Kleinst- und Minidrohnen spielen auf dem Gefechtsfeld der Zukunft eine wichtige Rolle. Momentan haben Streitkräfte aber nur wenige Möglichkeiten, sie wirkungsvoll zu bekämpfen – das Bundesheer setzt dabei auf sein Element ELDRO.
Drohnen sind so etwas wie die Luftwaffe des kleinen Mannes. Sie sind relativ billig, für jedermann im Handel erhältlich und in ihrer Wirkung wahre Alleskönner: Die Kleinst- und Mini-Fluggeräte können Flugzeuge zum Absturz bringen und den Flugbetrieb ganzer Airports lahmlegen. Sie können aber auch Truppen aufklären und bekämpfen, Konvois verfolgen, Sprengmittel abwerfen, kritische Infrastrukturen gefährden oder im Kamikaze-Stil direkt in feindliche Stellungen steuern. Das Problem dabei: Aufgrund ihrer Größe und ihrer geringen Flughöhe sind die Systeme für Verteidiger nur schwer zu orten und dadurch erst spät oder gar nicht zu bekämpfen. Zudem ist ihre Beschaffung auch für kleine Rebellengruppen leicht finanzierbar, ihr Einsatz erfordert nur wenig Know-how und sie machen Angriffe weit über den eigentlichen Wirkungsbereich hinaus möglich.
Streitkräfte drohen damit zumindest in einem Teilbereich ihre Lufthoheit einzubüßen, wie Frank Sauer, Dozent an der Universität der Bundeswehr in München, kürzlich in einem Gespräch mit dem NDR erklärte. Im Nahen Osten gelinge es Kämpfern des Islamischen Staats immer wieder, mit simplen Baumarkt-Helikoptern Luftangriffe durchzuführen, indem sie kleine Granaten aus der Luft auf Stellungen und Fahrzeuge werfen. Auch in Afghanistan, im syrischen Bürgerkrieg, zuletzt im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan und bei vielen anderen Gemengelagen sorgen Drohnen für veränderte Lagebilder und neue Bedrohungsszenarien. Schiitische Huthi-Rebellen beispielsweise führten mit Drohnen schon mehrmals Attacken auf Flughäfen, Städte und sogar Ölfelder und Ölverarbeitungsanlagen in Saudi-Arabien durch und selbst westliche Gefängnisse, Atomkraftwerke und Flughäfen sind vor den kleinen Fluggeräten nicht sicher. Immer wieder gibt es auch hierzulande Versuche, Gefängnisinsassen mithilfe von Drohnen mit illegalen Geräten oder Substanzen aus der Luft zu versorgen und unmittelbar vor Weihnachten 2018 musste der Flughafen London Gatwick wegen Drohnenalarms seinen Betrieb einstellen und blieb für mehrere Tage lahmgelegt. Tausende Flüge fielen aus, Hunderttausende Passagiere waren betroffen, der wirtschaftliche Schaden wurde auf mehr als 50 Millionen Euro geschätzt.
Wie aber nun ein System bekämpfen, das unkonventionell einsetzbar sowie schwer zu orten ist und doch vergleichsweise große Schäden verursachen kann? Eine gute Frage, die weltweit unterschiedlich, aber meist noch wenig zufriedenstellend beantwortet wird und die auch manch skurrile Blüte treibt. So testeten vor mehreren Jahren die Behörden gleich mehrerer Länder den Einsatz von Greifvögeln zur Bekämpfung von Drohnen. Im Inventar von Streitkräften finden sich aber auch Kanonen mit Fangnetzen, längst wird auch an Hochenergie-Laser-Abwehrsystemen geforscht und das US-Verteidigungsministerium startete kürzlich mit dem israelischen Drohnenentwickler XTEND ein Pilotprogramm zur Etablierung des Abwehrsystems Skylord (Militär Aktuell berichtete) innerhalb von US-Spezialeinsatzkräften. Dabei handelt es sich um eine sogenannte C-UAS-Lösung (Anm.: Counter-Unmanned Aerial System), die selbst auf einem Drohnensystem basiert und feindliche Objekte zum Absturz bringt, indem ein an der eigenen Drohne hängendes Netz über das zu bekämpfende Fluggerät gelegt wird. Die deutsche Bundeswehr wiederum vertraut bei der Drohnenabwehr auf ihr Nächstbereich-Schutzsystem Mantis, das eigentlich Mörserangriffe auf Feldlager abwehren soll, aber mit seiner Schnellfeuerkanone auch die Kleinsthubschrauber ins Visier nehmen kann. Allerdings: Das System ist nicht mobil und aufgrund seiner Größe nur schwer verlegbar, zudem besitzt die Bundeswehr nur zwei derartige Komplettsysteme.
Einen anderen Weg geht man beim Bundesheer, wo bei Bedarf Mikro- und Minidrohnen mit Hilfe elektromagnetischer Wellen gestört und zur Landung gezwungen werden. Dazu wurde vor dem Hintergrund der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 neben dem an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule angesiedelten Projekt C-EAT (Countering Emergency Air Threats) das Drohnendetektions- und Abwehrelement ELDRO (kurz für Elektronische Kampfführung zur Drohnenabwehr) bei der Führungsunterstützungsschule auf die Beine gestellt. Notwendige Vorarbeiten wie die Evaluierung bestehender Drohnenabwehrsysteme und die Bildung eines Kernelements mit KIOP/KPE-Soldaten wurden bereits 2017 geleistet. Seit dem ersten Halbjahr 2018 wurde dann der Aufwuchs des Elements forciert und nach der notwendigen Test-, Trainings- und Ausbildungsphase provisorische Einsatzbereitschaft erreicht.
