Die oberösterreichische AMST Systemtechnik GmbH zählt bei Flugsimulatoren, Hochleistungszentrifugen und anderen Pilotentrainingsanlagen zu den Weltmarktführern. CEO Manfred Bauer über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Familienbetriebs.
Schon einmal von der AMST-Systemtechnik GmbH gehört? Nicht? Dabei gilt das kleine Unternehmen aus dem oberösterreichischen Ranshofen als einer der ganz großen Player am globalen Markt für militärische und zivile Flugsimulatoren und Beschleunigungs-Zentrifugen. Zwar ist der Sektor im flugmedizinischen Spektrum eine Nische, allerdings eine, die AMST vor allem in Europa und – wie am Firmensitz in einer Vitrine ausgestellte Danksagungen etwa aus Vietnam, China, Thailand oder Indien verraten – auch in Asien äußerst erfolgreich bespielt. Neben Singapur unterhält das Unternehmen Niederlassungen in Deutschland, den Niederlanden und in Russland. Gemeinsam mit lokalen Partnern wurden Anlagen in mehr als 40 Länder geliefert. Darunter unter anderem sogenannte FTDs (Flight Training Devices) für Muster wie PC-7, PC-21 oder Alpha-Jet. Seit einigen Jahren arbeitet AMST sogar an Projekten im langzeitmedizinischen Bereich der Raumfahrt, speziell in Zusammenarbeit mit der deutschen DLR. Dabei konnte über die Jahre ein Wert von bis zu 80 Prozent gewonnener Ausschreibungen erreicht werden, wie Firmenchef Manfred Bauer im Gespräch mit Militär Aktuell (siehe weiter unten) erzählt.
Die Produkte aus Ranshofen werden genutzt, um Flug- und Missionstraining, G-Belastungen, Hypoxie (= Sauerstoffmangel), räumliche Desorientierung und Notsituationen zu trainieren. Das Unternehmen bietet aber auch Trainingsgeräte an, mit denen die korrekte Verwendung von Ausrüstung wie Nachtsichtgeräten, Schleudersitzen oder Seilwinden geübt werden kann. Interessant dabei ist, dass angesichts der immer fotorealistischer werdenden virtuellen Umgebungen und Außenansichten in kommerziellen Luftkampf- und Spielesimulationen die Simulations- und Gaming-Welten zunehmend interagieren. Über zwei russische Tochterunternehmen beschäftigt AMST bekannte Gaming-Programmierer, die ihr Know-how in die Gestaltung rot-weiß-roter Simulationswelten einfließen lassen.
Herr Bauer, wer steht hinter AMST und wo liegen die Wurzeln des Unternehmens?
In Folge eines Auftrages der DDR aus dem Jahr 1982 an die AMAG – welche 1978 bereits selbst in Entwicklungen für die Luft- und Raumfahrt diversifiziert hatte – entstand 1986 die AMST und schlussendlich erfolgte 1996 ein Management-Buy-out durch den langjährigen Geschäftsführer Richard Schlüsselberger. AMST ist also als Familienbetrieb entstanden und beide Söhne sind noch immer im Betrieb. Rainer Schlüsselberger führt die Geschäfte im zivilen Bereich der AMST-Aviation GmbH und Richard Schlüsselberger (jun.) betreut die Key Accounts, mit denen wir teilweise schon seit 20 oder 30 Jahren Geschäftsbeziehungen unterhalten. Dabei bieten wir von einfachen Simulationseinrichtungen über flugmedizinische Anlagen wie Zentrifugen bis hin zu Vollmissionssimulatoren das gesamte Spektrum ab.
Waren Flugsimulationen bei AMST von Beginn an Teil des Geschäfts?
Nein. Begonnen hat die Entwicklung mit Humanzentrifugen und Unterdruckkammern, die wir auch heute noch liefern – wie zuvor unter anderem nach Singapur, Polen oder auch England. 1982 erhielt die Vorläuferfirma dann aber auch einen Auftrag zur Errichtung einer kompletten flugmedizinischen Einrichtung mit Humanzentrifuge und Höhendruckkammer in Königsbrück bei Dresden.
