Am 2. Dezember lud das im Andromeda-Tower der Wiener Donau-City ansässige Vienna Center for Disarmament and Non-Proliferation (VCDNP) zu einer hochkarätigen Diskussion mit dem Titel „Powering Hope – A Conversation with Rafael Grossi and Charles Oppenheimer” ein. Militär Aktuell nutzte die Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich anschließend mit dem Enkel eines zentralen Akteurs des Manhattan-Projekts auszutauschen. Charles Oppenheimer ist Founder & Co-Executive Director des sogenannten „Oppenheimer Projects”.

Charles Oppenheimer – ©Georg Mader
Charles Oppenheimer hat seine Karriere in der Softwarebranche und als Unternehmer verbracht und ist aktuell Co-Executive Director des „Oppenheimer Projects”.

Herr Oppenheimer, wieviel Zeit hatten Sie eigentlich gemeinsam mit Ihrem Großvater? Er starb 1976. Und was blieb von ihm bis heute, er hat ja dann sein eigenes Wirken stark hinterfragt.
Ich bin 1975 geboren, habe ihn also nie kennengelernt. Aber ich kannte meinen Onkel Frank, der auch im Film „Oppenheimer” von Christopher Nolan vorkommt. Gern hätte ich mit meinem Großvater über das Manhattan-Projekt und seine Rolle darin gesprochen. Ich sage immer, die Oscars sind vorbei, aber ich werde für den Rest meines Lebens ein Oppenheimer sein. Wir als Familie hatten nicht viel Kontrolle oder Einfluss auf den Film. Ich habe mit Herrn Nolan gesprochen und bin zu den Filmsets gegangen, aber wenn man mit Ruhm und Geschichte zu tun hat, hat man keine Kontrolle darüber. Aber ich war wirklich zufrieden mit dem Ergebnis, das er erzielt hat. Der Film hat vielen Leuten die Augen geöffnet. Glauben Sie mir, ganz viele jüngere Zeitgenossen hatten von Oppenheimer und dem Manhattan Project noch nie gehört. Genau zu der Zeit, als der Ukraine-Konflikt (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) und der KI-Nexus in den Vordergrund rückten und die Bedrohung durch Atomwaffen neu ins öffentliche Bewusstsein trat, kam der Film heraus. Zuvor war das Thema Atomwaffen aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwunden, und viele Menschen hatten viel zu wenig Angst davor. Doch die Gefahr ist nicht gebannt, sie ist nicht gelöst und nicht vorbei. Der Film wurde – entgegen der Befürchtung – kein Werk über Wissenschaftler oder Helden, die alles retten. Vielmehr ist er sehr neutral, was es uns ermöglicht, eine Geschichte darüber zu erzählen, wie die Zukunft aussehen sollte. Ich kann selbst handeln und meine Vorstellungen auf die Welt anwenden. Ich bin nicht allein; viele Menschen und Aktivisten haben seitdem einen Unterschied gemacht. Das ist das hoffentlich nachhaltige Ergebnis des Films. Diese Phase wird nicht ewig andauern. Die Bekanntheit des Familiennamens war hilfreich, und wir versuchen, diese Aufmerksamkeit zu nutzen. Dabei streben wir an, dass die Philosophie der wahren Werte meines Großvaters in die Welt hinausgetragen wird.

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Sie nennen es das „Oppenheimer-Projekt”, das Sie hier präsentierten. Aber wo ist Ihr Ansatzpunkt, sich mit diesen Themen zu befassen? Wo stehen Sie?
Der ideelle Ausgangspunkt ist das Vermächtnis meines Großvaters. Doch die Bemühungen unseres Projekts sind in der Form erst in den vergangenen fünf Jahren entstanden, in denen ich aktiv über das Thema spreche. Es gibt eine wichtige Rolle für gemeinnützige Organisationen und NGO mit einem entsprechenden Hintergrund oder Namen wie unserem, sich an der Diskussion zu beteiligen, Aktionen durchzuführen und die Öffentlichkeit einzubeziehen – wie etwa bei der Veranstaltung mit der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien. Es wird eine Weile dauern, bis wir den Schritt zur politischen Ebene wagen können. Wir brauchen sowohl solche Institutionen als auch die Unterstützung nationaler Regierungen. Ich bin zwar noch nie irgendwo hingegangen und habe sofort gesagt: „Ich bin der Enkel des Vaters der Atombombe”, doch der Name öffnet Türen und erleichtert den Dialog mit wichtigen Personen.

Robert Oppenheimer – ©FAS
Julius Robert Oppenheimer war ein amerikanischer theoretischer Physiker. Oppenheimer wurde vor allem für seine Rolle als wissenschaftlicher Leiter des Manhattan-Projekts während des Zweiten Weltkriegs bekannt.

Aber was ist nun der „Hebel” Ihrer Organisation? Wo setzen Sie an, bezüglich Ihrer Aktivitäten zur nuklearen Nicht-Verbreitung?
Wissen Sie, einige Geldgeber im Bereich der Nichtverbreitung hatten bereits die Hoffnung verloren. Es gab eine gewisse Menge an philanthropischer Finanzierung für Frieden und Sicherheit, doch nach zehn oder zwanzig Jahren stellten viele fest, dass ihre Beiträge keinen Unterschied machten. Das System ist einfach zu groß und unkontrollierbar. Ich habe mich viel in Kreisen bewegt, die Finanzinstitute, große institutionelle Geldgeber und auch Einzelpersonen umfassen, die etwas bewirken wollen, aber auch ihr Geld zurückbekommen möchten. Investitionen müssen als rentabel angesehen werden, idealerweise in Verbindung mit staatlichen Steueranreizen und öffentlich-privaten Partnerschaften. Wenn man eine Investitionsmöglichkeit für private Unternehmen schaffen kann, bei der diese ihr Kapital zurückerhalten, kann das einen erheblich größeren Finanzierungsstrom generieren als ein einzelnes Land allein aufbringen könnte.

