Es ist mehr als offensichtlich, dass sich der Mitte der 2010er-Jahre vom russischen Verteidigungsministerium angestoßene Prozess, „Bodenkampfroboter-Komplexe” (im Westen Unmanned Ground Vehicles, kurz UGV, genannt) in die Truppe zu integrieren, totgelaufen hat. Nun nimmt Russland allerdings erneut einen Anlauf zur Etablierung der unbemannten Bodenfahrzeuge.

Den ursprünglichen Plänen zufolge hätte der Anteil dieser Fahrzeuge bis 2025 rund 30 Prozent betragen sollen. Sichtbar ist davon seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) aber nichts.

Spähroboter Uran-9 – ©RIA
Bei Uran-9 handelt es sich um einen unbemannten Spähpanzer des russischen Rüstungskonzerns Rostec.

Heute weiß man, dass zum Beispiel die Dokumentation für das waffenstrotzende Robotersystem Uran-9 nie in Angriff genommen wurde. Es gingen nie Unterlagen zur Genehmigung an die zuständige Kommission. Somit erfolgte auch keine Annahme des Komplexes für den Dienst und auch keine Beschaffung für die russische Armee. Ob das Fahrzeug je über den Status beweglicher Dummys hinaus gekommen ist, ist unbekannt.

Schein und sein

Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Dem Kampfpanzer T-14 Armata und dem Kampfflugzeug S-57 (NATO: Felon) ist allerdings Ähnliches widerfahren. Es gibt von den Plattformen kaum mehr als wenige Erprobungsgeräte, die auf Messen, in kurzen Videoclips bei Manövern oder allenfalls bei Präsentationen wie bei der alljährlichen Parade am Roten Platz zu sehen sind.

Ein Grund dafür könnte sein, dass all diese Entwicklungen maßgeblich von westlichen Technologien getragen waren. Das gilt insbesondere für die elektronischen Komponenten, zu denen Russland nun, mit Ausnahme von Grauimporten, keinen Zugang mehr hat. Jedenfalls zu wenig für eine Produktion von Systemen in nennenswerten Stückzahlen.

So ist denn auch die Enttäuschung in russischen Fachforen groß, dass von den angekündigten UGV-Plattformen Uran-9, Nerechta und Soratnik in der Ukraine so überhaupt nichts zu sehen ist.

Soratnik-Panzer – ©Archiv
Der von Kalaschnikow entwickete Soratnikhätte Ziele automatisiert angreifen sollen, zu einer Serienfertigung kam es bislang nicht.Soratnik-Panzer – ©Archiv

Neuentwicklungen ohne Westkomponenten

Allerdings scheint es aktuell unter Sanktionsbedingungen einen neuen Anlauf in diese Richtung zu geben. Nennenswert ist dabei vor allem der Einsatz der Bodendrohne Kurier (НРТК „Курьер”) im März durch die 74. motorisierte Garde-Infanteriebrigade in Berdychi, knapp zehn Kilometer nordwestlich von Awdijiwka.

©Militär Aktuell

Dieser Einsatz ist von beiden Seiten zumindest so weit dokumentiert, dass er gemeinhin als erstes Zusammentreffen von unbemannten Bodenfahrzeugen mit unbemannten Luftfahrzeugen gilt (das gegenseitige Zusammenstoßen von Mavic-Drohnen zählt für beide Seiten nicht als solches!). Und beide Seiten zeigten sich zumindest offiziell zufrieden, trotz der offensichtlichen Einschränkungen der Fahrzeuge und dem Ausgang der Auseinandersetzung.

Kurier-Einsatz in der Nähe von Awdijiwka – ©Archiv
Kurier-Einsatz in der Nähe von Awdijiwka.

Nach russischen Angaben kamen acht Fahrzeuge der Type Kurier zum Einsatz. Bewaffnet waren diese mit Maschinengranatwerfern AGS-17 und AGS-30 sowie Maschinengewehren NSVT 12.7 und PKT.

Der russischen und ukrainischen Beschreibung des Einsatzes nach, wurden die Roboter als eine Art Feuerschutz oder Ablenkungsmanöver eingesetzt und ermöglichten es russischen Soldaten in die ukrainischen Stellungen einzudringen.

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Ferngesteuerte Fahrzeuge ohne KI

Das Feuer wird allgemein als nicht zielgerichtet beschrieben und insbesondere die Maschinengranatwerfer dürften nach Schießtabellen gerichtet werden. Die Videoaufnahmen deuten darauf hin, dass sich die Fahrzeuge drehen müssen und ebenen Boden benötigen, da die Waffen offenbar fix montiert waren.

Ein Video einer ukrainischen Drohne zeigt die Zerstörung von zwei der Fahrzeuge durch ukrainische FPV-Drohnen.

