Neben dem Haflinger ist der Steyr-Puch-Pinzgauer eines der bekanntesten Bundesheer-Fahrzeuge überhaupt. Walter Blasi hat dem legendären Offroad-Transporter nun ein eigenes Buch gewidmet. Auf 120 Seiten beschreibt er den Weg von ersten Vorentwürfen im Jahr 1962 bis hin zum Weiterverkauf der Baulizenz nach England und Südafrika, nachdem die Produktion in Graz im Jahr 2000 eingestellt worden war.
Wie gründet man eine neue Armee? Eine gute Frage, die man sich in Österreich nach dem Abschluss des Staatsvertrages stellen musste, als damit begonnen werden konnte, aus der B-Gendarmerie heraus das neue Bundesheer aufzustellen. Das benötigte Personal war zumindest zum Teil bereits vorhanden, das zur Ausrüstung und Bewaffnung der Soldaten notwendige Material kam zu einem großen Teil von den vier Besatzungsmächten. Darunter waren Fahrzeuge unterschiedlichster Marken und Typen, Sonderausführungen, Klein- und Großserien, was die Servicierung und Ersatzteilversorgung nicht gerade erleichterte. Ab etwa 1959 setzten daher Bestrebungen ein, den Wildwuchs im Fuhrpark durch neue Fahrzeuge „made in Austria” einzuhegen, wie Walter Blasi in seinem neuen Buch „Der Steyr-Puch Pinzgauer des Österreichischen Bundesheeres” zu berichten weiß.
Als erste große eigenständige rot-weiß-rote Produktion wurde der Steyr-Puch-Haflinger entwickelt. Da damit der Transportbedarf des neuen Heeres aber nur zum Teil gedeckt werden konnte, wurden schon bald nach dem Start der Serienproduktion des Haflinger in Graz auch Studien über ein größeres Geländefahrzeug mit höherer Nutzlast durchgeführt. 1962 enstanden dann auch erste Vorentwürfe für den geplanten Pinzgauer, für die vom Haflinger wichtige Konstruktionsmerkmale wie der Zentralrohrrahmen, die Pendelachsen und die Einzelaufhängung aller Räder übernommen wurden. Der (luftgekühlte) Motor war damals allerdings nicht im Heck geplant, sondern für den Bereich hinter dem Fahrer, was so in der Serienfertigung nicht verwirklicht wurde. Bei der weiteren Konstruktion waren die Ingenieure dann mangels vergleichbarer Fahrzeuge am Markt vor allem auf Wünsche und „Zurufe” potenzieller Kunden wie des Bundesheeres und der Schweizer Armee angewiesen. Das führte zu „kuriosen Problemen”, wie Blasi schreibt: „Den Schweizern war der erste Entwurf zu groß, während er den Österreichern zu
klein war.”
1965 wurde schließlich trotzdem der erste Prototyp präsentiert, im Jahr darauf folgen erste Vorführungen und 1967 erhielten potenzielle zukünftige Kunden wie das Bundesheer bereits erste Erprobungsfahrzeuge. Im Verteidigungsministerium federführend war dabei das Planungsbüro A. In die Prüfungen, Erprobungen und Tests involviert waren in weiterer Folge die Prüf- und Versuchsstelle für Kraftfahr- und Maschinenwesen, die Wehrtechnik/Motor, die Heereskraftfahrschule, das Jägerbataillon 19, die Artillerieschule und die TelTruppenschule.
Nach der Behebung zahlreicher größerer und kleinerer Mängel wurde am 17. Mai 1971 das Serienfahrzeug vorgestellt und 1973 mit der Auslieferung der bereits im Jahr 1970 vom Bundesheer bestellten Fahrzeuge begonnen. In den folgenden Jahrzehnten erhielten die rot-weiß-roten Streitkräfte Tausende Pinzgauer in unterschiedlichsten Ausführungen: Mit Planenverdeck, als Kastenwagen, mit Pritsche, als Ambulanzwagen, Fliegerabwehrkanonen-Träger, Werkstattwagen, mit Metalldoppelkabine, als Feuerwehr und Bergungsfahrzeug. Weiters gab es Sonderversionen als Panzerattrappe (!), Schneepflug und Fahnentrupp-Kraftwagen. Neben dem Bundesheer haben auch die Armeen vieler anderer Länder Pinzgauer gekauft: England, Ghana, Jordanien, Jugoslawien, Malaysia, Nigeria, Norwegen, Oman, Sudan, Schweiz, Syrien, Saudi-Arabien, Tunesien, Venezuela und Zypern. Bis zur Einstellung der Produktion am 23. Februar 2000 liefen rund 24.000 „Pinzis” vom Band. Dabei wurde das grundlegende Design nur ein einziges Mal geändert, um einen sparsameren und stärkeren Motor einbauen zu können.
Nach der Einstellung der Produktion wurde die Lizenz nach England an die Firma Automotive Technique Ltd. in Aldershot/ Hampshire vergeben. Sie entwickelte des Fahrzeug weiter und produzierte es bis 2007, wie Walter Blasi in seinem Buch schreibt. „Mit einem 5-Zylinder-Dieselmotor von VW und höheren Nutzlasten blieb es ein begehrtes Spitzenprdoukt mit hoher Zuverlässigkeit.” Schon 2002 wurde die Automotive Technique Ltd. von Armor Holdings übernommen, welche widerum 2007 von British Aerospace übernommen und in BAE Systems AH Inc. umbenannt wurde. 2008 erfolgte dann eine Verlegung der Fertigung und Entwicklung von England nach Südafrika zur dortigen Firma British Aerospace-BAE Landsystems OMC in Benoni.
Der Steyr-Puch Pinzgauer des Österreichischen Bundesheeres, von Walter Blasi, erschienen 2022 in der Edition Winkler-Hermaden, 23,5 × 20 cm Querformat.
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