Charles Oppenheimer im Gespräch mit Militär Aktuell-Redakteur Georg Mader – ©Georg MaderIch wünsche mir, dass die einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt – heutzutage meist Dutzende Milliardäre, die durch ihren Einfluss auch Wahlen prägen – erkennen, dass sie einen Beitrag zum Weltfrieden leisten können. Das ist von größter Bedeutung. Es gibt nichts Wichtigeres als die Frage, ob wir uns selbst mit Atomwaffen auslöschen oder eine Zukunft mit enormem Energiereichtum und einer großen Menge an kohlenstofffreier Energie erreichen. Deshalb führe ich mit meinen Freunden aus Silicon Valley eine Kampagne, in der ich betone, dass man bei den entscheidenden Themen mehr bewirken kann – und nicht nur bei den „politisch korrekten# Wohltätigkeitsorganisationen, die derzeit im Fokus stehen.

©Militär Aktuell

Gibt es in den USA jetzt ein besseres Klima für solche Initiativen? Oder wird das erwartet, weil das Thema möglicherweise ein kleiner Bestandteil von Donald Trumps „Make America Great Again” (MAGA)-Agenda ist? Schließlich hat das Thema „Atom” Amerika ja groß gemacht – und tut es nach wie vor.
Es besteht eine gewisse Chance. Atomenergie ist beliebter denn je und ist in den USA ein parteiübergreifendes Thema. Die MAGA-Agenda schadet also nicht unbedingt der Energiedebatte. Ob dies jedoch einen Weg zu einer Reduzierung von Nuklearwaffen eröffnet, ist ungewiss. Dennoch könnte es eine Möglichkeit geben, in dem neuen Klima der kommenden Administration voranzukommen. Der künftige „Wieder-Präsident” hat immer vor einem dritten Weltkrieg gewarnt, doch alle modernen Regierungen arbeiten an der Aufrüstung ihrer Atomarsenale und Trägersysteme – auch in den USA läuft ein umfangreiches Modernisierungsprogramm. Es besteht jedoch die Chance, dass eine zweite Amtszeit von Trump eher bereit wäre, direkt mit China und Russland über Waffenkategorien und -begrenzungen zu verhandeln.

„Wenn wir uns in nichts anderem einig sind, dann doch in der Tatsache, dass wir keinen automatisierten, KI-gesteuerten Atomkrieg wollen.“

Ich möchte zum Abschluss kurz auf etwas eingehen, über das wir viel schreiben und dass von vielen Leuten als ähnlich einschneidend wie damals die Atombombe bezeichnet wird: Künstliche Intelligenz. Spielt das Thema in Ihren Überlegungen und Aktivitäten auch eine große Rolle?
Natürlich. Wissen Sie, wie oft ich in den vergangenen ein oder zwei Jahren gezwungen war, über KI zu sprechen? Es gibt erhebliche technische Unterschiede zur Verbreitung der Ideen meines Großvaters. Die Kontrolle des kritischen Materials, die damals versuchte Realität, ist heute so nicht mehr möglich. Jeder erkennt, dass KI grundsätzlich nicht auf diese Weise kontrollierbar ist. Daher ist es besser, die Realität anzuerkennen. Die Frage, ob wir der Menschheit mit KI etwas antun, das uns dann zum Verhängnis wird, ist einer der ältesten Mythen der Menschheit, nicht wahr? Es ist die älteste Geschichte, die alle Kulturen teilen – wie bei Adam und Eva oder Prometheus. Es gibt einen Grund, warum wir immer wieder mit dieser Frage konfrontiert werden. Robert Oppenheimer und seine Erfahrungen haben die Welt verändert, und wir sehen, dass sich ein ähnliches Element auch in der KI manifestiert. Wie gehen wir also damit um? Der richtige Weg ist Akzeptanz. Wir sollten nicht so tun, als sei es etwas anderes oder als könnte man es stoppen oder „einfangen”. Der Umgang mit den daraus resultierenden Bedrohungen erfordert nicht nur technische Vorgaben und Regulierungen, sondern auch die Fähigkeit, mit potenziellen Gegnern zu sprechen. Es geht darum, Bereiche gemeinsamer Interessen zu finden. Es ist natürlich schwer, Hoffnung zu schöpfen, angesichts der Welt, wie sie gerade ist. Doch ich habe es geschafft, und ich glaube, dass gerade bei der KI eine Zusammenarbeit mit den unruhigsten Akteuren der Welt sinnvoll sein könnte. Man könnte mit ihnen sagen: „Wenn wir uns in nichts anderem einig sind, dann doch in der Tatsache, dass wir keinen automatisierten, KI-gesteuerten Atomkrieg wollen.” Solche Gespräche könnten kleine Elemente des Dialogs und der Hoffnung schaffen, die aus diesem technologischen Wandel hervorgehen.

Quelle©Georg Mader, FAS