Am 23. August traten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Generalstabschef Rudolf Striedinger vor die Presse, um durchaus detailreich und positiv auf das erste Halbjahr 2023 zurückzublicken.
Laut Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sei man „trotz großer Herausforderungen” wie der Personalsituation insgesamt „auf einem sehr guten Weg”. Wegen Pensionierungen und Abgängen brauche man in den nächsten Jahren jährlich rund 1.000 neue Soldaten und Zivilbedienstete, so Tanner, weshalb sich das Ressort bei seinen Rekrutierungsbemühungen auch durchaus innovativ zeige. Ein Erfolg sei beispielsweise die Initiative gewesen nach den Betriebsschließungen bei Kika/Leiner auf Bedienstete zuzugehen, um sie für das Bundesheer zu gewinnen. Demnach hätten sich 31 Bewerber gemeldet, 19 seien aktuell im Aufnahmeprozess.
Insgesamt habe man mit Stichtag 23. August 1.233 Soldaten und Zivilbedienstete neu im Bundesheer aufgenommen, im gesamten Jahr 2022 waren es 1.449. Seit der Einführung des freiwilligen Grundwehrdienstes für Frauen mit 1. April seien dafür zudem 144 freiwillige Meldungen eingelangt und 17 Frauen eingerückt. 41 weitere sollen bis Ende des Jahres hinzukommen.
Mehr Grundwehrdiener wieder waffenspezifisch ausgebildet
Neben dem im ersten Halbjahr neu hinzugekommenem und bestelltem Gerät mit einem Budgetvolumen von 390 Millionen Euro (siehe Tabelle oben, bis Ende des Jahres sollen laut Budgetplan insgesamt 680 Millionen Euro ausgegeben werden), ist laut Generalstabschef Rudolf Striedinger hervorzuheben, dass von 1.140 Soldaten im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz (beispielsweise im Grenzschutz) mit Jahresbeginn die Zahl auf rund 720 verringert werden konnte und in dem Bereich nun auch weniger Grundwehrdiener eingesetzt werden. Damit sei man in der Lage „die Grundwehrdiener zum Zwecke der militärischen Landesverteidigung wieder vermehrt in eine waffengattungsbezogene militärische Ausbildung zu führen”, so Striedinger.
„Es ist uns gelungen, die Grundwehrdiener zum Zwecke der militärischen Landesverteidigung wieder vermehrt in eine waffengattungsbezogene militärische Ausbildung zu führen.“
Generalstabschef Rudolf Striedinger
Dadurch erhöhe sich die Einsatzbereitschaft, außerdem würden sich wieder mehr Soldaten freiwillig für die Miliz verpflichten und könne überdies wieder deutlich mehr geübt werden. General Striedinger: „1.600 Soldaten waren etwa kürzlich bei einer Großübung der 7. Jägerbrigade im Einsatz. 160 Übungsvorhaben sind heuer für die Miliz geplant. Die Ressourcen sind da, die Einsatzbereitschaft kann hoch gehalten werden.”
„Beim Jet-Trainer geht es um zwölf Stück plus einer Option über zwölf weitere Maschinen, wobei alternativ aber auch bewaffnungsfähige Drohnen beschafft werden könnten.“
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
Typenentscheidungen anstehend
Auf Nachfrage von Militär Aktuell bestätigte Verteidigungsministerin Tanner die Absicht, noch in diesem Jahr Typenentscheidungen zum eingeleiteten Ersatz der drei C-130K Hercules (Baujahr 1967/68) des Bundesheeres (-> hier geht es zu einer Übersicht der in Frage kommenden Modelle) sowie zum nun wieder angestrebten Ersatz der 2020 ausgeschiedenen Saab-105OE (1970) durch einen sogenannten Advanced Jet Trainer bekannt zu geben. Die Entscheidung bezüglich der neuen Transportflugzeuge könnte sogar bereits bis zum Ende des Sommers fallen, so Tanner, die dieses Ende kalendarisch mit 21. September festmachte. „Beim Jet-Trainer geht es um zwölf Stück plus einer Option über zwölf weitere Maschinen, wobei alternativ aber auch bewaffnungsfähige Drohnen beschafft werden könnten”, so Tanner. „Hier haben wir ja auch Aufholbedarf.” In der Tat existiert diese Fähigkeit zurzeit gar nicht.
