Da selbst alte Kanonen dem Feind noch nützlich sein könnten, versenkte die US Navy am 24. Dezember 1941 eines ihrer traditionsreichsten Kriegsschiffe vor der Küste der Philippinen. Ein Bericht über den Untergang der USS New York aka USS Saratoga aka USS Rochester.
Den Leuten der US Navy auf dem philippinischen Stützpunkt Subic Bay blieb Mitte Dezember 1941 nicht mehr allzu viel Zeit. Man musste nicht hellseherisch veranlagt sein, um zu erkennen, dass der Stützpunkt nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor am 7. Dezember desselben Jahres nicht gegen die Japaner zu halten sein würde. Also war das Gebot der Stunde, alles Material in Sicherheit zu schaffen oder zumindest dem möglichen Zugriff des Feindes zu entziehen. Dabei ging es auch um die USS Rochester, ein am Pier liegender ziemlich alter Eimer, schon teilweise ausgeschlachtet und schon seit dem 28. Oktober 1938 aus dem Schiffsregister der US Navy gestrichen. Aber ihre Hauptbewaffnung war noch an Bord, vier achtzöllige (203 mm Kaliber) Kanonen mit 45 Kaliberlängen. Die sollten den Japanern nicht überlassen werden.
Der „alte Eimer” von dem die Rede ist, trat noch im ausgehenden 19. Jahrhundert seinen Dienst bei der US Navy an. Damals hieß das Schiff noch USS New York (das vierte dieses Namens bei der US Navy). Es war der erste Panzerkreuzer der amerikanischen Marine, wenn man das Datum der Indienststellung betrachtet. Nimmt man das Datum der Kiellegung, gebührt der USS Maine diese Ehre. Allerdings verzögerte sich der Bau der Maine derart, dass die USS New York eher ihren Dienst antreten konnte, und – nebenbei bemerkt – sie versah ihn sehr viele länger als die USS Maine, der nur eine kurze Dienstzeit beschieden war.
Ein früher Panzerkreuzer
1888 wurde das Schiff vom amerikanischen Kongress im Auftrag gegeben; die Kiellegung erfolgte am 19. September 1890 bei William Cramp and Sons in Philadelphia. Der Stapellauf war am 2. Dezember 1891.
In Dienst gestellt wurde die USS New York am 1. August 1893 mit Kapitän John Woodward Philip als ihrem ersten Kommandanten. Das Schiff war gut gepanzert und vergleichsweise schnell: Vier Kolbendampfmaschinen mit insgesamt acht kohlebefeuerten Kesseln und einer Gesamtleistung von 17.000 PS brachten den Panzerkreuzer auf 21 Knoten bei Seeversuchen. Die USS New York war 117 Meter lang und hatte eine Verdrängung von 8.170 Tonnen.
Die Hauptbewaffnung bestand aus sechs achtzölligen Kanonen Mark 3 von 35 Kaliberlängen, vier waren in Doppeltürmen vorn und achtern aufgestellt, zwei in offenen Einzellafetten an den Seiten.
Dazu kamen zwölf 102-mm-Schnellfeuerkanonen, acht 57-mm-Schnellfeuerkanonen von Driggs-Schroeder und vier Ein-Pfünder-Salutkanonen (37 mm Kaliber). Außerdem waren drei Torpedorohre vorhanden.
Vorgesehen für das Südatlantik-Geschwader verließ die New York den Heimathafen am 27. Dezember 1893 mit Ziel Rio de Janeiro; sie kam am Januar 1894 in Taipu Beach an und blieb da bis zum 23. März. Dann kehrte sie über Nicaragua und die Westindishen Inseln zurück nach Hause.
Sie wurde an das Nordantlantische Geschwader übergeben. Der Panzerkreuzer kehrte zurück in die Westindischen Gewässer, um an einer Winterübung teilzunehmen. Die Besatzung half auf Trinidad bei der Bekämpfung eines Feuers, welches drohte, Port of Spain zu zerstören. 1895 kam die USS New York dann zum Europäischen Geschwader der US Navy und repräsentierte die Vereinigten Staaten bei der feierlichen Eröffnung des Nord-Ostseekanals.
Im Spanisch-Amerikanischen Krieg und danach
Nach dem Ausbruch des Spanisch-Amerikanischen-Krieges im April 1898 dampfte die New York nach Kuba und beschoss spanische Stellungen bei Matanzas. Im Mai suchte sie mit anderen amerikanischen Schiffen vergebens Fühlung zur spanischen Flotte, anschließend beschoss die USS New York noch spanische Befestigungen bei Castillo San Felipe del Morro.
Danach wurde der Panzerkreuzer das Flaggschiff von Admiral William T. Sampson. Gerade als die New York den Admiral zu einer Besprechung mit Generalmajor Wiliam Shafter fuhr, unternahm die spanische Flotte ihren Ausbruch aus Santiago. Da die USS New York mit halber Kraft lief (einige Maschinen waren abgekoppelt und es dauerte zu lange sie wieder anzukoppeln) kam sie zu spät, um noch in die Hauptphase der Schlacht von Santiago de Cuba am 3. Juli einzugreifen.
