Am 14. Dezember wurde bei der Novosibirsk Aircraft Production Association (NAPO) im Südwesten Sibiriens der zweite Prototyp einer künftigen Serie der Nurflügel-Kampfdrohne (UCAV) S-70 Ochotnik (= Jäger) des zum staatlichen Flugzeugbaukonglomerat UAC gehörenden Suchoi-Konstruktionsbüros ausgerollt.
„Die Vorstellung des UCAV markiert den Abschluss der Montage des Systems als Ganzes, die Ausstattung mit allen notwendigen Bordgeräten gemäß den Anforderungen für das Gerät und den Übergang zu komplexen Bodentests sowie zur Vorbereitung auf den Erstflug”, sagte der stellvertretende russische Verteidigungsminister Alexei Krivoruchko. In Moskau sagte sein Chef, Verteidigungsminister Sergej Schoigu, dass mit ersten Flügen und abgeschlossenen Tests im kommenden Jahr mit einem Auftrag der russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte (VKS) zu rechnen sei.
Insgesamt scheint dieses neueste S-70-Derivat einen Sprung nach vorne in Russlands Fähigkeit darzustellen, schwer erfassbare Technologien auch in serientauglichen Fertigungsfähigkeiten auszuführen, auch wenn es immer noch hinter einigen seiner Mitbewerber – wie Taranis (UK) oder Neuron (Dassault + Saab) zurückbleibt. Wie man generell im vergangenen Jahrzehnt den Eindruck gewann, dass die russische Industrie in diesem High-Tech-Sektor hinterherhinkt – oder das russische Militär jenem einige Zeit kaum Gewicht beimaß und dadurch kaum solche Entwicklungen angestossen wurden. Aber nach der Vorstellung des MQ-1 Predator-ähnlichen Geräts Orion-E der Firma Kronshtadt neulich in Dubai war die nun erfolgte Präsentation des 20 Tonnen schweren und mit 20 Metern Spannweite ordentlich dimensionierten Geräts ein weiterer ambitionierter Schritt zum Schließen dieser Lücke.
Seit 2019 bekannt
Der allererste Prototyp flog erstmals am 3. August 2019, gefolgt von einem Formationsflug mit einer Suchoi Su-57 – einen ähnlichen „manned-unmanned-teaming”-Ansatz verfolgen auch Airbus-Helicopters und Schiebel – am 27. September 2019. In der russischen Version des Konzepts des „loyalen Flügelmanns” wurde die S-70 mit Luft-Luft-Raketen (ohne Antrieb und Sprengkopf aber mit funktionsfähiger Elektronik) bestückt, um ein Einsatzverfahren zu testen, welches vorsieht, dass S-70 entfernte feindliche Luftziele findet, und nach Entscheidung und Freigabe des Su-57-Piloten diese (auch) bekämpft. Anfang 2021 fanden dann Waffenintegrationstests auf einem Testgelände bei Astrachan statt, bei denen Ochotnik ungelenkte Bomben in den zwei je 1.000 Kilogramm fassenden internen Waffenschacht mitführte und auf Bodenziele abwarf.
Allerdings hatte das erste Design noch einige äußerliche „Auffälligkeiten”, die eine Schwererkennbarkeit (auf gegnerischem Radar) aus allen Beleuchtungsrichtungen (All-Aspect-Low-Observability) erschwerten. Das galt speziell für die unverkleidete Abgasdüse des sichtlich von Suchoi-Jets stammenden Turbofan-Triebwerks. Die Hitzesignatur dieses ersten Entwurfs würde „leuchten” wie das GUM-Kaufhaus. Was den verwendeten Antrieb betrifft, hat es sich offenbar um AL-41F gehandelt, ob es das nun beim zweiten Exemplar hinter dem viel mehr Stealth-mässig abgeflachten Abgasauslass auch ist, bleibt vorerst unbekannt. Während die Oberfläche beim ersten Design durch umfangreiche und grobe dielektrische Antennenflächen, Lufteinlasshutzen und diverse Mess-Sonden und -Instrumentengeber punkto Radarrückstrahlung stark beeinträchtigt war, sind diese nun großteils von der äußeren Hülle verschwunden. Bis auf einzelne versenkte Nietenreihen ist die Oberfläche rundum relativ makellos. Noch blieb ein Paar Luftdaten-Sonden übrig, wahrscheinlich würden diese bei einer künftigen Serienversion auch wegfallen. Ähnlich dem Unterschied, den man beim PAK-FA zwischen den T-50-Prototypen und den verfeinerten serienrepräsentativen Su-57 gesehen hat.
Das nun gezeigte Flugzeug zeigt markante blau und grau gefärbte Paneele entlang der Vorderkanten des Flügels und der Nase. Insbesondere die Vorderkante ist entscheidend für das Management einer geringen Erfassbarkeit. Erwartbar werden diese Bereiche wohl mit radarabsorbierendem Material (RAM) behandelt und beschichtet werden, ebenso werden Radarwellendämpfungsstrukturen unter der Außenhülle zum Einsatz kommen, die aber für bestimmte Bandbreiten transparent bleibt. Die Drohne muss dann auch noch vollständig lackiert werden und könnte schließlich das heuer an einem Modell auf der MAKS gezeigte „pixelige” Muster übernehmen. An jenem war erstmals auch der nun verwirklichte flache Abgasschlitz zu sehen.
Vielleicht etwas zu ehrgeizig?
Ochotnik ist eindeutig noch weit von Fronteinsätzen entfernt und die ehrgeizigen Zeitpläne einer Serienfertigung bei NAPO ab 2024 (dort werden zurzeit Su-34 gebaut), die während des Roll-Outs aufgestellt wurden, scheinen – aus heutiger Sicht – vielleicht nicht einzuhalten. Es gibt noch erhebliche Hürden zu überwinden, einschließlich der Sicherstellung, dass das UCAV seine geringen beobachtbaren Ambitionen erfüllt und als effektives Waffensystem im Verbund fungiert, ermöglicht durch Command-and-Control-Software und Datalink-Architektur. Russland gewinnt jedoch seit dem Engagement in Syrien seit 2015 schnell nützliche operative Erfahrungen – wenn auch mit bescheideneren Drohnendesigns.
Die Entwicklung von feineren Stealth-Technologien und serien-fertigungsindustriellen Fähigkeiten für das – nun überarbeitete – S-70 ist sicherlich von erheblichem Nutzen für die russische Luft- und Raumfahrtindustrie im Allgemeinen, da sie ja – wie Suchoi/UAC-Chef Juri Sljusar in Dubai dem Autor versicherte – weiterhin an Entwürfen für Kampfflugzeuge neuerer und neuester Generation arbeite. Und natürlich, wie an der Exportversion Su-57E, an deren Export Sljusar interessiert ist. Sicher liegt ein Teil des Potenzials für diese Entwicklungen auch in den Anstrengungen rund um die Ochotnik und andere unbemannte Systeme, die auf dem äußerlich bauartbedingt gleichen oder ähnlichen Design basieren. Zum Beispiel für den mit Spannung erwarteten neuen strategischen Bomber PAK-DA als Ersatz für Tu-22 und Tu-95, von dem ebenfalls erwartet wird, dass es sich – wie beim neuen US-Bomber B21 – um einen Nurflügler handelt. Das heißt, wenn er sich jemals tatsächlich materialisiert.
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