Laut der regierungsnahen türkischen Zeitung Milliyet überlegt Saudi-Arabien, in den 2030er-Jahren das türkische Kaan-Kampfflugzeug (-> Türkischer Kaan wieder in der Luft) von Turkish Aerospace Industries (TAI) zu erwerben, um den Aufbau einer eigenständigen Verteidigungsindustrie voranzutreiben.
Unter der Leitung von Haluk Görgün, dem Leiter der türkischen Defense Industry Agency (SSB), empfingen türkische Beamte dazu kürzlich den stellvertretenden saudischen Verteidigungsminister Khaled bin Hussein Al-Biyari sowie den Kommandeur der saudischen Luftwaffe, Turki bin Bandar Al Saud, zu Gesprächen in Istanbul. Die dreitägigen Verhandlungen zur Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie begannen am 24. Dezember.
Parallel dazu führte der saudische Generalstabschef General Feyyaz bin Hamid er-Ruveyli am 26. Dezember in Ankara Gespräche mit hochrangigen türkischen Verteidigungsbeamten. Dabei tauschten sich Verteidigungsminister Yaşar Güler und Generalstabschef Metin Gürak mit er-Ruveyli über gemeinsame Projekte aus, darunter Kampfjets, Kriegsschiffe, Radarsysteme und Flugkörper.
Ein zentrales Thema der Gespräche war offenbar der mögliche Kauf von bis zu 100 Kaan-Kampfjets der fünften Generation. Riad plant, seine Luftstreitkräfte angesichts regionaler Spannungen zu modernisieren. Traditionell setzt das Königreich auf die in den USA gefertigten F-15-Kampfjets sowie auf den europäischen Eurofighter (-> Nun doch 54 weitere Eurofighter für die Saudis). Seit 2012 blieben jedoch wiederholte Anfragen nach dem Erwerb von Lockheed Martin F-35-Jets der fünften Generation unbeantwortet.
In Anbetracht dieser Einschränkungen prüft Saudi-Arabien nun verschiedene Alternativen mit internationalen Partnern, so Khaled bin Hussein Al-Biyari. Neben dem Kaan stehen auch moderne französische Rafale von Dassault sowie Chinas neues F-35-Pendant, das erstmals auf der Zhuhai Airshow 2024 präsentiert wurde, zur Auswahl. Riad legt jedoch Wert auf ein Abkommen, das substanziellen Technologietransfer und lokale Produktionsanteile garantiert.
Das 2016 gestartete türkische Kampfjet-Projekt verfolgt das Ziel, bis Ende der 2020er-Jahre ein modernes Kampfflugzeug der nächsten Generation in Serie zu produzieren. Nach Angaben von Haluk Görgün plant TAI, im Jahr 2025 einen zweiten Prototyp für Tests einzusetzen.
Im Rahmen eines 1,1-Milliarden-Euro-Projekts wird in Kooperation mit BAE Systems und Rolls-Royce auch die Entwicklung eigener Triebwerke forciert, so das SSB. Die ersten Kaan-Jets sollen zunächst mit F-110-Triebwerken von General Electric ausgestattet werden, bevor sie auf lokal produzierte Triebwerke umgestellt werden, erläuterten türkische Beamte.
Ein zentrales Problem der türkischen Rüstungsindustrie besteht aktuell noch in der Abhängigkeit von ausländischen Triebwerken. Dies birgt Risiken, etwa durch potenzielle US-Sanktionen. Zudem erfordert der Weiterverkauf von Flugzeugen mit F-110-Antrieben die Zustimmung der US-Regierung in Form von Exportgenehmigungen.
Eine mögliche Zusammenarbeit beim Kaan wäre nicht das erste größere Rüstungsgeschäft der beiden Ländern in den vergangenen Jahren. So bestellte Saudi-Arabien im Jahr 2023 beim führenden türkischen Drohnenhersteller Baykar um rund drei Milliarden Euro Akinci-Angriffsdrohnen. Haluk Bayraktar, der CEO von Baykar, bezeichnete das Abkommen damals als „den größten Rüstungs- und Luftfahrtexportvertrag in der Geschichte der Türkischen Republik”.
Diese Beschaffung ist ebenso wie der mögliche Ankauf des Kaan durchaus bemerkenswert, da die Beziehungen zwischen Ankara und Riad nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat des Königreichs seit 2018 belastet waren.