Die XQ-58A Valkyrie-Drohne hat einen weiteren Testflug absolviert. Das Besondere diesmal war, dass sie eine eigene Drohne – die ALTIUS-600 – in der Luft abgesetzt hat. Es war der sechste der seit März 2019 durchgeführten Flüge der Valkyrie, und der erste bei dem diese Fähigkeit getestet wurde.
Das gab die Forschungseinrichtung der US-Luftstreitkräfte – das Air Force Research Laboratory (AFRL) – vor wenigen Tagen bekannt. Durchgeführt wurde der Test bereits am 26. März in Arizona auf dem Yuma Proving Ground, einem der weltweit größten Militärgelände. Nicht nur eine neue Fähigkeit wurde erprobt; die Drohne flog auch schneller und höher als bisher, heißt es in der Mitteilung. Viel ist ansonsten über den Testverlauf nicht bekannt. An der Bedeutungslosigkeit des Geschehens kann es nicht liegen, denn interessant sind die Fluggeräte und deren getestete Fähigkeiten aus mehreren Gründen.
Der Name der Valkyrie-Drohne ist Programm: Wie die Valkyrie in der nordischen Mythologie als Schildjungfer die Funktion des Schutzgeistes auserwählter Krieger erfüllt, dient die gleichnamige Drohne dazu, andere Fluggeräte vor dem Feind zu schützen. Sie soll Jagd- und Tankflugzeuge bei deren Mission aus direkter Nähe unterstützen, indem sie Aufklärung betreibt, feindliche Ziele bekämpft, aber auch Angriffe des Gegners auf sich nimmt, um die bemannten Kampfjets zu beschützen. Die Fähigkeit der Drohne in einer Formation mit bemannten Kampfjets zu fliegen wird als „loyal wingman” bezeichnet und wurde Anfang des Jahres getestet.
Entwickelt von Kratos Defense and Security Solutions, einem führenden Unternehmen im Bereich neuer Waffentechnologien, in Zusammenarbeitet mit dem Air Force Research Laboratory, wird die XQ-58A Valkyrie von einem Strahltriebwerk angetrieben und kann mit hoher Ultraschallgeschwindigkeit fliegen. Sie ist 8,8 Meter lang, hat eine Spannweite von 6,7 Meter und eine Reichweite von fast 4.000 Kilometer. Sie kann Raketen, Bomben und – wie beim letzten Testflug – Drohnen absetzen.
Für den Versuch wurde die kleine Drohne ALTIUS-600 verwendet. Das Akronym steht für Agile-Launched, Tactically-Integrated, Unmanned System, was gleichzeitig im Lateinischen „höher” bedeutet. Mit ihrem Maximalgewicht von zwölf Kilogramm, einer Länge von einem Meter und einer Spannweite von 2,5 Meter gehört sie zu der Gruppe kleiner unbemannter Fluggeräte (Small Unmanned Aircraft System, SUAS). Laut dem Hersteller Area-I kann sie bis zu vier Stunden in der Luft bleiben und eine Strecke von 430 Kilometer zurücklegen. Als Nutzlastträger konzipiert, kann sie je nach Mission unterschiedlich ausgestattet werden, etwa mit einer Full-Motion Videokamera, Störsendern (sogenannten Jammern) oder mit Sprengstoff. Entsprechend vielfältig sind auch ihre Aufgaben; sie reichen von der Informationsgewinnung, Überwachung und Aufklärung, über elektronische Kriegsführung bis hin zum Einsatz als Kamikaze – also eine Drohne, die sich auf ein Ziel stürzt und explodiert.
Auch für die ALTIUS-600 war es ein wichtiger Testflug. Zuvor wurde die Mini-Drohne unter anderem von den Transportflugzeugen C-130A und AC-130J, dem Transporthubschrauber HC-60 Black Hawk und dem Seefernaufklärer und U-Boot Jagdflugzeug P-3 gestartet. Neben dem Start aus der Luft und von See aus ist auch ein Bodenstart möglich, heißt es auf der Website von Area-I.
Luftkrieg der Zukunft
Die spärlich vorhandenen Informationen zu der getesteten Fähigkeit lassen viel Raum für Spekulationen. Zum einen bleiben wichtige Fragen in Bezug auf den Testverlauf und die gewonnenen Leistungsdaten offen. Es bleibt etwa unklar, wie viele kleine Drohnen die Valkyrie im inneren Schacht tragen könnte, wie das Zusammenspiel zwischen der Valkyrie und der ALTIUS-600 verlaufen ist und wie viele solcher Flugtests noch durchgeführt werden sollen. Nicht weniger interessant ist die Frage, wie sich die im Zuge aller bisherigen Tests der Valkyrie gewonnenen Erkenntnisse auf die weitere Entwicklung der Drohnen und deren Fähigkeiten auswirken werden. Jedenfalls scheinen die XQ-58A Valkyrie als auch ALTIUS-600 eine neue Etappe im militär-technologischen Vorhaben der USA einzuläuten.
