Die Ukraine hat sich bei ihrem Abwehrkampf gegen Russland (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) im laufenden Jahr auch dank Künstlicher Intelligenz (KI) einen Drohnen-Vorteil am Gefechtsfeld erarbeitet. Russischen Quellen zufolge liege dieser bei mindestens 6:1, vermutlich aber noch schlechter zuungusten Russlands.

Frequenzbereich – ©Archiv
„SIGINT” („Signals Intelligence”), die Informationsgewinnung durch die Erfassung und Analyse elektronischen Signale, hat im Drohnenkrieg hohe Bedeutung.

Zuletzt gab es allerdings einen Rückschlag für die Ukraine: Russland senkte auf sehr breiter Front den für die FPV-Steuersignale (FPV = First Person View-Drohnen) genutzten Frequenzbereich auf 480 bis 560 MHz. Seitdem unterlaufen die FPV einen markanten Anteil der elektronischen Gegenmaßnahmen auf ukrainischer Seite, diese waren bislang auf höhere Frequenzen eingestellt. Auf Dauer sind diese Vorteile natürlich nicht. Allenfalls sechs bis acht Wochen, manchmal auch nur Tage, beträgt der Zeitraum, in dem sich eine der beiden Kriegsparteien auf diese Art begrenzt Vorteile verschaffen kann.

Nicht mehr unbedingt auf die Übertragbarkeit von Video- und Steuersignalen angewiesen sind Drohnen, die Objekte, Fahrzeuge und Personen selbst erkennen und sich auch selbst steuern können.

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Russland und die Ukraine, aber auch Unternehmen in vielen anderen Ländern arbeiten zweifellos bereits intensiv an der Entwicklung solcher Systeme. Der Vorteil den die Ukraine dabei genießt, ist die Verfügbarkeit moderner, westlicher Mikroelektronik.

Russland kommt hingegen aufgrund des Sanktionsregimes nur an Grauimporte zivil erhältlicher Hardware, der Drang zu substituieren ist daher groß. China, in Sachen Unabhängigkeit bei Mikroelektronik deutlich weiter als Russland, hilft zwar, allerdings muss Russland bezahlen, was es aus China oder auch aus dem Iran bezieht. Kostenlose Militärhilfe, wie sie der Ukraine zur Verfügung steht, erhält Russland nicht.

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Teilautonome Aufklärungsdrohnen

Bisher lassen sich die KI-Drohnen-Systeme grob in zwei Bereiche einteilen: Da wären zum einen Aufklärungs-Systeme, die „Militärziele” ohne menschliches Zutun unabhängig lokalisieren und identifizieren. Die Ukraine verfügt dazu angeblich über ein System namens Saker Scout, das selbstständig Aufklärungsinformationen weiterleitet. Die von der Drohne empfangenen Daten werden in das computergestützte Echtzeit-Situationsbewusstseins-System des ukrainischen Militärs mit dem Namen „Delta” eingespeist.

Über ein sehr ähnliches System verfügt Russland. Das System Quadrat aka „Area Systems” stammt ursprünglich aus einem Hochschulprojekt zur automatischen Kartierung und Vermessung von Bodeninfrastruktur und war dort zumindest offiziell auf den zivilen Markt ausgerichtet. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Aufnahmen von einem Testflug über das russische Test- und Trainingsgelände in Kubinka zeigen, wie unterwegs eine große Anzahl von Objekten in Echtzeit verarbeitet und kategorisiert wird.

Objekterkennungssoftware im Test – ©Archiv
Test einer Objekterkennungssoftware am Testgelände in Kubinka

Zum zweiten Teil unseres Videozusammenschnitts (siehe oben) gibt es die Information, dass die Rechenoperationen zur Analyse des Videomaterials auf den Servern der russischen Hauptquartiere stattfinden. Das lässt den Rückschluss zu, dass die erforderliche Rechenleistung nicht in den Drohnen und auch nicht auf Ebene der Aufklärungsabteilungen verfügbar ist. Eine Echtzeit-Darstellung ist damit eher auszuschließen.

Teilautonome Angriffsdrohnen

Der zweite Bereich sind (teil)autonome Angriffsdrohnen. Diese erkennen entweder vollautonom ein Objekt und steuern dieses in Folge selbsttätig an. Oder es erfolgt teilautonom eine Zielzuweisung eines Bedieners und die Drohne übernimmt den Endanflug. Die Grenzen sind fließend und es gibt verständlicherweise von keiner Seite umfassende Informationen zu den Funktionen.

Zuletzt wurde bekannt, dass in der Ukraine bereits ein System namens Skynode S des US-Schweizer Unternehmens Auterion zur Verfügung steht. Der kleine All-in-One-Computer ermöglicht Drohnen „maschinelles Sehen” und macht sie unabhängig von GPS- und Funkfrequenzen. Laut Auterion bietet das System Schwarmkontrolle, vollautonomes Fliegen und Störfestigkeit, liefert beispiellose Genauigkeit und steigert die Erfolgsquote von 20 Prozent auf mehr als 90 Prozent.

Skynode S – @Auterion
Skynode S: Der riesige Kühlkörper der winzigen Platine lässt Rückschlüsse auf die erforderliche Rechenleistung zu.

Ob die Videos, die vom ukrainischen Drohnen-Hersteller Air 3F vorliegen, damit im Zusammenhang stehen, ist unbekannt. Zu erkennen ist auf den Bildern jedenfalls ein System, dass ein Ziel – in dem Fall ein unbemanntes Bodenfahrzeug (UGV) – erfasst und eine Drohne, die darauf zusteuert.

Ptashka Drones hat kürzlich ein Video veröffentlicht, dass dem obigen Beispiel zum Verwechseln ähnlich sieht und bekannte russische Äquivalente heißen Ovod-S und Rusak-S.

Die Ovod-Drohnen (Овод) stammen von einem russischen Hersteller aus Tula. In offen zugänglichen russischen Tests haben die FPV-Drohnen überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Verarbeitet wird chinesische Hardware. Das vorliegende Video zeigt aber auch den großen Rechner auf der Drohne, der auch einen entsprechenden Energieverbrauch nach sich zieht. Der entstehende Nachteil an Nutzlast und Reichweite – als Folge der Sanktionen – ist augenscheinlich.

©Militär Aktuell

Auch die Rusak-S ist eine relativ große FPV-Drohne. Es gibt eine ganze Reihe von Video-Aufnahmen von den Testflügen der Drohne.

Abschließend muss gesagt werden, dass es keine eindeutigen und öffentlich zugänglichen Beweise gibt, dass irgendeines der Systeme sich real im Einsatz befindet. Zudem ist die Fälschung solcher Videos zu Propagandazwecken – für welche Zielgruppe auch immer – ein leichtes. Ob es sich hier im Einzelnen um reale Entwicklungen handelt oder um Fake, kann von uns nicht abschließend beurteilt werden. Bitte das bei Betrachtung der Videos immer im Hinterkopf behalten.

Quelle@Archiv