Dass schon seit einiger Zeit intensiv an Drohnen gearbeitet wird, die dank „maschinellem Sehen” nicht mehr manuell gesteuert werden müssen, hat Militär Aktuell bereits berichtet. Nun treiben ukrainische Hersteller laut einem Exklusivbericht des renommierten Wall Street Journal (WSJ) die Entwicklung weiter voran: Sie steigern die Fertigung von mit KI-Modulen ausgestatteten Angriffsdrohnen auf industriellen Maßstab.
Ukraine’s drone suppliers are ramping up production of computer-guided drones that are cheap and can’t be electronically jammed https://t.co/639ENAPCt0
— The Wall Street Journal (@WSJ) November 16, 2024
Der Clou dabei: Cryptocodes sollen es dem Gegner in Zukunft praktisch unmöglich machen, an die wertvolle Software der Drohnen zu gelangen. Sollten Russen Drohnen in die Hände bekommen, werden sie zwar nichts unversucht lassen, um deren Geheimnisse zu entschlüsseln. Leicht dürfte ihnen das aber nicht fallen. Die Ukrainer sind sich jedenfalls sicher, dass es für die Russen mittlerweile weit ressourcenschonender ist, ihre eigenen Codes zu entwickeln, als in die der ukrainischen KI-Drohnen einzubrechen.
Automatisierte Drohnen in Massenproduktion
Unter dem Dach von Leuten wie Mychajlo Fedorow, Minister für digitale Transformation der Ukraine und Maria Berlinska, Mitbegründerin der Stiftung Dignitas und Leiterin des Projekts Victory Drones zur technologischen Aufwertung der Sicherheits- und Verteidigungskräfte der Ukraine, sowie Herstellern wie „Wild Hornets” oder „Vyriy Drone” hat sich die Ukraine zu einer Art globalem Kompetenzzentrum für Drohnen und den Drohnenkrieg entwickelt.
Das Ziel: In Zukunft sollen weniger Menschen, allerdings mehr Roboter den Kampf gegen die riesige russische Armee führen.
WSJ berichtet, dass ukrainische Drohnenhersteller die Produktion kostengünstiger, mit KI-Modulen gesteuerten Angriffsdrohnen, zuletzt rasch steigern konnten.
Schlüssel dafür sind kleine Kompaktcomputer wie Auterions Skynode S-Modul. Kiew hat eine unbekannte Anzahl dieser Miniatur-Computer bestellt, die Rede ist von „zehntausenden”. Bereits Anfang nächsten Jahres sollen sie in Massen zum Einsatz kommen. Auterion hat dafür ein Referenzdesign erstellt, um ukrainischen Entwicklern Anleitung zu geben, wie das KI-Modul in eine volldigitale Drohne integriert werden kann. Der Name der Referenz-KI-Drohne: Dragon 10.
Der Skynode-S Computer bietet Schwarmkontrolle, völlig autonomen Flugsteuerung und Hindernisvermeidung. Der Bediener wählt das Ziel aus, das Modul übernimmt anschließend die automatische Führung der Drohne. Die Kleinserie, mit der bereits seit einiger Zeit eine Fronterprobung durchgeführt wird, hat offenbar den gewünschten Reifegrad erreicht. Die Trefferquote soll bei bis zu 90 Prozent liegen.
Während die Hardware vom US-Schweizer Unternehmen Auterion stammt, dürften wesentliche Anteile der Software von ukrainischen Spezialisten erstellt worden sein. Die Grundlage dafür lieferten die unzähligen FPV-Videos der vergangenen zwei Kriegsjahre. Mehr als genug Material um Künstliche Intelligenz (KI) damit zu schulen und zu perfektionieren.
Die FPV-Drohne mit automatischer Steuerung lässt sich durch Störung der Bildübertragung übrigens nicht vom Ziel abbringen.
Deutschland liefert KI-Killerdrohnen
Julian Röpcke, Leitender Redakteur Sicherheitspolitik und Konflikte der Bild-Zeitung und ständig top-informiert über die Entwicklungen in der Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg), legt mit einem Exklusivbericht in der Bild nach. Darin gibt Röpcke Einblicke in Deutschlands neue „Superwaffe” für die Ukraine – die „KI-ller-Drohnen gegen Putin”. Demnach sollen vorerst 4.000 Stück der vom deutsche KI-Unternehmen Helsing stammenden Angriffsdrohnen an die Ukraine geliefert werden.