Dass die US Air Force verstärkt auf den Einsatz von Drohnen als „loyal wingmen” zur Erhöhung der Schlagkraft ihrer Luftstreitkräfte setzen will, zeigt etwa das Skyborg-Programm. Skyborg, im Rahmen dessen auch die Valkyrie entwickelt wurde, hat im Rahmen der Entwicklung bahnbrechender Kampffähigkeiten für die US-Luftstreitkräfte oberste Priorität. Das Ziel dabei ist es, vergleichsweise kostengünstige, auf Künstlicher Intelligenz basierende unbemannte Fluggeräte zu entwickeln, die gemeinsam mit bemannten Kampfjets eingesetzt werden können. Diese Fähigkeit der Valkyrie wurde, wie oben erwähnt, bei ihrem fünften Test Anfang des Jahres getestet.
Der neulich durchgeführte Test der Valkyrie mit der kleinen Drohne wiederum könnte ein Schritt auf dem Weg zum Einsatz von vernetzten, so autonom wie möglich agierenden Drohnenschwärmen sein. ALTIUS-600 ist nämlich auch Teil des ALE-Programms (Air-Launched Effects) der US-Armee, das auf die Entwicklung von kleinen luftgestützten Drohnen ausgerichtet ist, die in der Lage sein sollen, halbautonom gemeinsam mit anderen bemannten oder unbemannten Flugzeugen und Hubschraubern für verschieden Aufgaben eingesetzt zu werden. Die Entwicklung von Drohnenschwärmen ist eine Fähigkeit, an der das Pentagon seit Jahren forscht. Dass ALTIUS-600-Drohnen für diesen Zweck genutzt werden könnten, lässt sich den Aussagen von Brian Schimpf, dem CEO von Anduril Industries, entnehmen. Anduril hat Anfang April das Unternehmen Area-I, von dem die Drohne ALTIUS-600 entwickelt wurde, als Tochtergesellschaft übernommen, wobei Area-I weiterhin unter der eigenen Marke auftreten soll.
In einem Interview mit der Plattform Defense News sagte Schimpf kürzlich, er sei von den Fähigkeiten von ALTIUS-600 „umgehauen” gewesen, und sehe riesiges Potential etwa in der Möglichkeit, mehrere der Drohnen gemeinsam von einer Plattform zu starten und fliegen zu lassen. Anduril möchte gemeinsam mit Area-I die Entwicklung von ALTIUS-600 bis an ihren „technologischen Limit” vorantreiben mit dem Ziel, die Drohnen bei „weit komplexeren Missionen” als bisher einzusetzen, so Schimpf. Dazu genutzt werden soll die von Anduril entwickelte KI-gestützte „Lattice” Software, die bisher etwa für KI-gestützte Grenz- und Überwachungssysteme, die Verfolgung von Cruise Missiles oder bei der Entwicklung von Gegendrohnen verwendet wurde.
Das Low-Cost Attritable Strike Demonstrator (LCASD)-Programm, im Rahmen dessen die Valkyrie-Drohne entstanden ist, liefert womöglich einen Hinweis darauf, dass die USA zunehmend in kostengünstige Mehrzweck-Drohnen investieren wollen. Die vergleichsweise niedrigen Kosten der Valkyrie von geschätzt zwei bis drei Millionen Euro würden es erlauben, sie in hoher Stückzahl zu produzieren, um sie auf einer größeren Skala einsetzen zu können, aber auch bei risikoreichen Missionen, bei denen ihre Überlebenschancen von vornherein nicht hoch sind.
Auch wenn es noch viele Fragezeichen gibt, eines steht fest: „Loyal wingmen” und Drohnenschwärme werden in Zukunft auf dem Gefechtsfeld bei der Erlangung von Luftüberlegenheit eine wichtige Rolle spielen. Das zeigt sich nicht nur an den Bestrebungen der USA, sondern auch Russlands und vor allem Chinas, die auf diesem Feld intensiv forschen. Die Transformation des Krieges am Himmel nimmt allmählich Fahrt auf.
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