Kürzlich übernahm Brigadier Christian Riener das Kommando über die EU-Trainingsmission in Mali (EUTM). Wir haben mit ihm noch vor seiner Abreise nach Afrika über die Inhalte der Mission, die Vorbereitung auf seine neue Funktion und die Sicherheitslage vor Ort gesprochen.

Herr Brigadier, Sie übernehmen in Mali das Kommando der gesamten EU-Trainingsmission und führen damit für ein halbes Jahr 867 Soldaten aus 26 EU-Staaten – knapp 100 davon stammen aus Österreich. Die Sicherheitslage vor Ort ist allerdings alles andere als stabil. War für Sie trotzdem klar, dass Sie die angebotene Funktion übernehmen werden?
Ja, das ist schließlich Teil meines Berufes und auch meiner Berufung. Ich bin 1986 beim Bundesheer eingerückt und nach wie vor mit Leib und Seele Soldat. Als mir diese Funktion vor mittlerweile eineinhalb Jahren angeboten wurde, musste ich daher nicht lange überlegen. Dank der langen Vorlaufzeit konnte ich mich auch sehr umfassend und eingehend auf den Einsatz vorbereiten und mich in alle relevanten Themenbereiche einarbeiten. Ich konnte beispielsweise meine Französisch-Kenntnisse intensivieren, mich bei zwei Besuchen im Einsatzraum vor Ort informieren und ich habe mich natürlich auch intensiv mit Brigadier Christian Habersatter ausgetauscht, der bereits im zweiten Halbjahr 2019 das Kommando über die Mission inne hatte. Wir haben zudem Besuche in Brüssel, in Potsdam und Paris absolviert, um die Entscheidungsträger und Schnittstellen in Europa kennenzulernen und in der konkreten Einsatzvorbereitung standen auch Scharfschießen, das Verhalten in kritischen Situationen und Force Protection auf dem Programm.

Was machen die europäischen Soldaten vor Ort eigentlich? Was ist Ziel und Zweck der Trainingsmission?
Bei EUTM Mali produzieren wir gemeinsam mit vielen anderen Akteuren Sicherheit, indem wir Hilfe zur Selbsthilfe geben. Grundsätzlich geht es dabei um Aus- und Fortbildung in Taktik und Gefechtstechnik malischer Soldaten sowie um die Beratung höchster Kommandanten und des Generalstabs. Allerdings geht es im Gesamtpaket parallel zu den militärischen Inhalten auch ganz wesentlich um den Bildungsaspekt, um Themen wie Gleichstellung und Gleichbehandlung, demokratische Werte, den Schutz von Frauen und Kindern sowie das humanitäre Völkerrecht. EUTM ist zudem nur ein Teilaspekt des Engagements der internationalen Gemeinschaft in der gesamten G5-Region, die neben Mali auch Mauretanien, Burkina Faso, Niger und den Tschad umfasst. Dabei verfolgen wir auf allen Ebenen einen integrierten Ansatz, um die Lage vor Ort zu stabilisieren und den Menschen dort ein sicheres Leben und Arbeiten zu ermöglichen.

@Bundesheer
Brigadier Christian Riener war zuletzt Abteilungsleiter für Einsatzführung im Verteidigungsministerium. Er hat vielfache Auslandseinsatzerfahrung und war mehrfach als Brigadekommandant auf Übungen und Einsätzen im In- und Ausland tätig. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Unteroffizier absolvierte er 1993 die Militärakademie sowie 2003 den Generalstabslehrgang. Riener besuchte nationale und internationale Ausbildungen, wie etwa den „Generals Flag Officers and Ambassadors‘ Course“ am „NATO Defense College“ in Rom.

Ziel sind Frieden und Stabilität in der Region, seit dem Start der Mission im Jahr 2013 hat sich die Sicherheitslage vor Ort aber nicht unbedingt verbessert. Provokant gefragt: Hat die Mission bislang ihre Wirkung verfehlt?
Das ist eine wichtige Frage, der man sich unbedingt stellen muss, aber die auch eindeutig zu beantworten ist. Es ist richtig, die Bedrohungslage ist hoch und ja, die Sicherheitslage ist schlecht – da gibt es nichts schönzureden. Allerdings: Was ist die Alternative? Niemand weiß, wie sich die Lage vor Ort entwickelt hätte, wenn keine internationalen Truppen und keine zivilen Organisationen bis hin zum Roten Kreuz dort wären. Die Lage wäre wohl noch viel schlechter. Auch beim Waldbrand zuletzt auf der Rax wäre niemand auf die Idee gekommen, die Brandbekämpfung einzustellen, weil es nach ein paar Tagen immer noch gebrannt hat und sich die Feuer sogar ausgebreitet haben. Es war klar, dass der Brand gelöscht werden muss – egal wie lange es dauert. Und das lässt sich – vereinfacht gesagt – auf jede Krisensituation umlegen. Ja, die Krise ist vorhanden. Ja, die Ursachen dafür sind vielfältig, aber trotzdem muss man versuchen sein Bestes zur Besserung der Situation beizutragen. Egal, wie herausfordernd das ist und wie lange das dauert und genau das werden wir tun. Die schlechteste Lösung wäre es, nichts zu tun, einfach abzuziehen und den Brand weiter an Kraft gewinnen zu lassen.

Was macht die Region für Österreich so wichtig? Das Heer war vor einigen Jahren vor Ort auch schon im Tschad sehr engagiert und ist auch bei der Übungsserie „Flintlock“ in der Region regelmäßig aktiv.
Im Ministerratsbeschluss ist das in einem Satz gut zusammengefasst: „Im Sinne der internationalen Solidarität erscheint es angezeigt, die verstärkten Bestrebungen der Staatengemeinschaft zur Wiederherstellung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Mali unter Einbeziehung der G5 Sahel-Staaten weiterhin zu unterstützen“, heißt es da. Es geht also darum, die internationale Solidarität Österreichs dort im Raum wirksam werden zu lassen …

Aber warum ausgerechnet dort? Warum ist gerade die Region für Österreich und die EU so wichtig?
Weil die Entwicklungen dort enorme Auswirkungen auf die Europäische Union haben. Politische Instabilitäten, religiöser Extremismus, die Auswirkungen des Klimawandels, sozialer Unfrieden und wirtschaftliche Turbulenzen sorgen zunehmend für Unsicherheiten und verunmöglichen es den Menschen vor Ort in Ruhe zu leben und ihr Auslangen zu finden. Das befördert die illegale Migration und erhöht den Zulauf extremistischer Organisationen. Beides kann nicht im Sinne Europas sein. Bei EUTM Mali geht es unter dem Strich daher darum, dass genau das nicht passiert. Mehr Sicherheit vor Ort bedeutet auch mehr Sicherheit für Europa.

Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an”.

Quelle@Bundesheer