Die Drohne, die optisch an die berüchtigte russische Lancet erinnert, (ihrerseits Lizenzkopie eines israelischen Entwurfes) wird als „Mini-Taurus” bezeichnet. Sie fliegt ohne Funkverbindung und soll eine hohe Trefferquote erreichen.
#Exklusiv
Deutschland liefert der Ukraine 4.000 KI-gesteuerte Strike-Drohnen.
Ihren Spitznamen „Mini-Taurus“ verdienen sich die Waffensysteme durch ihr störfestes Navigationssystem, das ganz ähnlich wie das des Taurus funktioniert (kein Pilot, kein GPS).https://t.co/0WbSF9EJ7x pic.twitter.com/CjLD23rlxp— Julian Röpcke🇺🇦 (@JulianRoepcke) November 18, 2024
Die Drohne erkennt nicht nur ihr Ziel völlig autonom, sie navigiert ebenso autonom auf Basis eines optischen Geo-Referenzsystems. Sie ist damit auch unabhängig von Satelliten-Navigations-Signalen (GNSS) welche ebenfalls gestört werden können. Die Drohnen zielen auf militärische Hochwertziele wie Gefechtsstände oder logistische Einrichtungen. Die Reichweite ist unbekannt, das Grundkonzept und die Ziele, die man treffen möchte, lässt aber auf mehrere zehn Kilometer schließen.
KI-Wettlauf gegen Zeit und Russland
Dass sich die Lage an der Front für die Ukraine zuletzt wenig erfreulich entwickelt, wurde von Experten wie Oberst Markus Reisner vielfach wiederholt. Auf allen Ebenen sieht er die Situation der Ukraine ernst und kritisch. Und wie der designierte US-Präsident Donald Trump, den in sein viertes Jahr gehenden traumatischen Konflikt ab 2025 handhaben wird, weiß im Grunde niemand, möglicherweise nicht mal er selbst. Ob die markigen Sprüche aus dem Wahlkampf eine Chance haben „den ersten Feindkontakt” zu überleben, wird die Zeit zeigen.
Die vermutlich einzige Chance der Ukraine, eine im „Worst Case” wegbrechende US-Unterstützung zumindest teilweise zu kompensieren sind kleine kostengünstige Computer in hoch entwickelten, kompakten Systemen.
Die Ukraine setzt dabei nicht alles auf eine Karte. Wie beim Drohnenkrieg allgemein beobachtbar, ist eine Vielzahl an Unternehmen, viele davon ukrainische und vor allem viele kleine Start-ups, an dieser vielspurigen Entwicklung beteiligt. Praktisch alle davon haben ähnliche Autopilotsysteme aus dem Labor an die Front gebracht und am Schlachtfeld getestet. Und das in einer für den Krieg typischen „wahnsinnigen Geschwindigkeit”.
Die Lenkwaffe an sich ist nicht neu, es gibt aber fundamentale Unterschiede zu den etablierten Rüstungsriesen. Statt sechsstelligen Stückpreisen und jahrelangen Lieferzeiten, liefern Unternehmen wie Donaustahl (-> Maus-Drohnen für die Ukraine) diese gänzlich neue Generation von „Lenkwaffen” um ein paar hundert Euro binnen einiger Wochen. Auch die Ghost-X-Drohne von Anduril Industries ist in der Ukraine im Einsatz.
Diese Entwicklung ist auch eine der größten Chancen der Ukraine, die Unterstützung aus dem Westen nicht zu verlieren. Denn alle Länder arbeiten an diesen Technologien, definitiv auch Russland und China. Und so makaber es klingt, der Erkenntnisgewinn des Militärs und der Rüstungsindustrie im Westen aus dem Ukraine-Krieg ist hoch. De facto ist die Erprobung von Waffensystemen, egal ob Fliegerabwehrsystem oder Kleindrohne, auf dem Schlachtfeld mit Schießübungen oder im Labor nicht zu ersetzen.
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