Oberst Jürgen Pirolt ist Leiter des Handentschärfungszentrums ECMAN (European Centre for Manual Neutralization Capabilities). 2023 war der verdiente Offizier des Österreichische Bundesheeres sogar „Soldat des Jahres”. Seit 2004 ist Oberst Pirolt zudem Ausbildungsverantwortlicher für alle Entschärfer beim Bundesheer. Militär Aktuell sprach anlässlich der Übung „European Guardian 24” mit ihm über die Herausforderungen bei der Handentschärfung von Sprengkörpern und wie sich die Bedrohung durch Bomben in den vergangenen Jahren verändert hat.
Herr Oberst, ECMAN existiert sei 2018. Aber so etwas entsteht ja nicht von heute auf morgen. Wie lange reichen die Wurzeln zurück?
Da müssen wir bis ins Jahr 2010 zurück gehen. Damals wurde das Thema Entschärfung in einem Fachgremium der Europäischen Verteidigungsagentur besprochen und dabei kam die Frage auf, ob wir Handentschärfung beherrschen. Jeder hat genickt und dann gab es ein paar kritische Fragen, bei denen wir uns eingestehen mussten, dass wir viele Dinge nicht konnten.
Wie ging es dann weiter?
Die Europäische Verteidigungsagentur nahm Geld in die Hand und finanzierte 2010 sowie 2011 zwei Ausbildungskurse. Ich nahm an beiden Lehrgängen teil und implementierte das dort vermittelte Fachwissen anschließend national, also beim Bundesheer. In dieser Funktion bildete ich bereits 2011 den ersten österreichischen Handentschärfer aus und nur ein Jahr später, 2012, fand dann die erste internationale Übung für Handentschärfer statt – so wie heute auch. Diese Übung hielten wir in Österreich ab. 2013 führten wir dann den ersten internationalen Kurs durch und der Rest ist Geschichte.
Das heißt, vor der offiziellen Gründung von ECMAN gab es eine Art Vorläuferprojekt, wenn ich Sie richtig verstehe?
Ja, das lief von 2014 bis Ende 2017 und wurde von fünf Nationen finanziert, die von den Österreichern ausgebildet wurden. Der nächste Schritt war dann die Institutionalisierung dieses Ausbildungszentrums, die 2018 erfolgt ist.
Wie kam es, dass Österreich hier federführend war? Hatte das vielleicht auch etwas mit der Expertise, die man aufgrund des Briefbombenattentäters Franz Fuchs hatte, zu tun?
Das hat sicherlich mit eine Rolle gespielt, aber wir hatten einfach ein gutes Ausbildungscurriculum.
Stichwort Ausbildung. Was für Grundvoraussetzungen muss ein Soldat mitbringen, der Handentschärfer werden möchte?
Die Handentschärferausbildung ist quasi der abschließende Teil einer Entschärferausbildung, die insgesamt rund drei Jahre dauert. Ideal ist ein beruflicher technischer Hintergrund, beispielsweise eine HTL oder eine Qualifikation als Elektrotechniker oder Kfz-Mechaniker. Aber das ist nicht zwingend erforderlich. Man muss außerdem mindestens einmal im Auslandseinsatz gewesen sein.
Wie sieht das psychologische Anforderungsprofil aus?
Man muss trotz der großen Gefahr in der wir uns befinden, und des damit verbundenen hohen Stresslevels, ruhig bleiben können, um die Herausforderung anzunehmen. Es gilt, die Daten und Fakten, die wir haben, zu bewerten, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und diese dann umzusetzen für die erfolgreiche Entschärfung.
Inwieweit hat sich die Tätigkeit des Bombenentschärfens in den vergangenen Jahren verändert?
Wenn wir zurück in die 1990er-Jahre gehen, zu den Bomben von Franz Fuchs, lässt sich das gut veranschaulichen. Seine Briefbomen hat er selbst aus Einzelteilen zusammengelötet und seine Schaltkreise konstruiert, er hat getestet ob es funktioniert und auch die Zünder selber gebaut. Er hatte Fachkenntnisse in Elektrotechnik und Chemie. Heutzutage kann man im Internet oder bei einem Elektrohändler ein sogenanntes kleines Circuit Board mit einem Relais kaufen. Da hänge ich auf der einen Seite die Batterie an, auf der anderen Seite den Zünder. Ich brauche kein Grundwissen mehr. Das ist der technische Fortschritt und der andere Faktor ist, dass auch die Terroristen das Internet für sich entdeckt haben. Dort gibt es Bombenbauanleitungen und sogar Verhaltenstipps, wie man wo welche Teile besorgen kann, um unter dem Radar der Behörden zu bleiben.
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