In der Arbeit „Drohnen in der modernen Kriegsführung: Lektionen aus dem Krieg in der Ukraine” hat Oleksandra Molloy, leitende Dozentin für Luftfahrt an der Universität von New South Wales, zwölf Drohnen-Lektionen aus dem Ukraine-Krieg (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) für das Australian Army Research Centre zusammengefasst.
Lektion #1: UAV verändern den Charakter der Kriegsführung
Eine der wichtigsten Lehren aus dem Krieg in der Ukraine ist, dass die billigen und allgegenwärtigen unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) eine wichtige Rolle in der Kriegsführung spielen, sowohl auf der taktischen als auch auf der operativen Ebene. Sowohl die Ukraine als auch Russland setzen Drohnen für verschiedene Zwecke ein, von der Sammlung von Echtzeitbildern und nachrichtendienstlichen Informationen bis hin zu Kamikaze-Angriffen und Angriffen aus großer Entfernung.
Lektion #2: UAV werden immer eigenständiger
Derzeit sind Taktik, Ausbildung und Führungsmodelle militärischer Institutionen auf Menschen ausgerichtet, wobei die Maschinen unter enger menschlicher Kontrolle stehen. Doch dieses Verhältnis wird sich bald ändern: Unbemannte Systeme werden zunehmend eigenständig agieren und mit Menschen kooperieren, anstatt nur als Werkzeuge eingesetzt zu werden.
Lektion #3: Die Verbreitung von kleinen Drohnen steigt
Der Krieg in der Ukraine verdeutlicht die entscheidende Rolle kleiner Drohnensysteme. Große Drohnen, wie etwa die Bayraktar TB2 (-> 1 Millionen Flugstunden: Meilenstein für Bayraktar TB2), verlieren ihre Effektivität, sobald Gegner ihre Luftabwehr- und elektronischen Kriegssysteme (EW) erfolgreich integrieren. Diese großen Systeme sind anfälliger für Flugabwehrsysteme mit großer Reichweite sowie für elektronische Störmaßnahmen, was ihren Einsatz ohne Luftüberlegenheit stark einschränkt. Zudem sind sie teuer, schwer zu ersetzen und decken nicht alle Einsatzgebiete ab.
Im Gegensatz dazu bieten Kleindrohnen erhebliche Vorteile: Ein einzelner Soldat kann mit ihnen Informationen sammeln, Ziele aufklären und Angriffe koordinieren, Aufgaben, die normalerweise größere Teams erfordern würden. Diese Systeme sind kostengünstiger, schwerer zu entdecken und einfacher zu ersetzen, wodurch sie sich als unverzichtbare Werkzeuge moderner Konflikte etabliert haben.
Lektion #4: UAV können (und haben) Menschenleben gerettet
Drohnen ergänzen den Menschen auf dem Schlachtfeld, anstatt ihn vollständig zu ersetzen, und verlagern dabei gefährliche Aufgaben auf Maschinen. Diese Entwicklung reduziert das Risiko für Soldaten und trägt dazu bei, Menschenleben zu schützen. Drohnen zeichnen sich durch eine überlegene Ausdauer aus, da sie länger und ohne Einschränkungen durch menschliche Erschöpfung operieren können. Dadurch bieten sie in unterschiedlichen Missionen konstante und zuverlässige Leistungen, die den Anforderungen moderner Konflikte gerecht werden.
Lektion #5: Drohnen werden domänenübergreifend eingesetzt
In der Ukraine hat sich der Einsatz von Drohnen in der Luft, an Land und auf See als entscheidender Vorteil erwiesen. Sie ermöglichen operationelle Erfolge auf große Entfernungen, mit vergleichsweise geringem Kostenaufwand und minimalem logistischen Einsatz. Ihre Fähigkeit, weiter und präziser zu erkennen, bietet beiden Konfliktparteien taktische Vorteile und signifikante Kosteneinsparungen.
Für die Ukraine sind Drohnen zu einem unverzichtbaren Werkzeug geworden, sowohl in defensiven als auch in offensiven Operationen. Sie erhöhen die Effektivität des Militärs, indem sie wichtige Informationen liefern, Ziele präzise aufklären und dabei Risiken für Soldaten reduzieren.
Lektion #6: Die Drohnenabwehr verändert sich
Mit der fortlaufenden Weiterentwicklung unbemannter Systeme befinden sich auch Gegenmaßnahmen in einem dynamischen Innovationszyklus. Ursprünglich lag der Fokus auf dem Abschuss eines UAV im Flug. Doch inzwischen hat sich die Strategie erweitert: Auch die Verhinderung des Starts, durch Angriffe auf die Bodenkomponenten, ist eine effektive Methode.
Dies umfasst das Aufspüren der Bodenstationen – entweder durch visuelle oder elektronische Mittel – und deren gezielte Bekämpfung mittels Artillerie oder Drohnen. Diese Ansätze tragen dazu bei, die Effektivität unbemannter Systeme zu reduzieren, bevor sie ihre Missionen erfüllen können, und zeigen, wie vielseitig und flexibel moderne Abwehrstrategien sein müssen.
