Der tschechische Lkw-Hersteller Tatra Trucks versucht verstärkt am österreichischen Markt Fuß zu fassen und mit seinen Produkten auch beim Bundesheer zu landen. Wie das gelingen soll, welche Rolle dabei Belgien spielt und mit welchen rot-weiß-roten Unternehmen schon jetzt zusammengearbeitet wird – ein Gespräch mit Adam Dorazil, Defense Department Manager von Tatra.

Herr Dorazil, wo sehen Sie Chancen für Tatra in Österreich?
Wir haben vor rund zehn Jahren eine erfolgreiche Kooperation mit der Firma Tschann Nutzfahrzeuge begonnen und uns dabei zunächst vor allem auf kommerzielle Fahrzeuge wie beispielsweise Dreiseitenkipper konzentriert. Da unsere Fahrzeuge aber extrem geländegängig sind, sehen wir dafür auch beim Bundesheer (-> aktuelle Bundesheer-Meldungen) Chancen.

Nach unseren Informationen könnte Tatra im Falle einer Bestellung durch das Militär sogar eine Produktion in Österreich in Betracht ziehen. Ist das richtig?
Vor ein paar Jahren hätten wir produktionstechnisch beinahe einen Schritt in Richtung Österreich gemacht: Tatra prüfte die Möglichkeit einer Übernahme des MAN-Werks in Steyr, das vor der Schließung stand. Auch wenn die Entwicklung letztlich in eine andere Richtung ging, denken wir immer noch über eine Lokalisierung der Produktion in Österreich nach.

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Für einen tschechischen Hersteller ist es relativ ungewöhnlich, in einem Land mit hohen Löhnen wie Österreich zu produzieren. Welche Überlegungen stecken hinter diesem Schritt?
Tatra verfügt bereits über Erfahrungen mit der Lokalisierung und der Erhöhung des Anteils inländischer Arbeitskräfte in anderen Ländern. Wir haben beispielsweise bereits „Technologietransfers” mit Indien durchgeführt, wo Tatra-Fahrzeuge auf einer großen Produktionslinie gebaut werden. Wir haben eine Fabrik in Saudi-Arabien gegründet und die Technologie zur Herstellung des gepanzerten Transportfahrzeugs Patriot II übertragen, das gemeinsam mit dem tschechischen Unternehmen Excalibur Army entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund wäre Österreich für uns „nur” ein weiterer interessanter Standort und wir pflegen bereits intensive Kooperationen mit österreichischen Unternehmen.

„Wir pflegen bereits intensive kooperationen mit österreichischen unternehmen.“

Welche Unternehmen sind das?
Empl
(-> Interview mit Empl-Chef Joe Empl) hat sein Bison-Bergefahrzeug unter anderem auf unserem Chassis aufgebaut, davon wurden bislang acht Fahrzeuge gebaut. Aktuell sind wir zudem gerade mitten in der Umsetzung eines 5-Achser-Spezialfahrzeugs und wir haben auch schon Plattformen für verschiedene Radarsysteme zugeliefert. Mit Rosenbauer sind wir zudem im Feuerwehrbereich aktiv, da gibt es mit dem Tigon beispielsweise ein außergewöhnlich geländegängiges Speziallöschfahrzeug für den Industriebereich und mit dem Cobra ein Anti-Riot-Fahrzeug, sowie verschiedene andere Projekte. Eine Zusammenarbeit besteht außerdem mit dem Kabel-, Relais- und Kippschalter-Hersteller Pik-As (-> Interview mit Pik-As-Chefin Christina Polster) sowie im zivilen Bereich mit Syn Trac.

@DAF
DAF und Tatra liefern an die belgische Armee insgesamt 879 CF-Militär-Lkw – darunter 636 zweiachsige Lkw mit Vierradantrieb und 243 Lkw mit 4 Achsen und acht angetriebenen Rädern.

