Viele Verbände des Bundesheeres unterhalten Partnerschaften mit Unternehmen, Kommunen und Bildungseinrichtungen. Welche Vorteile ergeben sich daraus? Wie werden die Partnerschaften gelebt? Und was hat all das mit der „Umfassenden Landesverteidigung” zu tun? Militär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias bat Oberst Stefan Kirchebner, Christoph Neumayer, Karl Hofbauer und Heidi Marie Steinwender zum Gespräch.
Herr Oberst, erklären Sie uns zu Beginn bitte: Warum setzen das Bundesheer und das Verteidigungsministerium auf mehr als 100 Partnerschaften?
Oberst Stefan Kirchebner: Die Partnerschaften sind seit Jahrzehnten ein entscheidendes Puzzleteil, wenn es um die „Umfassende Landesverteidigung” geht. In einem Staat hängt bekanntlich alles mit allem zusammen und die verschiedensten Institutionen und Organisationen haben unterschiedlichste Aufgaben. Die Aufgabe des Bundesheeres ist die „Militärische Landesverteidigung”. Aber um diese nicht zum Selbstzweck werden zu lassen, braucht es natürlich Brücken in die Gesellschaft – und zwar in alle Bereiche. Frau Bundesministerin Klaudia Tanner betont stets die Bedeutung der „Umfassenden Landesverteidigung” für eine ganzheitliche Sicherheit zur Stärkung der Resilienz unseres Staates.
„Partnerschaften sind eine große Chance, um das Bundesheer wieder verstärkt in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.“
Christoph Neumayer, Industriellenvereinigung
Und die Partnerschaften sind solche Brücken?
Kirchebner: Ganz genau. Die Partnerschaften ermöglichen zunächst einmal einen Austausch und ein Kennenlernen oft auch auf informeller Ebene. Jeder kann dabei von jedem etwas lernen – und genau deshalb ist es unser Ziel, mit möglichst vielen hochwertigen Kooperationen so viele Bereiche wie möglich abzudecken: Unternehmen, die unsere Versorgung sicherstellen und mit ihren Arbeitsplätzen den sozialen Frieden sichern. Bildungseinrichtungen, die mit ihrer Arbeit die „Geistige Landesverteidigung” unterstützen und Vereine und Gemeinden, die direkt in die Gesellschaft wirken. Dabei denken wir lokal, regional und österreichweit. Nur wenn wir alle an einem Strang ziehen und Stärken bündeln, werden wir auch mehr Bewusstsein für die „Umfassende Landesverteidigung” schaffen und diese stärken können. Das gemeinsame Ziel muss die Entwicklung eines resilienten Staates sein.
Christoph Neumayer: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Industriellenvereinigung unterhält mit der Garde seit mittlerweile 44 Jahren eine Partnerschaft, die ein ganz klares Bekenntnis zur „Umfassenden Landesverteidigung” ist. Der Staat Österreich hat viele Fundamente und ein ganz entscheidendes ist eine funktionierende und gut ausgestattete Landesverteidigung. Dazu gehört aber auch, dass wir als Wirtschaftsstandort mithelfen, den geschaffenen Wohlstand zu sichern und wie vom Herrn Oberst angesprochen den Staat resilient zu machen – und dabei muss man auch über die Grenzen hinausdenken.
Inwiefern?
Neumayer: Die Rolle, die das Bundesheer im Inland leistet, ist eine sehr wichtige. Fast ebenso wichtig ist aber auch die Rolle, die es im Ausland spielt und dabei denke ich insbesondere an den Westbalkan, wo das Bundesheer ganz entscheidend zur Friedenssicherung beiträgt. Was oft vergessen wird: In dieser Region gehört Österreich zu den Top-Investoren.
Karl Hofbauer: Die „Umfassende Landesverteidigung” ist letztlich die Einbindung unterschiedlichster Stakeholder und Fähigkeiten in die Verantwortung der Gesellschaft, um unter dem Strich gemeinsam ein Mehr an Sicherheit zu erzeugen. Und dabei ist es oft schon von entscheidender Bedeutung, sich „nur” auszutauschen und Bewusstsein dafür zu schaffen, wie die Abläufe in den unterschiedlichsten Bereichen sind. Für das Bundesheer ist es interessant, wie Strukturen in der Privatwirtschaft aufgebaut sind und wie man dort zu Entscheidungen kommt. Umgekehrt ist viel zu wenig bekannt, wie professionell es beim Bundesheer abläuft. Da lässt sich viel voneinander lernen.
