Die Hoffnungen, dass der Irak nach dem Abzug der US-Soldaten stabil bleibt und dass Syriens Präsident Baschar al-Assad durch eine wackelige Allianz oppositioneller Kräfte gestürzt werden kann, haben sich in Luft aufgelöst. Das halbherzige Engagement Europas, das verzweifelte Bemühen US-Präsident Obamas, sich aus dem Nahen und Mittleren Osten zurückzuziehen und das russische Festhalten am syrischen Präsidenten haben das Entstehen und den raschen Aufwuchs des Islamischen Staats gefördert.
Viele „Gönner” aus dem arabischen Raum haben über Jahre hinweg die sunnitischen Extremisten mit Geld, Waffen und Kämpfern unterstützt. Nunmehr müssen sie erkennen, dass sie über kurz oder lang selber in das Visier der Extremisten geraten könnten, weil sie in deren Augen nicht dem wahren Glauben folgen. Die USA wollen jetzt mit einer neu formierten Allianz, die sich vor allem auf Staaten der Region stützt, den Kampf gegen den IS aufnehmen – Global War on Terror Teil 2 sozusagen. Um erfolgreich zu sein, werden allerdings viele über den eigenen Schatten springen müssen. Dazu gehört eine pragmatische Einbeziehung des Assad-Regimes in diesen Kampf gegen den IS, eine politische Abstimmung mit Teheran und eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit den ursprünglich IS-freundlichen Katar und Saudi Arabien, dem NATO-Partner Türkei sowie den politischen Kräften im Irak inklusive Kurden.
Je länger sich der IS behaupten kann, desto größer wird die Gefahr der Ausbreitung, der weltweiten Radikalisierung von Sympathisanten, von Terroranschlägen und einer dauerhaften Destabilisierung weiterer Staaten wie Libanon und Jordanien. Waffenlieferungen und Luftschläge werden nicht reichen, um die islamistischen Fanatiker zurückzudrängen oder gar zu vernichten. Über kurz oder lang werden daher auch wieder (westliche) Bodentruppen zur Diskussion stehen. Der gemeinsame Feind IS könnte aber auch zu einer starken internationalen Koalition über bisherige Schranken hinweg führen. Aus westlicher Perspektive wäre es dabei dringend erforderlich, eine zukunftstaugliche Gesamtstrategie gegenüber der gesamten Region und den politischen Akteuren zu entwickeln.
Lesen Sie dazu auch die Analyse „Eine neue Bedrohung namens Islamischer Staat” von IFK-Experte Lukas Wank. Hier geht es außerdem zu weiteren Beiträgen von IFK-Leiter Brigadier Walter Feichtinger.