Das Bundesheer will die Alouette III-Nachfolge bekanntlich mit zwölf neuen leichten Mehrzweckhubschraubern und sechs typengleichen Schulhubschraubern regeln. Dabei scheint man ein sogenanntes Government-to-Government-Geschäft anzustreben, also direkt bei einer ausländischen Regierung kaufen zu wollen. Trotzdem wird es natürlich ohne Involvierung der Hersteller nicht gehen, viele Details wissen – so erzählten uns in den vergangenen Jahren mehrere Manager – noch so gut gebriefte Regierungsbeamte schlichtweg einfach nicht.
Nach mehrmaligen Verschiebungen in der Vergangenheit könnte ein Typenentscheid Militär Aktuell-Informationen zufolge noch Mitte August fallen. In Frage kommt dabei neben dem Modell 429 des US-Herstellers Bell-Textron und dem Leonardo AW169M auch der H-145M, den Hersteller Airbus Helicopters am 28. Juli in Wiener Neustadt präsentiert hat. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um mit Programmdirektor Mark Henning – einem gebürtigen Österreicher – über das Gerät und dessen Alleinstellungsmerkmale zu sprechen.
Herr Henning, gleich in medias res. Wir kennen uns schon einigen Jahren, hatten Sie bereits Gelegenheit unsere neue Verteidigungsministerin kennenzulernen? Wie ist der Kontakt zur Amtsseite?
Nein, ich hatte leider noch nicht das Vergnügen und leider gibt es auch keinen aktuellen Kontakt auf dieser Ebene. Wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen in Österreich daher hauptsächlich aus den Medien. Wir haben natürlich hierher eingeladen, gekommen ist vom Bundesheer aber leider niemand (*siehe unten). Ich sage aber immer, es darf – auch juristisch – keine Sippenhaftung geben. Denn wir von der Hubschrauber-Sparte haben gar nichts mit den Eurofightern zu tun, weder personell noch örtlich. Die beiden Geschäftsfelder haben nichts gemein, zudem hat Airbus heute ein robustes und transparentes Compliance-System. In der Eurofighter-Jagdflugzeug GmbH sind außerdem vier internationale Hersteller vereint, die auch wieder diverse Geschäftsfelder haben. Warum gibt es kein Problem mit diesen anderen Firmen, wie zum Beispiel Leonardo?
Zum Gerät. Wieso wäre der H-145M aus Ihrer Sicht für den Ersatz der über 50 Jahre alten Alouette-Veteranen prädestiniert?
Weil es zunächst ein neues, aber zugleich auch schon breit eingeführtes Gerät ist. Die Musterzulassung der EASA (Anm.: Europäische Luftfahrtbehörde) erfolgte nach vierjähriger Entwicklungszeit im April 2014 und inzwischen fliegen weltweit rund 300 Maschinen, davon etwa 60 bei militärischen Betreibern unter anderem in drei Nachbarländern Österreichs (Anm.: Deutschland, Serbien und Ungarn). Weiters werden mit dem HELIONIX-Cockpit und dem Vier-Achsen-Autopilot für die Besatzungen ganz neue Standards gesetzt. Der Pilot erhält alle wichtigen Parameter auf einem gewählten Schirm angezeigt, während die Bordcomputer im Hintergrund alle wichtigen Systeme automatisch überwachen und sich nur melden, wenn es etwas Systemrelevantes gibt. Der H-145M kann – in den Anden nachgewiesen und für Österreichs Topographie relevant – bis zu 7.000 Meter hoch fliegen, er ist der leiseste seiner Klasse und die „Direct Operating Costs” liegen laut internationaler, unabhängiger Rating-Bewertung mit 1.113 US-Dollar (rund 950 Euro) pro Flugstunde deutlich unter jenen der Konkurrenz.
Alle zur Debatte stehenden Muster sind im Grunde zivile Designs. Wir suchen aber einen Militärhubschrauber, inklusive Bewaffungsoption. Wie ist das beim H-145M? Was kostet diese Option?