Kern von ELDRO ist das Detektions- und Abwehrsystem Aartos DDS des deutschen Messtechnikherstellers Aaronia. Während andere Jammer das Eindringen eines Flugobjekts in eine No-Fly-Zone verhindern, indem sie die Funkverbindung zwischen Sender und Empfänger unterbrechen und damit den gesamten Funkverkehr in der näheren Umgebung lahmlegen, agiert das Aartos DDS deutlich zielgerichteter, wie ELDRO-Kommandant Oberleutnant Stephan Kraschansky im Gespräch mit Militär Aktuell erklärt. „Das System überwacht mithilfe seiner 3D-Antenne das gesamte in Betracht kommende Funkspektrum im Umkreis mehrerer Kilometer. Entdecken wir ein verdächtiges Signal, so können wir dieses mittels Kreuzpeilung detektieren und damit nicht nur den Standort der Drohne ausfindig machen und dieser folgen, sondern im Idealfall auch den Standort des Drohnenpiloten ermitteln.” Das ist allerdings deutlich komplizierter, als sich das anhört, schließlich kommt es dabei trotz bestimmter System-Automatismen und einer dahinter liegenden Datenbank mit den Signaturen und Mustern bekannter Drohnentypen vor allem auf das Know-how und das Können der Operatoren an, wie Kraschansky erklärt.
Bei der Abwehr bieten sich den Bundesheer-Kräften je nach Drohnentyp mehrere Möglichkeiten: Mit Störgewehren können manche Drohnen beispielsweise zielgerichtet vom Himmel geholt werden. Das Aartos DDS kann aber auch die Funkverbindung vom Controller zum unbemannten System elektronisch stören, wodurch der Pilot die Kontrolle über sein Fluggerät verliert. Günstige Modelle fallen dann einfach vom Himmel, teurere verfügen über eine „Home-Funktion” und kehren zum Navigator zurück. Wird gleichzeitig auch das GPS-Signal gestört, kann die Drohne nicht zurücknavigieren und verharrt bis zum Leerwerden des Akkus in der Luft. Im Anschluss leitet sie die sichere Landung ein. „Wenn es das Bedrohungsszenario erlaubt, dann können wir die Drohne aber auch nur beobachten und währenddessen Einsatzkräfte direkt zur Position des Drohnenpiloten dirigieren, um diesen dingfest zu machen”, sagt der ELDRO-Kommandant. „Die Entscheidung über die konkreten Maßnahmen ist von der Situation abhängig und muss vor Ort getroffen werden.”
Einsatzbereiche für ELDRO gibt es gleich mehrere: So kann die Einheit Teil des Objektschutzes und der Sicherung einer militärischen Einrichtung sein, es sind aber auch Einsätze im Rahmen einer Assistenzleistung nach Behördenanforderung denkbar – etwa zur Überwachung eines Staatsbesuchs oder von Großveranstaltungen. Dazu zählen auch Bundesheer-eigene Events wie die Leistungsschau am Nationalfeiertag oder die Airpower, wo das Element im vergangenen Jahr Teil eines interministeriellen Ortungsverbunds war, der vom Kommando der Streitkräfte geführt wurde.
Am Beginn jedes Einsatzes steht die Aufklärung, wie Kraschansky erklärt. Dabei gilt es etwaige Störsignale zu erfassen, zu dokumentieren und sich ein möglichst eindeutiges Bild des elektromagnetischen Spektrums zu verschaffen. „Im Notfall kann diese Phase auch entfallen und wir sind direkt nach dem Aufbau des Systems abwehrbereit.” Im Einsatzfall selbst zählt dann jede Sekunde. „Selbst moderne Drohnen sind nur über Distanzen von wenigen Kilometern steuerbar, bei Fluggeschwindigkeiten von bis zu 70 km/h bleibt da nicht viel Zeit für das Aufspüren und Bekämpfen. Besonders schwierig ist das laut dem Offizier in urbanen Räumen, wo Tausende Signale die Suche nach dem spezifischen Steuersignal einer Drohne erschweren und sich durch Gebäude immer wieder Funkschatten ergeben, die nicht oder nur schwer „einzusehen” sind. „Grundsätlich beschäftigt sich das System ELDRO nur mit der Abwehr von Einzeldrohnen. Unter bestimmten Umständen ist aber auch die Abwehr eines ,Drohnenschwarms’ möglich – nämlich dann, wenn dieser von einer sogenannten Masterdrohne geführt wird. Diese Masterdrohne ist für die ,Rückwärtsverbindung’ zum Piloten verantwortlich. Genau diese Verbindung versuchen wir aber gezielt zu stören, sodass es unerheblich ist, ob eine andere Drohne im Schwarm plötzlich die Masterdrohne wird. Wir unterbinden ja die gesamte Rückwärtsverbindung.”
Naturgemäß sieht man sich beim Bundesheer mit ELDRO für die aktuelle Bedrohungslage gut aufgestellt. Das Element, dessen Ausrüstung, Verfahren und Techniken noch immer in einem erweiterten Erprobungsstadium sind und laufend verbessert werden, ist als potenzieller Campschutz auch für die aktuelle EU-Battlegroup eingemeldet. „Wir sind europaweit eines der wenigen, wenn nicht das einzige militärische Element, das eine effektive elektronische Drohnenabwehr ohne Abstützung auf zivile Player umsetzen kann und seine Verfahren so weit erprobt hat, dass wir in kürzester Zeit einsatzbereit sind”, sagt Oberleutnant Kraschansky abschließend.