Lektion #7: Die Nutzung von UAS ist finanziell notwendig
Drohnen sind kostengünstig und leicht einsetzbar, wodurch Akteure mit begrenzten Ressourcen unverhältnismäßig große Wirkungen erzielen können. Ihre finanziellen Vorteile machen sie zu einer überzeugenden Alternative zu traditionellen militärischen Systemen. Durch den Einsatz von Drohnen können Kostenaufwandsstrategien verfolgt werden, die den Gegner erheblich finanziell belasten.
In langwierigen Konflikten erweisen sich niedrige Einsatzkosten als entscheidender Vorteil: Je weniger Ressourcen zur Zerstörung eines Ziels benötigt werden, desto nachhaltiger ist die Strategie.
Lektion #8: Immer schnellere Innovationszyklen
Die sich rasch entwickelnde moderne Kriegsführung in der Ukraine erfordert einen beschleunigten Innovationszyklus, der sich derzeit zwischen einer Woche und etwa drei Monaten erstreckt. Neue Lösungen oder erhebliche Änderungen an bestehenden Technologien sind ständig erforderlich, um Vorteile gegenüber dem Gegner zu erhalten.
Lektion #9: Anpassungsschlacht erfordert ständige Anpassungen
Die Ukraine ist ein sich rasch entwickelndes Schlachtfeld. Die Dinge, die in den ersten sechs Monaten des Krieges gut funktionierten, funktionieren heute nicht mehr. Dementsprechend müssen sowohl die Plattformen als auch die Taktiken, die ihrem Einsatz zugrunde liegen, ständig weiterentwickelt werden.
Lektion #10: Die Bedeutung der Ausbildung
Oberst Vadim Sukharevskyi, Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte, bestätigte, dass zahlreiche Videos in sozialen Medien die Zerstörung russischer Militärfahrzeuge durch ukrainische FPV-Drohnen dokumentieren. Trotz dieser Erfolge ist die Wirksamkeit jedoch nicht einheitlich entlang der gesamten Frontlinie. Dies könnte auf Unterschiede im Zugang zu Ausrüstung, die Qualität der Ausbildung und die Leistung einzelner UAV-Einheiten zurückzuführen sein.
Wichtig ist daher: Je mehr UAV die Streitkräfte der Ukraine bekommen, desto mehr Piloten mit den notwendigen Fähigkeiten braucht die Armee auch, um diese Drohnen fliegen und sie erfolgreich gegen die russischen Streitkräfte einsetzen zu können.
Lektion #11: Steigende Bedeutung von Forschung und Entwicklung und Investitionen in souveräne Fähigkeiten
Aufgrund der raschen Entwicklung der modernen Kriegsführung in der Ukraine ist kontinuierliche Forschung und Entwicklung von Innovationen sowie die Entwicklung souveräner Fähigkeiten von steigender Bedeutung. Die ukrainische Regierung hat erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Lokalisierung der Rüstungsproduktion voranzutreiben und in heimische Kapazitäten zu investieren. Dabei liegt der Fokus auf Innovationen in technologischen Schlüsselbereichen sowie auf der Beschleunigung der Entwicklung und Bereitstellung von Verteidigungsausrüstung für die Front.
Lektion #12: Drohnen sind ein wesentliches Element der modernen Kriegsführung
Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass unbemannte Systeme unterschiedlicher Komplexität, Autonomie und Funktion heute ein wesentliches Element der modernen Kriegsführung sind. Wenn sie erfolgreich in die Taktik des Gefechtsfeldes integriert und Teil eines ausgereiften Operationskonzepts sind, können Drohnen eindeutig asymmetrische Vorteile für unterlegene Armeen bieten und kosteneffiziente und hochentwickelte Aufklärungs- und Angriffsfähigkeiten bieten.
Was kommt als nächstes?
Unbemannte Systeme sind bereits ein zentraler Bestandteil moderner Kriegsführung, wie der Konflikt in der Ukraine eindrucksvoll zeigt. Ihre Verbreitung auf den globalen Schlachtfeldern wird in Zukunft weiter zunehmen. Robotische und autonome Systeme werden kontinuierlich modernisiert, bestehende Technologien weiterentwickelt und neue Innovationen eingeführt.
Mit der Zeit dürfte die Dominanz unbemannter Schiffe über konventionelle Kriegsschiffe zunehmen, insbesondere in geschlossenen oder halbgeschlossenen Gewässern wie dem Schwarzen Meer oder dem Mittelmeer. Diese Entwicklungen spiegeln den klaren Trend wider: Unbemannte Systeme sind der Weg in die Zukunft der Kriegsführung und werden die Strategien auf See und an Land nachhaltig verändern.
Die Autorin schließt ihre Arbeit mit elf Empfehlungen ab. Die letzte und wichtigste Empfehlung: Kontinuierliche Nutzung der Lehren aus dem Krieg in der Ukraine.