„Wenn wir alle an einem Strang ziehen, werden wir mehr Bewusstsein für die ,Umfassende Landesverteidigung‘ schaffen.“
Oberst Stefan Kirchebner, Bundesheer
Wie läuft das dann im Detail? Wie werden die Partnerschaften im Alltag gelebt?
Heidi Marie Steinwender: Das ist sehr unterschiedlich und immer von den Rahmenbedingungen abhängig. Um ein Beispiel zu geben: Wir sind seit 2007 mit der Heeresbekleidungsanstalt verpartnert und im Rahmen dieser Partnerschaft waren Studierende von uns unter anderem in die Entwicklung der neuen Tarnmuster und Kampfanzüge des Bundesheeres involviert. Seit 2013 arbeiten wir nun eng mit der Direktion 6 IKT & Cyber zusammen. Seither haben sich Mitarbeiter der Direktion bei uns fortgebildet, andere unterrichten inzwischen nebenberuflich bei uns. Die Direktion hilft uns bei Diplomprojekten und mit Sommerpraktika, sie hat mit ihrer Expertise die Ausarbeitung unseres Schulstandortkonzepts für einen Blackout-Fall unterstützt, wir arbeiten gemeinsam an Softwareprojekten, unsere Developer entwickeln aktuell gemeinsam mit der Öffentlichkeitsarbeit der Direktion ein Cyber-Awareness-Spiel, Formularwesen und Funkservice werden ebenso gerade bearbeitet. Das Interesse am Cybergrundwehrdienst konnte am Schulstandort deutlich erhöht werden.
„Wir haben aus unserer Partnerschaft mit der Direktion 6 IKT & Cyber einen vielfältigen wechselseitigen Nutzen.“
Heidi Marie Steinwender, HTL Spengergasse
Die Partnerschaft wird also intensiv gelebt?
Steinwender: Durchaus. Wir haben ja auch einen vielfältigen wechselseitigen Nutzen und daher wollen wir die Partnerschaft auch weiter forcieren.
Hofbauer: Wir unterhalten seit 30 Jahren eine Partnerschaft mit dem ABC-Abwehrzentrum, die früher inhaltlich nicht immer so intensiv gelebt wurde. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben aber sehr anschaulich gezeigt, welchen Wert unsere Partnerschaft hat – und welchen Mehrwert sie im Ernstfall haben kann. Während Covid hat uns das Bundesheer beispielsweise sehr rasch und hochprofessionell mit Tests unterstützt und uns dadurch ermöglicht, den Betrieb weiter aufrechtzuerhalten. Wir haben in der Zwischenzeit auch gemeinsame Krisenszenarien und Notfallpläne etwa für den Fall eines Blackouts ausgearbeitet und umgekehrt können auch wir auf vielen Ebenen wichtige Inputs geben.
Neumayer: In den vergangenen drei bis vier Jahren ist das Grundverständnis dafür gewachsen, dass Sicherheit kein Selbstverständnis ist. Die Expertisen des Bundesheeres haben dadurch massiv an Wert gewonnen und das ist auch gut so. Wir müssen verstehen, dass wir Teil eines großen geopolitischen Spiels sind, in dem es um Resilienz und Abhängigkeiten, aber auch um technologische und innovatorische Fähigkeiten geht. Um Schlüsselindustrien wie unsere Halbleiterproduktion und letztlich um Standortsicherheit – und dafür ist das Bundesheer ein entscheidender Faktor.
Hofbauer: Bis vor Kurzem hatte das Bundesheer in vielen Gesellschaftsbereichen keinen besonders hohen Stellenwert. Das hat sich nun geändert. Es wird in die Ausstattung investiert und jetzt gilt es auch die Arbeitsplätze beim Heer so interessant zu gestalten, dass Menschen dort gerne arbeiten, und möglicherweise können sie das dort gelernte Know-how später auch in die Privatwirtschaft einbringen.
