Nico Gramenz ist ehemaliger Offizier mit Auslandseinsatz in Afghanistan, er ist aber auch international erfahrener Manager und mehrfacher Gründer. Akademisch hat er vier Studiengänge absolviert, darunter Wirtschaftspsychologie und Politikwissenschaft. Seine Erfahrung und sein Wissen setzt er heute in verschiedenen Projekten zur Regionalentwicklung und Vernetzung in Europa ein. Kürzlich erschien sein Buch „Wer bist du, wenn der Krieg kommt?”.

Herr Gramenz, wie schätzen Sie die aktuelle politische Lage auf der Welt ein? Sind Sie Optimist oder Pessimist?
Komplexes Thema. Ich glaube, gerade das macht es so schwer, noch Wirkzusammenhänge zu erkennen und zu erklären. Die Liste der Puzzleteile ist lang: Renationalisierungstendenzen in der EU, wo Zusammenhalt zwingend nötig wäre, Krisen und Kriege im Nahen Osten und in Europa (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg), Umbruch der globalen Machtverhältnisse, wirtschaftliche Veränderungen durch technologischen Wandel, Klimaschutz und Co. Geopolitik ist komplex, das bleibt auch so. Jetzt ist nur noch die Frage, wie man damit umgehen soll? Mein Vorschlag – deswegen bin ich wahrscheinlich Optimist: an der eigenen Person, in der eigenen Region starten und das beeinflussen, was man beeinflussen kann. Also Ohnmacht auflösen. Das baut mentalen Stress ab! Denn dieser entsteht bei vielen Menschen, weil sie das Gefühl haben, nichts ändern zu können.

„Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich glaube, dass wir als Gesellschaft oft unvorbereitet und blind gegenüber den realen Bedrohungen um uns herum sind. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie überraschend eine globale Krise uns treffen kann – und wie unvorbereitet wir darauf waren.“

Buchautor Nico Gramenz

Welche Vorbereitungen sollte jede und jeder schon heute treffen?
Sich mit dem Thema eines drohenden Krieges auseinandersetzen! Nicht weglaufen, nicht vermeiden. Verstehen, warum es eine Bedrohung gibt. Die eigene Antwort finden und danach handeln. Die Handlungsoptionen reichen von aktivem Engagement für den Frieden wie Gemeindeveranstaltungen oder Friedensdemos über persönliche Schutzmaßnahmen wie Vorräte anzulegen oder Dokumente zu sichern bis zur Überlegung, welchen Beitrag man mit den persönlichen Fähigkeiten selbst als Teil einer zivilen oder militärischen Verteidigungsmaßnahme leisten kann. Auch die Flucht beziehungsweise das Verlassen des Heimatlandes muss thematisiert werden. Derzeit nennen zum Beispiel 30 Prozent der Auswanderer aus Deutschland „Sicherheit” als einen Grund.

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Sie haben zum Thema Krieg kürzlich ein Buch veröffentlicht: „Wer bist du, wenn der Krieg kommt?”. Wann haben Sie mit dem Schreiben begonnen?
Im Jänner dieses Jahres stellte der schwedische Zivilschutzminister Carl Bohlin seinen Landsleuten genau die Frage „Wer seid ihr, wenn der Krieg kommt?”. Die Schweden sind sich eines möglichen Krieges beziehungsweise einer potenziellen Bedrohung durch Russland sehr bewusst. Das war für mich als ehemaligem Offizier, der lange gespürt hatte, wie das Thema Bundeswehr und Militär an den Rand der Gesellschaft geschoben wurde, der Auslöser. Für mich stand fest, dass die Frage bei uns genauso gestellt werden muss. Zudem war die Informationslage eben unklar und nicht zu greifen. Verteidigungsminister Boris Pistorius warnte vor einer wachsenden Kriegsökonomie in Russland und einer Bedrohung in den nächsten drei bis sechs Jahren, während der Bundeskanzler in seiner Neujahrsansprache noch alle beruhigte. Das passte für mich nicht zusammen, das passte für niemanden zusammen. Also entweder flieht man vor dem Thema und vermeidet es oder wir setzen uns nun aktiv damit auseinander. Ich wollte meinen Beitrag leisten.

Wie kommt’s, dass Sie sich so intensiv mit dem Thema befassen?
Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich glaube, dass wir als Gesellschaft oft unvorbereitet und blind gegenüber den realen Bedrohungen um uns herum sind. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie überraschend eine globale Krise uns treffen kann – und wie unvorbereitet wir darauf waren. Als dann der Krieg in der Ukraine ausbrach, glaubten viele bis zum letzten Moment nicht daran, dass es tatsächlich passieren würde. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, ein Bewusstsein für solche Bedrohungen zu entwickeln und uns als Gesellschaft darauf vorzubereiten. Mit dem Buch möchte ich Menschen zum Nachdenken anregen: Wer bist du, wenn der Krieg kommt? Diese Frage soll die Leserinnen und Leser dazu bringen, ihre eigenen Handlungsoptionen zu reflektieren und die Dringlichkeit zu erkennen, jetzt aktiv zu werden. Es geht darum, nicht nur militärische Aspekte, sondern auch mentale Resilienz, Gemeinschaft und Friedensförderung in den Vordergrund zu stellen. Mein Ziel ist es, ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, das uns als Gemeinschaft stärkt und uns hilft, Krisen zu meistern und den Frieden zu bewahren.

©Militär Aktuell

Wer sind SIE, wenn der Krieg kommt, Herr Gramenz?
Gute Frage. Ich habe mich nun wieder als Reservist gemeldet, und falls es zu einem Krieg käme, würde ich zunächst einmal in Deutschland bleiben. Denn das Land zu verlassen, ist eine legitime Option. Ich versuche durch die Kriegsbewusstseins-Initiative jetzt, mich aktiv für den Frieden zu engagieren. Denn ich glaube, dass wir in Deutschland nur Frieden bewahren, wenn wir den Krieg vorbereiten. Doch so einfach ist die Antwort nicht. Denn natürlich bin ich auch Teil eines familiären, sozialen Gefüges. Eine mögliche Vorbereitung einer Trennung von meiner Familie, die Vorbereitung oder aktive Auseinandersetzung mit der aktuellen Bedrohungslage im Umfeld sind nun dauerhafte Themen, die sich keiner von uns ausgesucht hat, die nicht einfach sind, die wir aber gemeinsam bewältigen können und die uns widerstandsfähiger gegen alle komplexen Veränderungen machen werden.

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