Moritz Ehrmann (Direktor) und Eva Huber (stellvertretende Direktorin) des Austrian Centre for Peace (ACP) über das „2. Austrian Forum for Peace”, eine mögliche friedensvermittelnde Rolle Österreichs und Konfliktdynamiken weltweit.
Herr Ehrmann, wohin hat sich das „Austrian Centre for Peace” seit 2022 unter dem neuen Namen (Anmerkung: Der Name löste die frühere Bezeichnung „Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung” ab) entwickelt?
Moritz Ehrmann: Wir sind nach unserem 40. Geburtstag, den wir im Herbst 2022 begangen haben, deutlich gewachsen – und zwar gleichermaßen inhaltlich, räumlich und personell. Dadurch wird unsere Expertise auch medial stärker wahrgenommen. Das liegt einerseits – und bedauerlicherweise – an der Anzahl der Konflikte weltweit, wo wir uns einbringen können; unsere Schwerpunkte dabei sind Environmental Peacebuilding und PeaceTech. Bei einigen dieser Themen sind wir mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung als sehr bedeutendem Kooperationspartner laufend in Kontakt. Andererseits liegt das an den Möglichkeiten, die wir durch die Organisation einer jährlichen internationalen Fachkonferenz auf der Burg Schlaining mit rund 400 Gästen erhalten. Das wäre ohne starke Partnerschaften – vom Land Burgenland bis zu Unterstützerinnen und Unterstützern aus der Privatwirtschaft – nicht möglich.
In der ersten Juliwoche fand das bereits 2. „Austrian Forum for Peace” statt. Was sind erste Findings aus dieser Konferenz?
Eva Huber: Ziel dieser Konferenz war es, aktuelle Fragestellungen aus Klimapolitik, Konfliktforschung und der praktischen Friedensarbeit interdisziplinär zu beleuchten. Wir haben in den öffentlich zugänglichen Panels und den lebhaften Diskussionen in den geschlossenen Formaten die einhellige Feststellung gesehen, dass auch vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels kriegerische Auseinandersetzungen und die daraus resultierenden Opferzahlen weltweit zunehmen, Konfliktdynamiken komplexer werden und sich Eskalationsspiralen immer unkontrollierbarer drehen. Plattformen für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung sind rar und unterfinanziert. Traditionelle nationale und multilaterale Akteure finden es zunehmend schwierig, diesen Dynamiken entgegenzuwirken und ihre Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten, während neue Akteure und Allianzen in den Vordergrund drängen und eine Reihe grundlegender Fragen für die internationale Mediationstätigkeit auslösen. Die bei der Konferenz anwesenden Expertinnen und Experten von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Organisationen waren sich einig, dass Analysen wie Lösungsansätze zu Klimawandel und Konflikt noch stärker zusammengeführt werden müssen und Kooperation wie Solidarität auf allen Ebenen gefragt sind. Es gibt großen Bedarf an der Entwicklung von konfliktsensitiven Klima-Initiativen und vice versa, an klima-sensitiven Konfliktbearbeitungsprozessen. Konkrete partizipative Ansätze dafür wurden diskutiert.
„Auch vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels nehmen kriegerische Auseinandersetzungen und die daraus resultierenden Opferzahlen weltweit zu, Konfliktdynamiken werden komplexer und Eskalationsspiralen drehen sich immer unkontrollierbarer.“
Eva Huber, stellvertretende Direktorin des ACP
Wo sehen Sie die Möglichkeiten und die Rolle Österreichs zur Vermittlung im Krieg Russlands gegen die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg)?
Ehrmann: Unsere Möglichkeiten sind hier – abseits von humanitärer Hilfe und diplomatischer Unterstützung – sehr eingeschränkt. Als Mitglied der Europäischen Union werden wir hier nicht als unabhängiger und neutraler Vermittler wahrgenommen. Die Rolle der Schweiz wird hier etwas ausgeglichener wahrgenommen, das hat sich auch im Rahmen der Diskussion über den Krieg in der Ukraine gezeigt, die für mich einer der Höhepunkte des Forums heuer war (nachzuhören hier: https://www.aspr.ac.at/podcast#/). Davon sollten wir aber keineswegs ableiten, dass Österreich deshalb auch anderswo darauf verzichten sollte, Frieden zu stiften – im Gegenteil!
In welchen Weltregionen und Konfliktfeldern hat Österreich aus Ihrer Sicht stattdessen langfristig größere Chancen zur aktiven Friedensarbeit?
Ehrmann: Österreich genießt nach wie vor in vielen Teilen der Welt als neutraler Staat und als Staat ohne koloniale Vergangenheit ein Ansehen, das es sehr gut dazu eignet als Vermittler aufzutreten. Das trifft nach wie vor auf Konfliktgebiete im Mittleren Osten und Nord-, Ost- und Westafrika sowie den Südkaukasus zu. An vielen Orten in diesen Teilen der Welt ist Österreich ein gewollter Vermittler; die Frage ist, ob sich Österreich selbst die personellen und finanziellen Ressourcen dafür gibt. Man sieht in vergleichbaren europäischen Ländern wie mit relativ bescheidenen Mitteln hier viel erreicht werden kann.
„Österreich genießt nach wie vor in vielen Teilen der Welt als neutraler Staat und als Staat ohne koloniale Vergangenheit ein Ansehen, das es sehr gut dazu eignet als Vermittler aufzutreten.“
Moritz Ehrmann, Direktor des ACP
Welche Zukunftstrends verfolgen Sie und wie beeinflussen diese Ihre Arbeit?
Huber: Friedenstiften braucht Daten, Vernetzung, Räume für Dialog und es passiert häufig in schwer zugänglichen Gegenden; Technologie kann daher friedensfördernd wirken. „PeaceTech” ist hier ein spannender Weg – das hat uns auch die Konferenz heuer wieder gezeigt. Aber auch im PeaceTech-Bereich wurde deutlich, dass die Entwicklung von Technologien um ihrer selbst willen zwar verlockend ist, aber ständig kritisch hinterfragt werden muss und immer nur in direkter Zusammenarbeit mit der Zielgruppe entstehen sollte: „Do No Harm” als Grundprinzip in der Konfliktbearbeitung muss auch die Verwendung von technologischen Hilfsmitteln einschließen und darauf wird auch in unserer praktischen Arbeit am ACP großen Wert gelegt.
Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an”.