Kann der Tower eines Militär-Airports Hunderte Kilometer von Hangars, Werft, Start- und Landebahn entfernt sein? Kein Problem, wie die Firma Frequentis mit ihrem Prestigeprojekt „Remote Tower” nicht nur in den USA beweist.
Flugfelder und Militärbasen in Krisengebieten sind bei Konflikten begehrte Angriffsziele. Teure Geräte und viele hochqualifizierte Menschen versehen dort ihren Dienst und halten den Betrieb am Laufen. Ganz besonders exponiert sitzen die Fluglosten. Ihr Arbeitsplatz, der Tower, ist von Weitem sichtbar und lässt sich schon mit Infanteriewaffen bekämpfen.
Wie aber nun das Personal schützen? Mit teuren Waffensystemen? Mehr und besser ausgerüsteten Bodentruppen? Panzerungen? Das ist die eine Lösung. Das Wiener Hightech-Unternehmen Frequentis hat eine bessere: In seinem „Remote Tower” sitzen die Fluglosten nicht mehr dort, wo sie leicht ins Fadenkreuz genommen werden können, sondern dort, wo sie sicher sind. Hunderte Kilometer weit entfernt – etwa im Heimatland oder in einem sicheren Bunker. Ein komplexes Netz aus Kameras und Sensoren am und um das Flugfeld bilden ihre Augen und Ohren. Sie liefern den Lotsen Live-Aufnahmen auf ihre Bildschirme – auch bei Nebel und Sandstürmen.
Die Firma Frequentis entwickelt und produziert Kommunikationssysteme für den „sicherheitskritischen Bereich”, etwa für Küstenwachen und Militärs. Aber auch für Behörden, Bahnunternehmen sowie Flugsicherungen. Bei Letzteren ist das Unternehmen sogar Weltmarktführer, so gut wie alle Systeme weltweit laufen auf Technik made in Austria. Stolz verweist CEO Norbert Haslacher im Gespräch mit Militär Aktuell auf 500 Kunden in 140 Ländern.
Die Idee zum Remote Tower kam vor rund einem Jahrzehnt. Innovationen vom Reißbrett auf den Markt zu bringen, ist in diesem sicherheitskritischen Bereich aber alles andere als einfach – und vor allem eine langwierige Geschichte. Regulatorien, Zertifizierungen und Zulassungen mit zig Standards sind industrietypisch und bremsen die Umsetzung. Ein Mangel an Fluglosten sowie Sparmaßnahmen bei Flughäfen waren dann aber die entscheidenden Treiber für die Entwicklung und Umsetzung des Remote Towers, der bei Bedarf auch mehrere Airports parallel abwickeln kann, wie das Beispiel Saarbrücken zeigt. Das Fluggeschehen dort wird von Lotsen im 400 Kilometer entfernten Flughafen Leipzig mitbetreut.
Wenig verwunderlich stieß der „Tower ohne Turm” bald auch bei Streitkräften auf Interesse und da vor allem bei der US Air Force. Gleich vier Systeme, zwei mobile und zwei stationäre, haben die amerikanischen Luftstreitkräfte in den vergangenen Jahren gekauft. Stückpreis: Je nach Ausführung zwischen einer halben und zehn Millionen Euro. Frequentis hat eine US-Niederlassung und beliefert damit seit Längerem 56 Armeebasen mit Kommunikationstechnologie. Doch nicht nur für die Luftfahrt baut Frequentis Lösungen rund um Sprach- und Datenkommunikation. Auch im Weltraum mischt das Unternehmen mit. Alle NASA-Standorte weltweit funken mit Frequentis-Technologie – in Summe sind rund 4.000 Controller-Arbeitsplätze in das System eingebunden. Und in Kolumbien hat die Firma aus Wien eines ihrer größten Netzwerke installiert. Im Verbund des Joint Command hängen Land-, Luft und Seestreiftkräfte. Das System ermöglicht Funksprüche und Datenaustausch etwa zwischen einem Kriegsschiff und einem Kampfhubschrauber. Eine enge Zusammenarbeit pflegt Frequentis zudem seit 25 Jahren mit der deutschen Bundeswehr. Dort sind bereits zahlreiche Lösungen in Kombination mit Radar und Cyber-Command- sowie Cyber-Security-Systemen im Einsatz. Über genauere Details ist freilich Stillschweigen vereinbart worden.
Im zivilen Bereich sind die Kunden hingegen kein Geheimnis: Hierzulande etwa die ÖBB, die Bahn in Australien und die Küstenwache in Grönland.
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