Nach ihrer Rückkehr in die Heimat nahm sie an verschiedenen Fahrten in die Karibik teil und 1901 wurde die USS New York zur Asienflotte verlegt, wo sie das neue Flaggschiff wurde. Sie fuhr nach Yokohama und unterstützte amerikanische Truppen bei der Bekämpfung philippinischer Aufständischer. Nach wechselvollen Verwendungen wurde sie am 31. März 1905 in Boston vorläufig aus dem Dienst genommen und gründlich modernisiert. Nach rund vier Jahren Werftliegezeit ging sie wieder in den Dienst und diente zuerst in der Atlantikflotte, dann in der Asienflotte.
Das Schiff verfügte nun über zwölf Babcock & Wilson-Kessel, Aber nicht nur die Antriebsanlage war modernisiert worden. Die seitlich aufgestellten 203-mm-Kanonen hatte man entfernt, die anderen vier durch Mark-6-Geschütze im gleichen Kaliber aber mit längeren Rohren (45 Kaliberlängen) ersetzt. Die alten Geschütze konnten den Gasdruck, den das neue, rauchlose Pulver der Treibladungen entwickelte, nicht aushalten, deshalb war die Umrüstung notwendig. Auch die Panzertürme waren ersetzt worden, ihre Panzerung (165 mm stark) bestand nun aus „Krupp cemented steel”, einer neuartigen Legierung. Zur Hauptbatterie kamen zehn Geschütze im Kaliber 127 mm, acht im Kaliber 76 mm und vier Drei-Pfünder-Salutkanonen. Die Besatzung betrug nun 73 Offiziere und 511 Mannschaften, dazu kamen noch 64 Marines.
Aus New York wird Saratoga, dann Rochester
Am 16. Februar 1911 wurde die USS New York in USS Saratoga umbenannt, da die Namen der Bundesstaaten nur an die neusten Großkampfschiffe vergeben wurden, und es gab inzwischen Schlachtschiffe des Nach-Dreadnought-Standards in den USA. Fünf Jahre verbrachte die Saratoga in Fernost. Im Februar 1916 kam sie zur Pazifik-Reserveflotte. Im April 1917 wurde sie wieder in den aktiven Dienst genommen, diente häufig zur Beobachtung der mexikanischen Küste und anschließend kam sie zur Atlantikflotte, wo sie in USS Rochester umbenannt wurde.
Nachdem sie einen Konvoi nach Frankreich begleitet hatte, kam sie in die Chesapeake Bay zu Ausbildungszwecken. Ab März 1918 fuhr sie wieder Begleitschutz, nun unter dem Kommando von Kapitän Alfred Walton Hinds. Auf ihrer dritten Reise, diesmal mit Konvoi HM-58, torpedierte ein deutsches U-Boot am 9. Juni 1918 den britischen Dampfer Atlantian, die Rochester wollte dem sinkenden Schiff zur Hilfe kommen, aber die Atlantian sank innerhalb von fünf Minuten.
Nach dem Waffenstillstand diente die USS Rochester als Truppentransporter und brachte US-Soldaten in die Heimat. Im Mai 1919 fuhr sie als Flaggschiff der Zerstörerflottille bei der Überwachung des Transatlantikfluges der Curtiss-NC-Wasserflugzeuge. 1920 bekam sie schließlich die neue Designation CA-2 (schwerer Kreuzer) und operierte an der Ostküste. Ab 1923 operierte sie wieder vor den Küsten Lateinamerikans. 1927 wurde dann die Zahl der Kessel auf vier reduziert, dadurch sank die Leistung auf rund 7.700 PS ab.
Als 1929 auf Haiti Unruhen ausbrachen, transportierte die USS Rochester Truppen der 1st Marine Brigade dorthin und 1931 half sie bei einer Unterstützungsmission für das durch ein Erdbeben getroffene Nikaragua.
Ende auf den Philippinen
Viele weitaus modernere Schiffe der US Navy waren schon längst aus dem Dienst genommen worden und fast alle alten Panzerkreuzer waren nach einer Verwendung als Depotschiffe oder andere Funktionen abgewrackt worden – nicht so die Rochester. 1932 kam sie zur Pazifikflotte, operierte eine kurze Zeit in der Mündung des Yangtze und wurde schließlich am 29. April 1933 aus dem aktiven Dienst genommen. Sie lag dann für einige Jahre im Olongapo Shipyard in der Subic Bay.
Vieles war schon demontiert worden, allerdings nicht die Hauptbatterie. Nach einem japanischen Luftangriff auf Subic Bay begann man sich Sorgen zu machen, welchen Nutzen die alte Rochester noch für die Japaner haben könnte. Am 23. Dezember 1941 schleppte man sie in tieferes Wasser, wo man sie tags darauf durch Wasserbomben versenkte. Die Rochester sank am Weihnachtstag über das Heck und liegt nun (nach diversen Bergungsversuchen in den 1960er-Jahren) an Ort und Stelle in einer Tiefe zwischen 14 und 28 Metern. Das Wrack ist heute ein beliebtes Ziel für Taucher.