Das war der Auftrag der DDR-Luftstreitkräfte?
Ja stimmt, die Anlage wurde dann 1986 in Betrieb genommen. Nach der Übernahme durch die Bundeswehr wurde sie einer Schlüsseleinrichtung der Luftwaffe (Anm.: Abteilung Flugphysiologie des Flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe) zugeteilt und durch Modernisierungen aktuellen Erfordernissen angepasst. Von 1995 bis 2004 erfolgte etwa die Entwicklung eines interaktiven Steuerungssystems und seit 2006 bildet das Leistungsprofil alle Kennziffern des Eurofighter ab. Heute trainieren dort die Piloten vieler NATO-Länder, aber auch des Bundesheeres.
Parallel zum Geschäft mit den Zentrifugen entwickelte sich dann der Simulatorbereich?
Damals in den 1980er-Jahren waren Zentrifugen noch passive Systeme, in denen Probanden ohne Interaktion G-Kräften ausgesetzt wurden. Das half Piloten zwar dabei, in Extremsituationen zu überleben und länger einsatzfähig zu bleiben, in den 1990er-Jahren wollten Kunden ihre Systeme aber zunehmend an reale Gegebenheiten anpassen. Sie wünschten sich Cockpits in die Gondeln der Anlagen, um Flugmanöver möglichst real simulieren zu können. Natürlich mit einfacheren Bedienelementen, man übt damit ja nicht das Landen und Starten.
Die Ansprüche stiegen also?
Richtig. Heute projektieren, konstruieren und bauen unsere Mitarbeiter große Anlagen vom komplexen und präzisen maschinenbaulichen Teil über Leitstand und Cockpit-Nachbildung bis zur Software, die neben der Bewegungssteuerung auch die virtuelle Umgebungssimulation mit einschließt. Sehr gerne übernehmen wir auch die Planung und Bauüberwachung der dafür nötigen speziellen Gebäude. Das Geschäft konzentrierte sich anfangs vor allem auf Flächenflugzeuge, wo wir bereits in der höchsten Klasse Level-D einen qualifizierten Simulator haben. Heute werden Full-Flight- und Full-Mission-Simulatoren aber auch im Hubschrauberbereich immer mehr nachgefragt.
Könnte AMST damit als Teil der österreichischen Wertschöpfung auch bei der Alouette III-Nachfolge (Militär Aktuell berichtete) zum Zug kommen? Ihr Unternehmen präsentierte sich ja bereits vor dem Entscheid für den AW169 von Leonardo gemeinsam mit Herstellern der infrage kommenden Typen. Ob schlussendlich ein Simulator Teil des Pakets sein wird, ist aber noch nicht entschieden, oder?
Daran wären wir natürlich interessiert und für jede Abstufung bis hin zu einer Systemintegration des Originalcockpits in Zusammenarbeit mit Leonardo bereit. In den laufenden „Government to Government“-Verhandlungen dürfte man sich vorerst drauf geeinigt haben, gemeinsam mit den italienischen Heeresfliegern Trainings zu machen. Wo diese aber letztlich stattfinden und wie man diese auf statische oder vollbewegliche Simulatoren aufteilt, dürfte noch nicht entschieden sein. Ansonsten kann ich zum Hubschrauberbereich nur sagen, dass wir mit unserem Part bereits bevorzugter Zulieferer eines großen Herstellers sind.
Kommen wir zurück zum Flugzeugbereich: In Aufnahmen aus der AMST-Hochleistungszentrifuge in RAF-Cranwell sieht man sogar ein F-35-Cockpit in der Gondel. Wie kam es dazu?
