Die Vorbereitungen für Wahlen in Libyen Ende des Jahres laufen auf Hochtouren – ob der Urnengang aber tatsächlich stattfinden kann, ist weiter ungewiss. Droht damit nach Afghanistan auch in Libyen das Nation-Building zu scheitern?

Im Dezember soll Libyen wählen. Doch Uneinigkeit zwischen den Parteien könnte zum Ende des Friedensprozesses führen. Im Oktober 2020 einigten sich die rivalisierenden Parteien in Libyens Bürgerkrieg auf einen Waffenstillstand. Eine Übergangsregierung unter Premier Abdul Hamid Dbeiba sollte Wahlen für den 24. Dezember dieses Jahres vorbereiten.

Unter den Kandidaten, die sich der Wahl stellen wollen, ist unter anderem General Khalifa Haftar, der mit seinen Milizen den Osten Libyens kontrolliert. Der 77-Jährige ist eine umstrittene Person, wollte er doch noch vor einem Jahr in einer groß angelegten Militäroffensive die Hauptstadt Tripolis einnehmen. Andere mögliche Kandidaten sind der frühere Innenminister Fathi Bashagha und Saif al-Islam, ein Sohn des 2011 gestürzten Muammar al-Gaddafi. Doch ob diese Wahlen tatsächlich stattfinden, ist mehr als fraglich. Denn zwischen dem im Osten Libyens tagenden Parlament und der von der UN anerkannten Regierung in Tripolis brechen erneut Gräben auf. Im September – drei Monate vor den Wahlen – entzog das Parlament in Tobruk der Regierung das Vertrauen. Grundlage dafür waren Korruptionsvorwürfe. Mehrere Milliarden US-Dollar sollen versickert sein.

Anfang Oktober sind sich die politisch Verantwortlichen immer noch uneinig über die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Wahlen. Auch ist nicht geklärt, ob am 24. Dezember wie geplant Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden sollen oder, wie es Politiker in Tripolis vorschlagen, der Präsident erst gewählt wird, nachdem die Bevölkerung über eine neue Verfassung abgestimmt hat. Einige Beobachter gehen davon aus, dass der jetzige Premier Dbeiba das Scheitern der Wahlen ausnutzen könnte, um als Übergangspremier länger an der Macht zu bleiben, als ursprünglich vorgesehen war.

Doch selbst wenn diese Wahlen stattfinden, wird es für eine neu gewählte Regierung nicht einfach. Einer Schätzung der UN zufolge sollen sich nach wie vor 20.000 ausländische Soldaten und Söldner aus der Türkei, Russland, Syrien, Sudan und dem Tschad in Libyen aufhalten. Hinzu kommen Dutzende Milizen im Westen und Osten des Landes, die zum Teil wichtige Infrastruktur wie den Flughafen von Tripolis oder Ölbohranlagen kontrollieren und immer wieder Druck auf die Regierung ausüben.

All diese internen und externen Player könnten die Vereinigung Libyens noch über Jahre verhindern. Die Gefahr ist damit groß, dass nach der Niederlage in Afghanistan auch in Libyen das Nation-Building scheitert.