitung der österreichischen Army-Ranger-Teilnehmer kümmert.
„Wer die Voraussetzungen nur knapp erfüllt, wird mit Fortdauer der Ausbildung Probleme bekommen und dafür nicht genügend Reserven haben.“
Sportmediziner Wolfgang Rausch
Der Startschuss dafür erfolgte bereits vor Weihnachten des vergangenen Jahres. Damals nahmen von ursprünglich 25 Interessenten 15 an einer ersten Sichtung teil. In der zweiten Jänner-Woche begann dann mit intensiven Tests und Trainings die eigentliche Vorbereitung. Seitdem hat sich das Teilnehmerfeld sukzessive verkleinert. Erst gestern musste wieder ein Soldat aufgeben. „Wir gestalten das Training möglichst anspruchsvoll, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass unsere Soldaten den Aufnahmetest und dann auch die Ausbildung in den USA erfolgreich bewältigen können”, so Rausch. Der Rangers-Kurs selbst unterteilt sich in drei Phasen: Vermittelt werden zugleich modernste Gefechtstechnik und Taktik der leichten Infanterie sowie die Anwendung dieser Techniken in alpinen Zonen, im urbanen Gelände und in Küstenbereichen.
Das verbliebene Sextett erfährt erst am Ende unseres Besuchs, wer eines der beiden Tickets in die USA bekommt. Großes Konkurrenzdenken herrscht trotzdem nicht. „Nein, ganz im Gegenteil”, sagt Wachtmeister K*. Er versieht normalerweise beim Versorgungszug der Stabskompanie des Aufklärungs- und Artilleriebataillons 7 Dienst, hat von der Ausbildungsmöglichkeit schon vor einem Jahr gehört und sich nun beworben. „Wir sind in den vergangenen Wochen als Team zusammengewachsen”, erzählt er. „Es geht zwar für jeden von uns um eine einmalige Chance, trotzdem unterstützen wir einander.”
Anderen helfen, Ziele nicht alleine, sondern gemeinsam erreichen. Das zähle dann auch in Fort Benning, sagt Ausbildungsleiter Offiziersstellvertreter Sch. „Egoisten, die nur auf sich selbst und den eigenen Erfolg schauen, haben es in jeder Armee der Welt schwer – beim Ranger-Kurs haben sie aber überhaupt keine Chance. Die Ausbildner achten dort sehr genau auf das Verhalten in der Gruppe, wie sich jemand einbringt und wie die Gruppe davon profitiert oder darunter leidet.” Um den Kurs zu bestehen, müssen die Teilnehmer körperlich und geistig voll fit sein, so Sch. Sie müssen aber auch Leidens- und Durchhaltefähigkeiten sowie Belastbarkeit beweisen, das Wohl des Teams über das eigene stellen und über Soft Skills wie Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Disziplin und Kommunikationsfähigkeit verfügen. Die Waffengattung sei dabei Nebensache. „Wir haben Jäger ebenso wie Artilleristen dabei, was zählt, sind einzig die Qualifikationen.”
„Egoisten, die nur auf sich selbst und den eigenen Erfolg schauen, haben es in jeder Armee der Welt schwer – beim Ranger-Kurs haben sie aber überhaupt keine Chance.“
Ausbildungsleiter Offiziersstellvertreter Sch.
Zurück in die Khevenhüller-Kaserne, wo die Teilnehmer den Orientierungsmarsch mittlerweile hinter sich gebracht haben und nun die beiden Tickets in die USA vergeben werden. Brigadekommandant Horst Hofer (siehe Interview) betritt den Raum. „Gratuliere”, sagt er nach einigen Sekunden Pause. „Gut gemacht”. Der Brigadier blickt nacheinander zwei Soldaten ins Gesicht. „Sie sind dabei. Sie haben eines der Fixtickets.” Danach nominiert er drei weitere Teilnehmer. Sie werden als Ersatzmänner fungieren, sollte einer ihrer Kameraden erkranken, sich kurzfristig verletzen oder ausfallen.
Wachtmeister K. lächelt. Er ist einer der beiden Fixstarter. Für ihn geht es bald schon in die USA. Wachtmeister H. hingegen hat es nicht geschafft. Der 38-jährige Geschützführer kommandiert beim Aufklärungs- und Artilleriebataillon 7 eine Panzerhaubitze M-109 A5Ö. Er ist einer der drei „Nachrücker”, er könnte also möglicherweise kurzfristig doch noch zum Zug kommen. Und wenn nicht, will er in jedem Fall weiter auf seine Chance hinarbeiten, versuchen, sich nächstes Jahr für einen der Fixplätze zu qualifizieren. „Ich habe Blut geleckt, will mich weiter verbessern”, sagt er. Er habe aber auch jetzt schon viel gelernt. „Das Training hier ist toll aufgebaut, für mich eine perfekte Führungsfortbildung, die ich sicher auch in meinem militärischen Alltag gut einsetzen kann.”
Offiziersstellvertreter Sch. ist zufrieden. Er hat die Ausbildung so geplant und angelegt, dass die Brigade davon in jedem Fall profitiert. Gelingt es Teilnehmern die Ranger-Ausbildung in den USA zu durchlaufen, ist das Primärziel erreicht. „Darüber hinaus wollen wir aber schon mit unserem Training Verbesserungen in der Brigade anstoßen – wie die Rückmeldungen zeigen, ist uns das voll und ganz gelungen.”
*Die Namen der Ausbilder und Aspiranten sind der Redaktion bekannt, wurden aber aus Sicherheitsgründen nicht genannt.