Das Bundesheer hat bei Rheinmetall MAN Military Vehicles gerade erst einen Rahmenvertrag für bis zu 1.375 Lkw geschlossen. Wo rechnen Sie sich da noch Chancen für Tatra aus?
Unser großes Plus ist sicherlich die Geländegängigkeit. Wir müssten also überall dort eine ernstzunehmende Alternative sein, wo es darum geht, Fracht, Fahrzeuge, Mannschaften oder Gerätschaften ins Gelände zu verlegen – im Gelände sind wir kaum zu schlagen. Deshalb hat sich zuletzt auch die belgische Armee für unser Produkt entschieden.

Sie sprechen den gemeinsam mit DAF an Land gezogenen Auftrag über rund 800 Fahrzeuge an.
Wir kooperieren mit DAF seit dem Jahr 2011. DAF hatte damals keinen Allradantrieb und wir hatten keine modernen europäischen Kabinen. Also haben wir unsere Stärken kombiniert und gemeinsam mit dem Tatra Phoenix ein Produkt für den Zivilbereich entwickelt. Mit der militärischen Version davon haben wir dann auch die belgische Armee überzeugt, Anfang 2023 wurden die ersten der insgesamt 879 bestellten Lkw ausgeliefert. Hauptauftragnehmer ist zwar wie von Ihnen erwähnt DAF, wir liefern aber unter anderem die Fahrgestelle und gepanzerte Fahrerkabinen. Damit haben wir endlich auch einen Auftrag auf dem westeuropäischen Markt, was uns bei der Expansion auf weitere europäische Märkte helfen könnte.

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Möglicherweise könnte dieser Referenzauftrag auch in Österreich helfen den Markt zu bereiten, in einem ersten Schritt würde es aber wohl nicht um die ganz großen Stückzahlen gehen. Warum bemüht sich Tatra trotzdem so intensiv um den Markt?
Weil wir uns verstärkt Westeuropa zuwenden wollen. Unser Hauptabnehmer ist aktuell die tschechische Armee, wir haben im vergangenen Jahr rund 250 Fahrzeuge geliefert. Gemeinsam mit ukrainischen Aufbauherstellern fertigen wir zudem aktuell Fahrzeuge für die ukrainische Armee und mit all den anderen – auch zivilen Aufträgen – werden wir heuer insgesamt 1.500 bis 1.600 Fahrzeuge fertigen. Wir sind allerdings dabei unsere Kapazitäten zu erhöhen und wollen schon im nächsten Jahr 1.800 bis 2.000 Lkw herstellen – und warum sollten nicht einige davon auch nach Österreich gehen, immerhin verbindet unser Unternehmen mit Österreich eine langjährige gemeinsame Geschichte.

„Tschechen und Österreicher haben eine sehr ähnliche Mentalität, wir könnten sicherlich gut ins Geschäft kommen.“

Das Unternehmen Austro-Tatra wurde erst in den 1980er-Jahren aufgelöst.
Genau. Bis zum Zerfall von Österreich-Ungarn hat Tatra in Nesselsdorf produziert, die Zentrale war in Wien. Da dann zwischen den beiden Standorten eine Staatsgrenze eingezogen wurde, verlegte man die Unternehmensleitung nach Prag und um die Fahrzeuge in Österreich trotzdem verkaufen zu können, baute man vor Ort ein eigenes Servicenetz auf. Tatra hat damals in Simmering eine Zentral-Werkstätte errichtet, in der bald auch schon Karosserien montiert und später sogar ganze Fahrzeuge gefertigt und unter dem Namen Austro-Tatra verkauft wurden. Vor dem Zweiten Weltkrieg hätten damals auch Kommandofahrzeuge an das Bundesheer geliefert werden sollen, damit wurde es dann aber nichts mehr …

… und das will Tatra nun nachholen?
Wenn es nach uns geht, dann ja. Tschechen und Österreicher haben eine sehr ähnliche Mentalität, wir könnten sicherlich gut ins Geschäft kommen.

Quelle@Tatra