Das Bundesheer hat beim schwedischen Hersteller Saab bereits mehrfach Duellsimulatoren beschafft und kürzlich den Ankauf weiterer Systeme im Wert von zehn Millionen Euro bekanntgegeben. Ein Gespräch mit Hans Lindgren, Leiter der Geschäftsentwicklung bei Saab Training & Simulation (Saab T&S) über die Anforderungen an gute Simulations-Lösungen.
Herr Lindgren, was muss ein guter Gefechtssimulator in jedem Fall können?
Bei Live-Gefechtsausbildung geht es immer um die Vermittlung eines höchstmöglichen Realismusgrades – bevor dieses Erleben mit seinen ganzen Unsicherheiten und Überraschungen erstmals im Einsatz gemacht werden muss. Und das zusammen mit deiner Jägergruppe und mit den Fahrzeugen deines Zuges. Erst wenn der Realismusgrad hoch ist, wird auch ein sofortiges und faktenbasiertes Feedback möglich und das ist für Lernprozesse auf allen Ebenen unerlässlich. Alle an einem entsprechenden Training teilnehmenden Soldaten und Fahrzeuge verfügen über Sensoren, die Treffer dokumentieren, über Laser für das eigene Feuer sowie Echtzeit-Datenaustausch über Radio. Damit werden Waffeneinsatz und Waffenwirkung in Echtzeit dargestellt und zwar mit der eigenen Waffe, aber ohne scharfen Schuss.
„Bei Live-Gefechtsausbildung geht es immer um die Vermittlung eines höchstmöglichen Realismusgrades.“
Saab T&S kann all das auf allen Ebenen abdecken?
Ja, das können wir. Es hat aber viele Jahre gedauert, um dorthin zu kommen und die Notwendigkeit allen Bedarfsträgern zu vermitteln. Unsere Systeme können heute für alle Arten von Live-Übungen auf allen Ebenen zum Einsatz kommen – also auf Fahrzeug-Rohrwaffen und Sturmgewehren, aber auch auf Maschinen- und Scharfschützengewehren. Das ist wichtig, sowohl für die reale Erfahrung des einzelnen Soldaten und die Besatzung eines Fahrzeugs im Gelände als auch für Übungen des urbanen Gefechts. Die dabei gesammelten Erfahrungen bilden wichtige Grundlagen und Analysen zum Weiterbilden der Kommandanten größerer Verbände und auf höherer Ebene. Da konnten wir in den vergangenen Jahren viele Fortschritte erzielen, die es nun weiter auszubauen gilt.
Werden die entsprechenden Geräte und Sensoren bei Saab T&S nur in Schweden gefertigt oder auch bei Partnern in anderen Ländern?
Die Entwicklung und der größte Teil der Produktion erfolgt in Huskvarna in Schweden, während der Hauptteil der Komponenten für das virtuelle Indoor-Training aus unserem Standort Slavkov in der Tschechischen Republik kommt.
Es gibt unter eurem Simulations-Dach also mehrere Produktsegmente?
Wir unterscheiden in unserem Portfolio vier große Bereiche: 1) Laserbasiertes Live-Training draußen im Gelände mit Sensoren, Detektoren und Retroreflektoren, Datenübertragung und einem Zielrechner. 2) Virtuelle Zieldarstellung für scharfes Training mit echter Munition. 3) Virtuelles Indoor-Training und 4) Service und Support für die drei genannten Bereiche vor Ort. Wir haben aktuell in 15 dedizierten Simulationsanlagen Operationen laufen, zwei davon in Schweden, elf in Rest-Europa und je eine in den USA und in Kanada. Was das mehr oder weniger überall herstellbare Live-Training betrifft, sind wir mittlerweile sogar in 21 Ländern und Streitkräften in Europa und sechs in Nord- und Südamerika vertreten. In Orlando, Florida, gibt es übrigens auch eine eigene Saab T&S-Niederlassung, weil der wichtige Einzelkunde US Army dort sein Land-Simulationszentrum hat.
Verfolgen die unterschiedlichen Streitkräfte bei ihren Live-Trainings alle dieselben Ziele, Trainingsinhalte und den gleichen Fokus bei den Waffengattungen?
Keineswegs, die Inhalte sind völlig unterschiedlich. Manche wollen Trainings für Infanteriewaffen, andere fokussieren lieber auf Kampffahrzeuge oder sie wollen die Panzerbekämpfung durch Infanteriekräfte mit diversen Einmann-Panzer- und Bunkerfäusten trainieren oder eben alles in Kombination.