Für die militärische Ausrüstung bietet Airbus das Modulsystem „H-Force” mit vier Varianten an, Sie haben das vor zwei Jahren in Ungarn in Demonstration gesehen. Wobei die Option „0” nicht bedeutet, dass es keine Bewaffnung gibt. Gemeint ist damit die gesamte für Außenlasten nötige Verkabelung und die Einbauvorbereitung für den Waffenrechner. Das macht nur wenige tausend Euro pro Maschine aus und wird von uns jenen Behördenkunden empfohlen, bei denen das nicht die Hauptrolle ist. Darauf aufbauend können jederzeit die Pakete „1”, „2” oder „3” ein- oder nachgerüstet werden, mit diversen Rohrwaffen und Flugkörpern beziehungsweise elektro-optischen/infrarot-Sensoren. Das „schwerste” Paket addiert etwa 25 Prozent zum Basispreis – trotzdem kann auch ein so ausgestatteter Hubschrauber in nur wenigen Minuten zu einem Rettungshubschrauber umgerüstet werden.
Bei der heutigen Präsentation sind auch einige heimische „Ausstatter” als Partner von Airbus-Helicopters präsent. Wen haben Sie mit an Bord?
Wir haben fünf, in ihrer Nische oder Sparte ausgezeichnete, österreichische Partnerunternehmen mit im Boot: Scotty, Schiebel, Fire Kraft, AMST und AAT. Diese Unternehmen kooperieren mit uns bei Satellitenverbindungen, Drohnensteuerung, Simulatoren oder Notfallmedizin-Ausrüstung. Lassen Sie mich hier noch anmerken, dass die österreichische Luftfahrtindustrie mit rund 5.500 Beschäftigen und einem Exportanteil von 95 Prozent etwa 1,8 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaftet. Davon entfallen laut WKO und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur rund 500 Millionen Euro auf den Airbus-Konzern.
Sie haben heute auch das neue „Prunkstück” von Airbus Helicopters vorgestellt, den H-145M mit neuem Fünfblatt-Rotor. Was bringt diese Modifikation? Ich schätze, vor allem weniger Vibrationen …
Nicht weniger, eigentlich gar keine. Es fühlt sich wie in einem Airliner an, allerdings konnten wir mit dem Fünfblatt-Rotor ohne weitere Zellenmodifikationen eine Nutzlaststeigerung von 150 Kilogramm erreichen. In „unserer Welt” ist das ein gewaltiger Sprung. Aufgrund des großen weltweiten Erfolges der H-145-Serie entschloß sich Airbus Helicopters 2016 einen neuen und im Design durchaus revolutionären Hauptrotor zu integrieren. Eben mit dem Ziel erhöhter Nutzlast und unerreichtem Flugkomfort für die Besatzungen. Jenes neueste Modell besitzt überhaupt keinen klassischen Rotorkopf mehr und kann tatsächlich mehr transportieren als er leer wiegt (Anm.: Leergewicht 1.895 Kilogramm, Nutzlast 1.905 Kilogramm). Nach allen erfolgreich absolvierten Flugtestkampagnen erteilte die EASA uns erst am 16. Juni dieses Jahres die Musterzulassung für den Fünfblatt-Rotor. Diverse Betreiber haben seither bereits für 83 Maschinen die entsprechende Umrüstung bestellt.
*) Laut Bundesheer-Sprecher Michael Bauer sei es „klar, dass man während eines laufendes Beschaffungsprozesses an keiner Firmenpräsentation teilnimmt. Eine Übersicht der Produkte, die am Markt erhältlich sind, ist bei unseren Fachleuten ohnehin bekannt.” Ähnliches erfuhren wir auf Anfrage aus dem Ministerbüro: „Wenn, dann werden wir nicht direkt vom Hersteller kaufen, sondern von Regierungen, also einen sogenannten ‚Government-to-Government-Deal’ anstreben.” Daher sei diese Präsentation einer Herstellerfirma irrelevant gewesen, die Ministerin habe Fachleute, die bereits entsprechend informiert seien.
Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an” und hier zu weiteren Meldungen rund um Airbus Helicopters (Airbus Defence and Space).