Planungssicherheit hergestellt
Von Militär Aktuell dann auf die nächstes Jahr anstehenden Nationalratswahlen und die in den ersten beiden Quartalen 2024 zu führenden Budgetverhandlungen angesprochen, merkte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner an: „Die geplanten jährlichen Budgets bis 2032 sind im Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz und in den Erläuterungen zum – übrigens jährlich zu adaptierenden – Landesverteidigungs-Plan 2022 im Parlament durch den Budget- und den Landesverteidigungs-Ausschuss gegangen und in allgemeinem Konsens zur Kenntnis genommen wurden.” Dadurch habe man „über die jeweiligen vierjährigen Finanzrahmen hinaus für das Bundesheer Planungssicherheit hergestellt”, so Tanner. „Das kann eine etwaige künftige Regierung keineswegs einfach so beiseiteschieben oder negieren.”
Das deckt sich Militär Aktuell-Informationen zufolge auch mit der Ansicht des Finanzministeriums, dass eine mögliche neue politische Administration in den kommenden Jahren nicht einfach das Budget kürzen könne, wenn jetzt dem Heer erlaubt werde, langfristige Beschaffungen zu tätigen und damit einhergehende Zahlungsverpflichtungen einzugehen. „Wenn wir da eine Kürzung vornehmen, gehen wir alle ins Kriminal …”, so eine pointierte Aussage neulich gegenüber dem Autor. Trotzdem sei an dieser Stelle an größere Rüstungsvorhaben der Vergangenheit erinnert, wo beispielsweise die Eurofighter-Raten zuerst im Rahmen einer Extrabeschaffung liefen, dann aber ins laufende Heeresbudget übernommen werden mussten und über Jahre das Regelbudget fast stranguliert hätten. Niemand ging für den haushaltsrechtlich unkoordinierten und bis heute nachwirkenden Alleingang letztlich „ins Kriminal”.
Bald mehr Klarheit bei Sky Shield
Abschließend ging es in der Pressekonferenz auch noch um die European Sky Shield Initiative, der Österreich wie berichtet beitreten könnte und mit der Schweiz kürzlich auch eine Beitritts-Absichtserklärung unterschireben hat. Vor diesem Hintergrund soll es laut Verteidigungsministerin Tanner Anfang September eine Konferenz der Airchiefs aller Teilnehmerstaaten geben. Dort könne Luftwaffenchef Brigadier Gerfried Promberger erstmals auch umfangreiche Einblicke in die Planungsunterlagen der anderen Teilnehmer nehmen. „Danach werden wir Konkreteres wissen”, so Tanner.
Die Ressortchefin brachte beim Thema Sky Shield nochmals eine – noch nicht näher definierte – Einbringung des heimischen Luftraumüberwachungssystems Goldhaube ins Spiel und erwähnte die kürzliche Verkaufsfreigabe des US-israelischen Weitbereichssystems Arrow 3 für Deutschland. „Die durch das System abgedeckten Reichweiten bis in den Weltraum kann kein Land mehr alleine finanziell bewerkstelligen.”
Aus einem Vortrag des Airchiefs Ende Juli in Zeltweg geht übrigens hervor, dass Österreich sich für ein System wie dem in Deutschland geprüften sogenannten GESTRA-Radar interessiere, eventuell im Nordturm am Kolomansberg (siehe Bild oben). Also keineswegs für Waffen und Effektorenstandorte, die laut Planungschef Generalmajor Bruno Hofbauer „zusätzliche und heute noch nicht im Plan budgetierte Mittel erfordern” würden. Im Gegenzug würde man gerne das sogenannte „Recognized Space Picture” erhalten, um damit bessere nationale Entscheidungsgrundlagen zu erhalten – aber dazu dürfte es dann in den kommenden Wochen und Monaten konkretere Informationen geben.