Neumayer: Dafür muss man aber klarer kommunizieren, welche Kompetenzen man beim Bundesheer erwerben und dann auch im Zivilleben einsetzen kann. Es gibt international viele Beispiele, wo das sehr gut funktioniert. Wo es völlig normal ist, dass Karrierewege vom Heer in die Privatwirtschaft und möglicherweise wieder zurückführen. Wo Kompetenzen dem Heer auch nach einem Wechsel in die Wirtschaft über die Miliz erhalten bleiben. Da wäre auch in Österreich unglaublich viel möglich und ich glaube, dass man das auch erkannt und bereits erste Schritte in die richtige Richtung gesetzt hat.
Kirchebner: Wir sehen dieses Potenzial und wollen genau da auch den Hebel ansetzen. Gerade auch mit Blick auf die Miliz konnten wir auf Initiative unseres Milizverantwortlichen Generalmajor Erwin Hameseder zuletzt bereits viele Verbesserungen anstoßen und umsetzen.
Steinwender: Man sollte auch nicht unterschätzen, welchen Beitrag die Partnerschaften leisten können, wenn es darum geht, Hemmschwellen und Berührungsängste dem Militär gegenüber abzubauen. Wir durften zuletzt am Tag der Schulen mit der Direktion 6 am Hof Diplomprojekte präsentieren, die Schülerinnen und Schüler waren begeistert. Sie bekamen in vielen Gesprächen mit Mitarbeitern der Direktion Einblicke in die Arbeit und die Abläufe dort. Am alljährlichen Firmeninfotag an der Spengergasse ist das Bundesheer Publikumsmagnet.
„Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, welchen Mehrwert Partnerschaften haben können.“
Karl Hofbauer, Raiffeisen Ware Austria AG
Wovon hängt die Intensität einer Partnerschaft ab?
Hofbauer: Von vielen Dingen, ganz entscheidend aber vom Engagement der involvierten Partner und der handelnden Personen, die bereit sind, die Partnerschaft auch mit Inhalten zu füllen.
Kirchebner: Diese Personen sind es, die letztlich definieren, wie groß und stark die eingangs beschriebene Brücke ist und wie sehr sie auch befahren wird. Projekte, die über den reinen geistigen Austausch hinausgehen, werden im Einzelfall konkretisiert und auf die rechtlich notwendige Basis gestellt. Dabei ist das Thema Freiwilligkeit ganz wichtig.
Neumayer: Wichtig ist auch, dass die Partnerschaften Chefsache sind. Nur wenn sie von der Führung getragen werden, funktionieren sie auch in den weiteren Ebenen, bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wie lassen sich Partnerschaften in Zukunft noch enger gestalten und mit noch mehr Leben füllen?
Steinwender: Wir müssen die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit noch mehr in den Vordergrund rücken und mit positiven Erlebnissen verbinden. Die Voraussetzungen dafür sind prinzipiell ideal: Ich kenne beispielsweise kein anderes Unternehmen mit einer derart großen positiv empfundenen Corporate Identity.
Kirchebner: Dafür wird es viele kleine Schritte brauchen, aber den entscheidenden Prozess dahingehend haben wir bereits angestoßen. Es gibt jetzt beim Österreichischen Bundesheer auf Initiative von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner auf allen Ebenen einen Wandel im Denken, den wir „Mission Vorwärts” nennen. Dabei geht es nicht nur um Visionen, Investitionen und neues Gerät, sondern auch um den Geist innerhalb des Bundesheeres und innerhalb der Miliz und letztlich auch um die Partnerschaften, die uns dabei helfen, Verständnis für das Bundesheer aufzubauen und uns noch breiter aufzustellen.
Neumayer: Die Partnerschaften sind idealerweise Plattformen des persönlichen Erlebens und damit auch des Imagetransfers. Insofern sind sie auch eine große Chance, um das Bundesheer wieder verstärkt in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Nun muss man diese Chance aber auch nutzen und die Partnerschaften sind dafür sicherlich ein guter Schuhlöffel.
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