Bei einer Fahrt durch die nordmährische Stadt Šternberk, seit 2013 Sitz der Produktion des militärischen Spezialfahrzeugherstellers Excalibur Army, fiel Militär Aktuell kürzlich ein gleich am Zaun abgestelltes 8-Rad Selbstfahr-Artilleriegeschütz auf. An sich keine große Überraschung, ist doch der Standort seit 1951 als Sitz des früher staatlichen VOP-026-Panzerreparaturwerks bekannt. Erwähnenswert nun aber doch, weil das Geschütz nicht – wie sogleich vermutet – eines der eigentlich slowakischen und seit 2022 auch in die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) gelieferten Zuzanas war, sondern sich nach einigem Abgleich als die neue Version 155 Millimeter/L45 Dita entpuppte.
Die neue Version ist speziell durch die senkrecht-geraden – im Gegensatz zu den nach außen gekanteten – Turmseiten vom älteren slowakischen Modell von Konstrukta Defense unterscheidbar.
Zwar kommen für beide die Geschützrohre (Dita: Lauflänge 45 Kaliber, Zuzana-2: Lauflänge 52 Kaliber) immer noch aus der Fertigung der slowakischen Firma ZTS Special, das restliche Fahrzeug ist nun aber ein tschechisches Produkt (dazu weiter unten) auf Tatra-Fahrwerk, von Excalibur Army. Das Unternehmen ist „Kronjuwel” der Czechoslovak Group (CSG)-Holding des Waffenhändlers Michal Strnad Jr. und heute der größte militärische Hardwarelieferant des nördlichen Nachbarlandes, mit einem Umsatz von 1,73 Milliarden Euro in 2023.
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Technische Details
Die Neuauflage der selbstfahrenden Haubitze ging laut Hersteller mit der Fertigstellung eines funktionsfähigen Prototyps im Jänner 2021 in die letzte Entwicklungsphase. Sie hat eine Länge von 13,02 Meter, eine Breite von 3,08 Meter, eine Höhe von 3,12 Meter und ein Gewicht von bis zu 29 Tonnen. Es ist möglich, das Geschütz auf verschiedene Arten von Rad- oder Kettenfahrgestellen (letzteres bisher nur Theorie) zu montieren und dank automatischem Lade- und Schussmechanismus kann es gleichzeitig von nur einer zweiköpfigen Besatzung aus Fahrer und Kommandant bedient werden. Auf Kundenwunsch kann ein drittes Besatzungsmitglied untergebracht werden. Die Kabine hat ein Hochleistungs-Heiz- und Klimaanlagensystem sowie ein nukleares, biologisches und chemisches (ABC) Filtersystem mit Schutz gemäß NATO STANAG 4569 Level-1.
Die intern vorrätigen maximal 40 Stück 155 Millimeter Base Bleed (HE BB) Granaten können in einer maximalen Schussfolge von sechs pro Minute und anhaltend fünf pro Minute auf maximal 39 Kilometer mit Höhenwinkel von -3°/70° verschossen werden. Dabei unterstützt ein modernes On-Board-Control-System (OCS), welches das Subsysteme für Diagnose, GPS- beziehungsweise Trägheits-Navigation, automatische Geschützführung, autonome Berechnung von Schusslösungen sowie Munitionsmanagement umfasst. Sowohl das OCS als auch die automatische Ladevorrichtung werden über das M4-Bedienfeld gesteuert, ein digitales Gerät, das bei der Anzeige aller Diagnosedaten in Bezug auf den Zustand der Waffe und des Fahrgestells hilft. Das tragbare System ermöglicht die Steuerung des Turms außerhalb der Kabine.
Dita wird von einem Tatra T3C-928-90-Motor mit maximal 408 PS/300 kW angetrieben, das ergibt eine Fahrgeschwindigkeit von 90 km/h und eine Geländegeschwindigkeit von 25 km/h. Die maximale Reichweite des Fahrzeugs beträgt 600 Kilometer. Es rollt auf acht Reifen des Typs R20 14.00 mit zentralem Druckregelsystem (CTIS) und soll Steigungen von 30 Grad, Seitenneigungen von 15 Grad, vertikale Hindernisse von 50 Zentimeter, Gräben von zwei Meter und Wasserläufe mit maximal 1,2 Meter Tiefe bewältigen können.
Erster (echter) Kunde Aserbaidschan?
Wie Portale aus dem potenziellen Kundenland sowie aus Tschechien melden, möchte das Unternehmen in Šternberk 70 Einheiten dieser Dita Panzerhaubitzen nach Aserbaidschan liefern. Unklar ist jedoch, welches der beiden beteiligten Länder dabei der Generalauftragnehmer beziehungsweise der Vermittler sein wird. Zudem besteht gegenüber Baku (reichlich von Israel und der Türkei gerüstet) eigentlich ein Waffenembargo der OSZE. Die geplante Lieferung in das 2020 (-> Bergkarabach-Analyse: Die Drohnen-Plage) und 2022 über Armenien in Karabach siegreiche Kaukasusland wurde aber auch vom slowakischen Parlamentarier Juraj Krupa bestätigt. Panzerhaubitzen sind ja eines der Hauptprodukte der slowakischen Verteidigungsindustrie und Konstrukta Defense aus Dubnica nad Váhom meldete zuletzt Interesse an Zuzana-2 beziehungsweise einem leichteren Modell namens Eva (28 statt 34 Tonnen) aus Malaysia (Interesse an 18 Stück) und Brasilien (36 Stück).
