Vor wenigen Tagen haben zehn NATO-Verteidigungsminister eine gemeinsame Absichtserklärung zu einer multinationalen Initiative zur Entwicklung von innovativen bodengestützten Luftverteidigungsfähigkeiten (GBAD) für sehr kurze, kurze und mittlere Reichweiten gestartet. Gleichzeitig hat eine separate Gruppe von vier NATO-Nationen eine weitere Absichtserklärung zur Entwicklung von C-RAM-Abwehrsystemen gegen im Nächstbereich anfliegende Artillerie(raketen) und Mörsergranaten ins Leben gerufen. Die Verteidigungsminister von Belgien, Dänemark, Deutschland, Ungarn, Italien, Lettland, den Niederlanden, Slowenien, Spanien und Großbritannien unterzeichneten in den Hauptstädten der teilnehmenden Nationen, am Rande des Treffens der NATO-Verteidigungsminister.

Das Projekt soll laut Definition „einen systematischen modularen Ansatz implementieren, um die teilnehmenden Streitkräfte der Verbündeten mit vielseitigen, skalierbaren Lösungen auszustatten, mit denen sie auf Bedrohungen zugeschnittene ,GBAD-Pakete’ gegen das gesamte Spektrum der sehr kurzen bis mittleren Reichweiten erstellen können.” Ein solcher Ansatz soll die Fähigkeit der teilnehmenden Alliierten, einzelne nationale Module nahtlos in entsandte multinationale GBAD-Truppenpakete zu integrieren, erheblich stärken. Das Projekt ist Teil eines wachsenden Portfolios des durch die NATO unterstützten multinationalen sogenannten „High Visibility Projects” (HVPs), als Reaktion auf die als am Wichtigsten erkannten Herausforderungen für das Bündnis. „Dieser innovative, modulare Ansatz wird zu einer dramatischen Zunahme von operativer Flexibilität, Skalierbarkeit und Interoperabilität zwischen bodengestützten Luftverteidigungskräften führen”, sagte der stellvertretende NATO-Generalsekretär Mircea Geoană (siehe Video unten).

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Zusätzlich haben die Minister Deutschlands, Griechenlands, Ungarns und Großbritanniens ein neues multinationales NATO-HVP-Projekt gestartet, um den wachsenden Herausforderungen im Bereich der sofort einsetzbaren mobilen Abwehrraketen gegen Kleinstziele wie Raketen, Artilleriegeschosse und Mörsergranaten zu begegnen, allgemein unter dem Begriff C-RAM (Counter-Rocket, Artillery and Mortar) zusammengefasst.

C-RAM-Fähigkeiten werden als Schlüssel für wirksame Lösungen zum Schutz der alliierten Streitkräfte vor Raketen-, Artillerie- und Mörserbedrohungen beziehungsweise zum wirksamen Schutz von Personal, Einrichtungen und Ausrüstung erachtet. Wieder NATO-Generalsekretär Mircea Geoană: „Diese multinationale und damit kostengünstigere C-RAM-Initiative wird die interoperablen Kapazitäten für Operationen mit hoher Intensität erheblich erhöhen und gleichzeitig den Schutz von Personal, Einrichtungen und Ausrüstung vor Raketen- und Mörserartillerie-Angriffen und konventionellen Luftbedrohungen im Nahbereich verbessern.”

@Raytheon
Konzept eines 100 kW „Laser-Trucks”, mit dem die Abwehr von Drohnen und anfliegenden Granaten möglich werden soll.

Die erfolgreiche Abwehr von RAM-Munitionen – interessanterweise werden hier Drohnen nicht erwähnt – hat eine sehr hohe Bedeutung für den Schutz von Truppen und Einrichtungen (wie Camps, Flugfelder, …) in Einsatzgebieten.  Allerdings stellt diese Art der Abwehr eine enorme technische Herausforderung dar. Derzeit gelingt das den verfügbaren Kanonensystemen – die Rede ist etwa von Rheinmetall’s Sky Shield oder Raytheon‘s Phalanx – sowie Flugkörpern nur eingeschränkt und mit hohem Kostenaufwand. Die Schwierigkeiten ergeben sich beispielsweise durch die hohen Geschwindigkeiten der ankommenden Artilleriegeschosse, den geringen Signaturen von Mörsergranaten, den geforderten Bekämpfungsentfernungen zwischen 1.000 und 3.000 Meter und den hohen Annäherungs- und Bekämpfungsgeschwindigkeiten. Es ist stark anzunehmen, dass daher für jene Initiativen gerichtete Energiewaffen, also sich hier besonders anbietende Laserwaffen und Nahbereichsradars, im Fokus stehen werden. Da der Bekämpfungsvorgang in wenigen Sekunden abgeschlossen sein muss, ist eine hohe Laserleistung und eine hohe Strahlbündelung auf das sich schnell bewegende (nähernde) Ziel erforderlich.

@NATO
Die Verteidigungsminister von Belgien, Dänemark, Deutschland, Ungarn, Italien, Lettland, den Niederlanden, Slowenien, Spanien und Großbritannien bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung.

In Deutschland konnten sowohl MBDA als auch Rheinmetall bereits vor einigen Jahren Prototypen von Hochenergie-Laserwaffensystemen präsentieren (Bericht siehe hier), die aus einem Entwicklungsauftrag aus der deutschen Amtsseite stammen. Bisher kam es aber noch zu keiner Beschaffung, beide Unternehmen vereinten mittlerweile ihre entsprechenden Kapazitäten. Hochenergielaser bieten den Vorteil von unbegrenzter Munition ohne signifikant steigende Kosten, der Nachteil liegt in der benötigten Energie. Aus diesen Gründen wurden derartige Systeme beispielsweise von den USA vorerst nur auf Schiffen eingeführt.

Weiterführende Information: Eine deutschsprachige Einführung in die Philosophie der Artillerieortungsradars bietet unter anderem dieser Produktfolder des New Yorker Herstellers SRC.

Quelle@NATO, Raytheon, Archiv