Unsere fünf Fragen gehen diesmal an Walter Posch vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien. Wir haben den Nahost-Experten gefragt, inwiefern sich die US-Politik in Nahost unter dem zukünftigen US-Präsient Donald Trump verändern könnte.

Herr Posch, was bedeutet die bevorstehende Amtsübernahme von Donald Trump für den Krieg in Gaza? Kann Israels Premierminister Benjamin Netanjahu zukünftig mit weniger Kritik aus den USA rechnen?
Zunächst bedeutet die Amtsübernahme Trumps nicht viel für Gaza, weil die israelisch-amerikanische Zusammenarbeit unabhängig von der jeweiligen Regierung ist. Doch folgt man den bisherigen Aussagen Trumps und sieht man die Freude der Regierung Netanjahus, dann ist tatsächlich mit weniger Kritik an Israel zu rechnen. Viel wird tatsächlich davon abhängen, ob die öffentliche Meinung in den USA und im Westen aufgrund der Lage in Gaza sich gegen Israel wendet. Bisher scheint das nicht der Fall zu sein beziehungsweise keinen Einfluss auf die politischen Eliten zu haben. Bidens Drohung, die Militärhilfe zu kürzen, hatte die Israelis jedenfalls nicht beeindruckt und maßgebliche Kreise in den USA scheinen sich mit der zukünftigen Besetzung des nördlichen Gazastreifens durch Israel bereits abgefunden zu haben.

„Dass unter Trump die politische, wirtschaftliche, militärische und diplomatische Unterstützung Israels durch die USA in Gefahr gerät, glaubt niemand.“

Könnte Trump mit Blick auf den Libanon-Krieg im Sinne eines „America first” zur Erkenntnis gelangen, dass die finanzielle und diplomatische Unterstützung Israels und seiner Kriege für die USA auf Dauer zu teuer werden?
Diese Einstellung dominiert tatsächlich die MAGA-Bewegung (Make America Great Again), doch dass unter Trump die politische, wirtschaftliche, militärische und diplomatische Unterstützung Israels durch die USA in Gefahr gerät, glaubt niemand. Und innerhalb der sicherheitspolitischen Kreise der USA gab es seit jeher Stimmen, die eine härtere Gangart gegen die libanesische Hisbollah verlangen und wie die Israelis hoffen, dass libanesische Kräfte selbst gegen die Hisbollah vorgehen. Tatsache ist, dass die Hisbollah bis jetzt Widerstand leisten konnte und mit ihren Raketen sogar Israel angreifen kann. Die USA könnten auch die internationale Gemeinschaft in der Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1701 bestärken, die den Rückzug der Hisbollah in Richtung Norden, weg von der israelischen Grenze vorsieht. Hierzu müsste Israel aber zuerst seine Angriffe auf die libanesischen Bevölkerungszentren einstellen.

Die USA waren in den vergangenen Monaten bemüht, die Eskalation zwischen Israel und Iran zu begrenzen. Könnte unter Trump dieses Bemühen nachlassen und mit seiner Zustimmung der Konflikt Israel-Iran weiter eskalieren?
Das ist wohl die größte Frage, der sich Trump stellen muss. Denn die Eskalation zwischen Iran und Israel ist ohnehin eingehegt, keiner der beiden hat bisher seine Raketenwaffen gegen die Zivilibevölkerung des Gegners eingesetzt. Trump hat sich öffentlich sowohl gegen ein iranisches Atomwaffenprogramm als auch gegen Regimewechsel geäußert, in seiner Personalpolitik jedoch ausgesprochene Falken nominiert, die Iran für alle Probleme im Nahen Osten verantwortlich halten. Anders ausgedrückt, der institutionelle Druck auf den Präsidenten in Richtung Regimewechsel im Iran wird enorm zunehmen.

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Trump wollte in seiner ersten Amtszeit alle US-Soldaten aus Syrien abziehen, am Ende blieben aber rund 900 Soldaten im Land. Könnte Trump nun den endgültigen Abzug einleiten?
Der Abzug oder Verbleib der US-Soldaten in Syrien ist zunächst Verhandlungsmasse mit der Türkei und in geringerem Maße mit dem Irak. Denn die syrische Entität AANES (Rojava) ist mit der Sinjar-Region im Irak verbunden. In beiden Fällen herrschen widersprüchliche Allianzen und Bündnisse. Ein Abzug der USA würde die in Rojava und Sinjar dominierende Fraktion der Kurden deutlich schwächen.

„Der institutionelle Druck auf den Präsidenten in Richtung Regimewechsel im Iran wird enorm zunehmen.“

Unter Trump wurden im Zuge der Abraham-Abkommen Annäherungen zwischen Israel und arabischen Staaten angebahnt. Der Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 hat den Prozess vorerst gestoppt. Könnte dieser Prozess demnächst fortgesetzt werden?
Ein weit verbreiteter Denkfehler im Westen lautet, dass das genannte Abkommen Iran isolieren und aus der Region ausschließen würde. Tatsache ist jedoch, dass Saudi Arabien und die VAE gleichzeitig und im Ausgleich zum Abraham-Abkommen ihre Beziehungen zur Islamischen Republik verbessert haben. Auf Ebene der politischen Elite wurde das Abkommen ja nie aufgehoben, populär war es bei der Bevölkerung nie.

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Quelle©Bundesheer