Das Europäische Parlament bestätigte am 27. November das Kollegium der neuen Europäischen Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen für die Funktionsperiode von 2024 bis 2029. In der neuen Kommission wurde erstmals auch ein EU-Minister für Verteidigung und Raumfahrt nominiert: Der zweimalige litauische Ministerpräsident Andrius Kubilius gilt als „Russland-Falke” und fordert nun eine Verzehnfachung der europäischen Verteidigungsausgaben.

Der neue EU-Verteidigungskommissar plädiert angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für ein starkes Europa – ©Polish TV
Der neue EU-Verteidigungskommissar plädiert angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für ein starkes Europa.

Andrius Kubilius – bekannt für seine rigorose Haushaltsdisziplin, die ihn als Regierungschef zu einer Kürzung seines Gehalts um 45 Prozent führte – hat in einem seiner ersten Interviews seit Amtsantritt einen klaren Fokus auf Verteidigungsausgaben gelegt. Für den kommenden Siebenjahreshaushalt der EU fordert er eine Verteidigungsfinanzierung von „nicht viel weniger als 100 Milliarden Euro”.

Kubilius bezeichnete diese Summe als „ehrgeizig” – und sie wäre in der Tat revolutionär: Der aktuelle EU-Haushalt von mehr als einer Billion Euro sieht lediglich zehn Milliarden Euro direkt für Verteidigungsmaßnahmen vor. Eine solch signifikante Erhöhung würde die Verteidigungsarchitektur der EU auf ein neues Niveau heben und den Anspruch der Union als sicherheitspolitischer Akteur unterstreichen.

„Wir müssen auf die Möglichkeit einer russischen Aggression vorbereitet sein. Scheitern wir in der Ukraine, könnte die Gefahr einer militärischen Aggression gegen EU-Mitgliedstaaten steigen.“

EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius

Diese ernsthaften und weitreichenden Forderungen verdeutlichen, wie stark der russische Einmarsch in die Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) die Prioritäten des EU-Haushalts neu ausgerichtet hat. Kubilius betonte: „Wir müssen auf die Möglichkeit einer russischen Aggression vorbereitet sein. Scheitern wir in der Ukraine, könnte die Gefahr einer militärischen Aggression gegen EU-Mitgliedstaaten steigen.”

Er warnte zudem vor den anhaltenden hybriden Angriffen Russlands, die über konventionelle Militäraktionen hinausgehen: „Während wir in der konventionellen Verteidigung besser aufgestellt sind, bleibt die Verteidigung der Köpfe unserer Bevölkerung eine Herausforderung.”

Die Aussagen unterstreichen den dringenden Handlungsbedarf der EU, nicht nur im Bereich der konventionellen Verteidigung, sondern auch im Umgang mit psychologischen und informationsgestützten Bedrohungen.

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Trump fordert höhere Verteidigungsausgaben Europas

Der erneut gewählte US-Präsident Donald Trump kritisierte in seinem ersten Interview nach der Wahl, ausgestrahlt am 8. Dezember auf NBC, erneut die NATO. „Die NATO nutzt die USA aus. Die europäischen Nationen kaufen weder unsere Autos noch unser Essen. Gleichzeitig verteidigen wir sie – eine doppelte Belastung für die USA”, erklärte er. Trump hob hervor, dass er bereits während seiner ersten Amtszeit Druck auf die NATO-Länder ausgeübt habe, um höhere Verteidigungsausgaben durchzusetzen, was zusätzliche 600 Milliarden US-Dollar (rund 570 Milliarden Euro) eingebracht habe.

„Die NATO nutzt die USA aus. Die europäischen Nationen kaufen weder unsere Autos noch unser Essen. Gleichzeitig verteidigen wir sie – eine doppelte Belastung für die USA.“

Der neue US-Präsident Donald Trump

Er stellte klar: „Wenn die NATO-Mitglieder ihre finanziellen Beiträge signifikant erhöhen, ihre Verpflichtungen erfüllen und einen faireren Handel mit den USA eingehen, werde ich die NATO weiterhin unterstützen.” Die Aussagen unterstreichen Trumps Forderung nach einer faireren Lastenteilung innerhalb des Bündnisses sowie nach verbesserten Handelsbeziehungen mit Europa.