Bevor nun der Einsatz groß bewertet wird, sei gesagt: Auch der erste Einsatz von Panzern im Gefecht, sogar im gesamten Ersten Weltkrieg, war nicht von entscheidender Bedeutung. Wahrnehmbar ist jedenfalls, dass weiterhin Fahrzeuge dieser Type an die Front gebracht werden und ein aktuelles Foto aus der Produktion lässt zumindest auf eine Kleinserienfertigung schließen.

Blick in die Kurier-Fertigung – ©Archiv
Blick in die Kurier-Fertigung: Große Stückzahlen sind hier eher nicht zu erwarten.

Die Entwicklungsschienen laufen in den Bahnen „Rad” sowie „Kette”. Die Nutzbarkeit teilt sich in Geräte, die als Kamikaze-Fahrzeug spezifiziert werden, sowie auch Geräte für Einzweck- oder Mehrzweckanwendungen. Bemerksenswert ist, dass auch diese Entwicklung in Russland, wie schon bei der FPV-Drohne, primär nicht von den großen Rüstungskonzernen getragen wird, sondern bisher eher private Initiativen die Oberhand haben. Detailfotos aus der Fertigung und kommentierter Bedarf in den Foren lassen auch den Einsatz zivil erhältlicher, primär chinesischer Komponenten, wie zum Beispiel Steuerservos oder Kameras, erkennen.

Die Jägerkompanie des Bundesheeres

 

Bislang noch nicht erkennbar ist der Einsatz sogenannter „Repeater” für UGV. Diese bilden im Bereich der fliegenden unbemannten Systeme mittlerweile eine eigene Kategorie. Sie sind hauptveranwortlich dafür, dass fliegende Drohnen in elektronisch unfreundlichen Umgebungen trotzdem auf Entfernungen deutlich mehr als zehn Kilometer zum Einsatz kommen können. Hingegen beträgt die Reichweite der Funkverbindung für die Steuerung dieser Fahrzeuge in der Regel unter 1.000 Meter, oder allerhöchstens 2.000 Meter.

Auf weiter entwickelte Technik, wie zum Beispiel automatisierte Routen, stabilisierte Waffen, Zielfolgesysteme oder gar automatische Zielerfassung bis hin zu AI/KI kann aus den bisher vorliegenden Bildern und Videos nicht geschlossen werden.

Kurier-Bodendrohne – ©Archiv
Auch so lässt sich die Kurier-Bodendrohne nutzen.

Boden-Robotertechnik-Komplex (HTPK) Kurier (Kur’yer)

Typ: Mehrzweck-UGV auf Kette zum Transport von Fracht oder Verwundeten, Montage von Waffen oder zum Legen von Minen.
Gewicht: rund 250 Kilogramm
Maximale Geschwindigkeit: 35 km/h
Betriebszeit: bis zu 72 Stunden
Maximale Reichweite: bis zu 10 Kilometer
Bewaffnungsvarianten: Maschinengranatwerfer AGS-17, AGS-30 (150 Granaten), schweres Maschinengewehr NSVT 12,7 Millimeter Kord (250 Schuss), Maschinengewehr PKT 7,62 Millimeter (900 Schuss), Raketengranat-Werfer RPG-7 (4 Stück) sowie Minen TM-62 oder TM-83 (bis zu 8 Stück).

Weitere aktuelle russische UGV Projekte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

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„Avtobot-Projekt”
Erstmalig öffentlich im Jänner 2023 zu sehen. Nach einer Betrugsanzeige im Juli 2023 im russisch besetzten Teil des Oblast Donezk ist das Projekt in Folge nicht mehr aufgetreten.

„SEM-25”
Typ: 4-Rad Kamikaze-UGV. In Entwicklung/Erprobung.

„SEM-50”
Typ: 4-Rad Mehrzweck-UGV in Entwicklung.

„SEM-350”
Typ: Mehrzweck-UGV auf Kette, Prototyp.

„Veteran”
Typ: Mehrzweck-UGV auf Kette, zweite Generation des „SEM-350”, in Entwicklung/Erprobung.

„Valli/Wall E”
Typ: UGV auf Kette als Träger elektronischer Kampfmittel, in Entwicklung/Erprobung.

„Two Majors”
Typ: Mehrzweck-UGV auf Kette, Erprobung/Feldtest.

„Depesha”
Typ: 4-Rad Mehrzweck-UGV, in Entwicklung/Erprobung im Rostec-Konzern.

„Impuls-M”
Typ: Mehrzweck-UGV auf Kette für Nutzalsten bis 1.000 Kilogramm und Anhängelasten bis 1.500 Kilogramm, in Entwicklung im Rostec-Konzern

„Scorpion-M”
Typ: 4-Rad Kamikaze-UGV, Einsatz im Mai 2024 bei Krasnohoriwka, Oblast Donezk.

Quelle©Archiv, RIA