Lieferungen an die Ukraine
Im Jahr 2018 unterzeichneten die slowakischen Streitkräfte einen Vertrag mit Konstrukta über die Lieferung von 25 Zuzana-2. Die ersten acht 155-Millimeter-Selbstfahrhaubitzen wurden im Juli 2021 geliefert, aber wahrscheinlich wurden dann 2022 von der slowakischen Vorgängerregierung mehrere Systeme an die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) übergeben, die ursprünglich für die slowakischen Streitkräfte gefertigt wurden. Die Ukraine selbst sollte aus einem Vertrag vom Juni 2022 bis Ende dieses Jahres acht Stück Zuzana-2000 erhalten. Aber wie der oberhalb erwähnte slowakische Oppositionsabgeordnete auf Dennikn.sk andeutete, soll die momentane slowakische Regierung von Robert Fico angeblich die Geschützläufe für die für die Ukraine bestimmten Selbstfahrlafetten auf die Dita-Systeme umleiten, die für Aserbaidschan gedacht sind. Er behauptete, dass das staatliche slowakische Unternehmen es heute vorziehe, Rohre für Aserbaidschan zu produzieren, anstatt diese Komponenten wie im laufenden Abkommen bestimmt für die Zuzana-2 zu liefern, die für die Ukraine bestimmt sind. Jenes hätten aber Dänemark, Deutschland und Norwegen im Oktober 2022 unterzeichnet und gemeinsam die Mittel in Höhe von 92 Millionen Euro für die Zuzana-2 für die Ukraine bereitgestellt. Ein zusätzlicher Auftrag, mit dem jener vorherige direkte Vertrag über acht Stück zwischen dem slowakischen Hersteller und der Ukraine aufgestockt wurde. Andererseits unterzeichnete Konštrukta Defence einen Vertrag mit der Ukraine über die gemeinsame Entwicklung neuer Versionen der Haubitze und deren Lieferung in die Ukraine.
In einer separaten Entwicklung wurde Ende Februar 2024 gemeldet, dass die Niederlande – nach einem Besuch unter der Leitung von Generalstabschef General Onno Eichelsheim in Šternberk – eine Vereinbarung mit der Tschechischen Republik über die Lieferung von neun Dita für die Ukraine unterzeichnet hätten. Möglicherweise ist das neulich zufällig am Werkszaun ausgemachte Fahrzeug – weil auf Tieflader – bereits eines davon.
Plagiatsvorwürfe gegenüber Excalibur Army
Dita wie Zuzana-2 gehören zu den derzeit besten Artilleriesystemen der Welt, stehen auf mehreren potenziellen Exportmärkten in Konkurrenz und bauen sehr ähnlich auf. Daher hat der ranghöchste slowakische Artillerist Roman Bobal, der auch Vorsitzender der Integrierten NATO-Fähigkeitsgruppe für indirektes Feuer ist, vor einem Jahr Excalibur Army vorgeworfen, mit Dita das slowakische Artilleriesystem zu plagiieren. „Ich halte Dita für ein Plagiat unserer 155-Millimeter-Selbstfahrlafette, der Hersteller der Dita hat nur das Gehäuse geändert”, sagte Bobal gegenüber Dennikn.sk. Er bezog sich auf einen Brief von Roman Ušiak von Konštrukta Defence an den GSG-Konzern vom November 2020, in dem der auf die identischen Konstruktionselemente der Haubitzen hinwies. Konkret soll es sich um die Mündungsbremse, den Lauf, die Wiege, den Wagen, die Hebeteile, die Ladevorrichtung und die Feeder handeln. Man habe den militärischen Geheimdienst und den ehemaligen Verteidigungsminister Jaroslav Naď über den Verdacht informiert, dass es zu Industriespionage gekommen sein könnte. Es sei aber nichts unternommen worden und nun sei der Konkurrent der slowakischen Zuzana in Serienproduktion.
Der slowakische Hersteller hat aber eine Versammlung mit den Urheberrechtsinhabern angesetzt, um dem Plagiatsvorwurf weiter nachzugehen. Der größte Teil der Produktionsrechte befindet sich im Besitz von Konštrukta Defence und dem Wirtschaftsministerium. Ein kleinerer Teil gehört dem Verteidigungsministerium. In Šternberk weist man zurück, Dita sei eine Kopie der slowakischen Zuzana. Beide Modelle seien von einem „Ur-System” aus gemeinsam-kommunistisch-tschechoslowakischer Zeit, der Haubitze Dana abgeleitet.