Eigentlich können in die Kabine der 39-Tonnen-Anlage auf Wunsch der RAF sogar drei nachempfundene Cockpits integriert werden, für Eurofighter, F-35 und Hawk. Das sind aber keine Originalcockpits der Hersteller, die Anlage ist daher nicht mit einem Full-Mission-Simulator zu verwechseln, das wäre für die kurze Zeit des Trainings in der Kapsel unsinnig. Die Anlage eignet sich aber trotzdem gut für unterschiedliche taktische Übungen unter G-Belastung, sie kann in einer Umdrehung bis zu 10G aufbauen. Damit kommt sie der Realität moderner Jets schon sehr nahe, darin setzt der Mensch den technischen Möglichkeiten zunehmend Limits.
Warum beschäftigt sich AMST auch mit dem Faktor „Desorientierung”?
Weil wir in der räumlichen Desorientierungs-Simulation einen sehr interessanten und zu erforschenden Bereich erkannt haben. Wir haben dann den 14 Meter langen Bewegungssimulator DESDEMONA (DESorientierungs-DEMONstrationsAnlage) entwickelt, der durch Bewegung des Piloten in vier Rotations- und zwei Linearachsen sämtliche denkbaren dynamischen Situationen nachbildet, in die ein Pilot geraten könnte. Damit wollen wir Probanden den erstaunlich oft unterschätzen Grad der optischen und räumlichen Täuschung vermitteln und die Konzentration auf die Instrumente trainieren, um die Orientierung zu erhalten und einen fatalen Orientierungsverlust zu vermeiden. Das ist natürlich auch für den zivilen Bereich wichtig, dort bleibt aber vieles – aus Kostendruck, aber auch aus anderen Gründen – im Vergleich zum militärischen Bereich theoretischer. Trotzdem verwenden viele flugmedizinische Institute unsere Geräte, um die Gleichgewichtsorgane von Piloten zu überprüfen und diesen eine Desorientierungserfahrung und die Folgen ihrer Falschwahrnehmung zu vermitteln. Mit den Geräten lässt sich zum Beispiel der Einflug in schlechtes Wetter simulieren, wir können aber auch eine plötzliche Blendung durch einen Laser und viele andere Szenarien einspielen. Derartige Anlagen gibt es auch für den Hubschrauberbereich – allerdings nicht typenspezifisch.
Unter den AMST-Pressefotos sind auch Bilder eines Piloten mit Nachtsichtbrille zu sehen. Ist diese Anwendung in den Simulatoren heute überall Standard?
Das ist sogar ein wichtiger Bereich und in fast allen Luftwaffen Ausbildungsstandard, für den wir eine eigene Demonstrationsmodell-Anlage geschaffen haben. Dazu haben wir – wie übrigens bei anderen Produkten auch – ein komplettes Ausbildungskonzept entwickelt und auch sehr gut verkauft.
Auf Messen wie IDEX oder LIMA sieht man immer mehr Simulatoren mit VR-Brillen. Die virtuelle Umgebung wird dabei gewissermaßen „aufgesetzt”, die Notwendigkeit eines großen Simulators entfällt. Ist AMST in diesem Bereich auch aktiv?
Wir arbeiten in Hinblick auf die sogenannte „Mixed Reality”, also bei der Begleitung der klassischen Anwendung durch VR-Anteile, mit einem heimischen Partner zusammen. Damit bekommt man auch die eigenen Extremitäten und nachempfundene Cockpitteile ins taktische Bild der Außenansicht, man sitzt aber trotzdem in einem reellen Cockpit.
Könnten derartige Produkte langfristig euer Kerngeschäft bedrohen?
Nein, das glauben wir nicht, weil damit gewisse Eindrücke wie die Motion nicht abbildbar sind. Zudem sind lange Sitzungen mit Brille immer noch problematisch, vielen Piloten wird dabei schwindelig. VR spielt in Zukunft aus Kostengründen zum Abbilden bestimmter Trainingsinhalte sicher eine größere Rolle, unser Geschäftsmodell lässt sich damit im Kern aber nicht ersetzen.