Kurz zur Technik: Die Simulationssysteme basieren alle auf Laser?
Nicht alle. In echten Szenarien kommt es neben Feuerkämpfen in direkter – mitunter auch sehr weiter – Sichtlinie, auch zum Einsatz indirekter Flächen-Wirkmittel wie Artillerie oder Granatwerfern. Um diese simulieren zu können, setzen wir neben Laser auch auf georeferenzierende Mittel. Damit sind kleinere isolierte Übungen etwa für 120 Teilnehmer über Entfernungen von zwei bis vier Kilometer und mit Energieversorgung für zehn Stunden möglich, aber mit eigenem Feldkraftwerk und 4G-Sende-/Empfangsanlage mit 30-Meter-Masten auch vernetzte Großübungen mit bis zu 10.000 Teilnehmern über Entfernungen von bis zu 15 Kilometer. Abhängig von den Kundenwünschen und den zur Verfügung stehenden Budgets können wir praktisch alle Anforderungen realisieren. In Verbindung mit einem Verwundbarkeitsmodell für das jeweilige Waffensystem wird auch die Waffenwirkung dargestellt. Je nach Munition und Trefferlage kann diese ohne Wirkung sein, aber auch den Teilausfall von Systemen wie Feuerleitrechnern bis zum Totalausfall einer Vielzahl unterschiedlicher Zustände zur Folge haben. Diese Auswirkungen werden optisch und akustisch angezeigt und für die spätere Auswertung und Nachbesprechung aufgezeichnet. Wir können sogar darstellen, ob es Verwundete gibt und wie schwer diese verletzt sind, was dann wiederum eine Evakuierung und den Einsatz von SAR- oder MEDEVAC-Teams notwendig machen kann, inklusive Deckung und allen Folgewirkungen. Da lassen sich viele Facetten darstellen, ganz so wie bei echten Einsätzen.
Inwiefern sind die Systeme vernetzbar, wenn eine Armee – wie in vielen Ländern Osteuropas – neben westlichen Systemen auch russische oder Eigenbauwaffen im Inventar hat?
Das ist kein Problem, wir müssen sowieso für jede Kundenwaffe eine digitale Replika kreieren, mit deren spezifischen Charakteristika. Diese Mischung findet sich übrigens nicht nur in Osteuropa, auch Finnland betreibt beispielsweise neben seinen Leopard-Panzern auch russische T-72 und bei uns in Schweden hatten wir eine Zeit lang russische BMP-3 im Dienst.
„Es ist mit dem Verteidigungsinisterium vereinbart, dass der Zulauf der Geräte im kommenden Jahr beginnt und wir werden diesen Zeitplan auch einhalten.“
Vor diesem Hintergrund haben Sie 2019 gegenüber Janes Defence erwähnt, dass es um euer Simulationsmodell eine internationale Partnerschaft diverser Nutzer gibt. Wie geht das und wer ist da dabei?
Richtig, einige unserer Kunden haben 2008 eine Vereinbarung getroffen, in der sie sich in Bezug auf die von uns beschafften Trainingsoberflächen im Rahmen einer „Interoperability User Community” (IUC) auf ein gemeinsames Interface verständigten. Sie sind alle Mitglieder der sogenannten „Gamer-Familie” und nutzen das modulare Trainingssystem von Saab, um vollständig interoperabel zu werden. Dadurch kann man beispielsweise Soldaten aus den USA nach Schweden schicken und sie können dort zusammen mit norwegischen oder finnischen Kameraden per Plug-and-Play in derselben Gefechtsumgebung bis hinauf auf Bataillonsebene trainieren und auch evaluiert werden. Österreich war bei dieser Vereinbarung übrigens von Beginn an dabei. Der jüngste IUC-Partner von nunmehr 16 ist Belgien.
Sie erhielten zu Jahresbeginn einen neuen, zehn Millionen Euro schweren Auftrag aus Österreich. Wann sollen die Simulationselemente für die Waffenstationen von Pandur, Dingo, Husar und Hägglunds geliefert werden?
Es ist mit dem Verteidigungsinisterium vereinbart, dass der Zulauf der Geräte im kommenden Jahr beginnt und wir werden diesen Zeitplan auch einhalten.
Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Saab.