Kubilius reagierte prompt und betonte, dass der wahre Feind der EU der russische Präsident Wladimir Putin sei – nicht der gewählte US-Präsident Donald Trump. Diese klare Botschaft hatte er bereits bei seiner Anhörung im Europäischen Parlament eindrucksvoll vermittelt. Dabei erhielt er breite Zustimmung mit 54 Stimmen über der notwendigen Mehrheit von 110 Stimmen.

Er äußerte sich „hoffnungsvoll”, dass die neue US-Regierung die Bedrohung durch eine „Achse autoritärer Staaten” erkennen werde, zu der er Russland, Iran, Nordkorea und – in gewissem Maße – China zählte. Kubilius machte deutlich, dass der Westen, einschließlich der USA, eine geschlossene Haltung gegenüber diesen autoritären Mächten einnehmen müsse, um die gemeinsamen Werte und die Sicherheit zu verteidigen.

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500 Milliarden in den nächsten 10 Jahren

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Zuge der Zusammenstellung der neuen Kommission den Finanzierungsbedarf für die Verteidigung und für einen noch aufzustellenden Verteidigungsfonds auf 500 Milliarden Euro für zehn Jahre beziffert. Dieser wäre „nötig für die Modernisierung der Rüstungsindustrie der EU nach Jahrzehnten der Schläfrigkeit nach dem Kalten Krieg”.

Kubilius warnt, dass die Finanzierung der ambitionierten Verteidigungspläne eine Herausforderung sei: „Diese Gelder zu ‚finden’, wird nicht einfach, aber ohne sie bleiben alle Verteidigungspläne Theorie.” Er schlägt vor, die Mittel durch eine Aufstockung des EU-Haushalts, die Ausgabe gemeinsamer Schuldtitel oder eine Lockerung der Investitionsregeln für Institutionen wie die Europäische Investitionsbank zu beschaffen. Auch eine Kombination dieser Ansätze sei denkbar.

Zusätzlich plädiert er dafür, die EU-Haushaltsregeln, wie das Defizitlimit von 3 Prozent des BIP und die Schuldenobergrenze von 60 Prozent, bei Verteidigungsausgaben zu überprüfen. Einige EU-Staaten, darunter Griechenland (-> Griechenland verdoppelt seine Militärausgaben), Polen und Italien, fordern bereits, Verteidigungsausgaben aus der Defizitberechnung auszunehmen. Kubilius unterstützt dies: „Wenn man mich fragte, würde ich sagen: ‚Ja, das müssen wir tun’.”

Während Berlin Bonds skeptisch gegenübersteht, drängen Polen und die baltischen Staaten auf neue Gemeinschaftsschulden für Verteidigungsprojekte. Polen und Griechenland setzen sich zudem für die gemeinsame Finanzierung eines europäischen Luftverteidigungssystems ein. Dieses „europäische Luftverteidigungsschild” soll alle EU-Staaten vor Raketen, Kampfflugzeugen und Drohnen schützen. „Europa wird nur sicher sein, wenn der Himmel über ihm sicher ist”, schrieben der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

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Kubilius skizziert Wege zur „Sicherheitsunion”

Andrius Kubilius kalkuliert, dass allein das Erreichen des NATO-Ziels von 2 Prozent des BIP (-> NATO diskutiert deutlich höhere Verteidigungsausgaben) durch Länder wie Spanien, Italien und Belgien zusätzliche 60 Milliarden Euro für die europäische Sicherheit bringen würde. Würden alle EU-Mitgliedsstaaten ihre Verteidigungsausgaben auf 3 Prozent des BIP erhöhen, könnten sogar 200 Milliarden Euro mobilisiert werden.

Allerdings räumt Kubilius ein, dass die Diskussion über die Finanzierung noch in einem frühen Stadium sei. Zunächst will er Optionen präsentieren, bevor die Mitgliedstaaten konkrete Verhandlungen aufnehmen. „Liquidität allein löst das Problem der Rüstungsindustrie nicht”, betont er. „Es muss zuerst klar sein, wofür die Mittel eingesetzt werden sollen.”

Kubilius hat nun 100 Tage Zeit, ein Weißbuch über Europas Verteidigungsbedürfnisse und den Weg zu einer echten Europäischen Verteidigungsunion zu entwickeln.

Quelle©Polish TV, Mediacentrum Defensie