Der heimische Sicherheits- und Verteidigungssektor ist besser als sein Ruf. Wir haben mit Reinhard Marak, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Sicherheit & Wirtschaft in der Wirtschaftskammer, über Gegenwart und Zukunft der Branche gesprochen.
Herr Marak, ist der Eindruck richtig, dass sich der österreichische Sicherheits- und Verteidigungssektor nach dem Niedergang in den 1980er- und 1990er-Jahren nun beständig aufwärts entwickelt?
Dieser Eindruck täuscht nicht ganz – in den vergangenen fünf Jahren weisen die Unternehmen des Sektors eine Wachstumsrate von immerhin 28 Prozent auf. Inzwischen zählt das Segment rund 130 Unternehmen, von denen 100 in unserer Arbeitsgemeinschaft organisiert sind. 90 Prozent dieser Unternehmen sind KMU und Zulieferer von Komponenten wie Elektronik oder Kommunikation, allesamt sind sie äußerst wettbewerbsfähig und decken fast das gesamte Spektrum der Militär- oder Polizeibedürfnisse ab.
Angeblich könnte das Bundesheer einer neuen Untersuchung zufolge einen Großteil seines Materialbedarfs ausschließlich bei heimischen Anbietern abdecken?
Basierend auf dem Generalstabsbericht von 2017 und dem von Ex-Minister Starlinger im vergangenen Jahr veröffentlichten Bericht über den Investitionsrückstau und die Materialnöte beim Bundesheer, haben wir unter unseren rund 100 assoziierten Mitgliedsunternehmen gefragt, inwieweit verfügbare Technologien und Produkte aus ihrem Portfolio diese Anforderungen erfüllen können. Die Antworten haben sogar uns überrascht: Im Bereich der geschützten Mobilität könnten inländische Anbieter erstaunliche 92 Prozent des Bedarfs abdecken, bei der Soldaten-Ausrüstung sind es 90 Prozent, bei der allgemeinen Mobilität 87 Prozent und bei den Luft-Überwachungskomponenten immerhin 50 Prozent. Unter dem Strich könnten unsere Mitglieder rund 70 Prozent der benötigten Fähigkeiten liefern.
Wurde auch untersucht, wie groß bei Aufträgen bei heimischen Herstellern die Rückflüsse in den Staatshaushalt sind?
GDELS-Steyr hat das im Zusammenhang mit dem Auftrag über 34 neuen Pandur EVO durch das Bundesheer gemacht. Demnach laufen vom Auftragswert von 105 Millionen Euro rund 20 Prozent als Umsatzsteuer retour ins Budget und 30 Prozent als Lohnsteuer aus den Gehältern der Mitarbeiter. Es gibt auch noch weitere kleinere Rückflüsse, unter dem Strich refinanzieren sich die Ausgaben für den Staat zu mehr als 50 Prozent.
Inwieweit sind die Kriegsmaterial-Exportgesetze Österreichs ein Wettbewerbsnachteil für heimische Hersteller?
Grundsätzlich handeln alle europäischen Unternehmen entsprechend dem europäischen Code of Conduct für Waffenausfuhren, allerdings werden diese in den Ländern unterschiedlich ausgelegt. Es gibt daher Märkte, für die Österreich keine Exportlizenz zulassen würde, während andere – wie etwa Frankreich, die Tschechische Republik oder die Slowakei – dies sehr wohl tun. Allerdings wurde das Exportprozedere im Vergleich zu früher definitiv berechenbarer und es wird rascher abgewickelt. In diesem Zusammenhang würde ich gerne mit einem Vorurteil aufräumen: Die Öffentlichkeit glaubt, dass wir und die anderen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsfirmen von sich zuspitzenden Konflikten profitieren. Allerdings ist das Gegenteil der Fall: Wenn das Risiko gegeben ist, dass unsere Produkte Kämpfe und Auseinandersetzungen befeuern könnten, schließt sich dieser Exportmarkt für uns. Dann übernehmen außereuropäische Akteure wie China oder Russland den Markt.
Können Sie abschließend einen Ausblick auf die Zukunft des Sektors geben?
Die meisten europäischen Staaten haben zuletzt die Relevanz von Sicherheit und
Verteidigung wiedererkannt. Es wurden ein Europäischer Verteidigungsfonds und eine Generaldirektion für die Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie eingerichtet, mithilfe von PESCO soll mehr in die Verteidigung investiert werden. Es wäre wünschenswert, wenn sich Österreich mehr an diesem Trend orientieren könnte und der Investitionsanteil beim Bundesheer deutlich steigen würde. Das würde unserem Sektor enorm helfen, davon würde aber auch die europäische Sicherheit profitieren. Denn niemand sollte glauben, dass alle um uns herum für immer Freunde und Partner sein werden. Nationen haben primär Interessen, keine Freunde.
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