Oberst Werner Loupal ist seit diesem Sommer beigeordneter Attaché in Griechenland. Wir haben mit ihm über die Sicherheitslage und die Migrationssituation im Land und der Region gesprochen, aber auch über seine Arbeit und mit Covid-19 verbundene Herausforderungen.
Herr Oberst, wie sind Sie Militärattaché geworden und warum haben Sie sich für diese Position interessiert?
Nach meinen Auslandseinsätzen in UNFICYP, UNDOF, KFOR und EUTM Mali wollte ich auch einmal aktiv eine Position im militärdiplomatischen Bereich wahrnehmen. Zur Erweiterung meiner militärischen Ausbildung um die diplomatische Ebene nahm ich daher vorab am einjährigen militärdiplomatischen Vorbereitungslehrgang in Wien teil. Danach übernahm ich in der Abteilung Militärdiplomatie die Aufgaben eines Länder- und Regionenexperten und auch die Leitung des nächsten militärdiplomatischen Vorbereitungslehrganges. Als beigeordneter Militärattaché habe ich in Zusammenarbeit mit dem vorgesetzten Militärattaché in Rom nun die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung und den Generalstabschef in Griechenland zu repräsentieren, die Entwicklungen in und um Griechenland zu beobachten und die bilaterale Zusammenarbeit zu vertiefen. Dies bedeutet für mich eine herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgabe, welche ich sehr gerne wahrnehme. Die erfolgreiche Bewältigung und positive Erfüllung meiner Arbeit hier zur Zufriedenheit aller Bedarfsträger würde für mich einen krönenden Abschluss meiner Auslandsverwendungen darstellen.
War dabei Griechenland ihre bevorzugte Wahl?
Vorerst war mein Augenmerk auf Frankreich gerichtet, aber als mir mitgeteilt wurde, dass der beigeordnete Verteidigungsattaché in Griechenland vakant wäre und man sich vorstellen kann, dass ich aufgrund meiner Ausbildung und Auslandserfahrungen dafür geeignet wäre, habe ich mich um diese Position beworben.
Was macht die Arbeit in Griechenland für Sie interessant?
Die sicherheitspolitische Lage in der Ost-Ägäis und insgesamt im östlichen Mittelmeer ist bekannterweise fragil. Die laufenden Spannungen mit der Türkei stellen für Griechenland eine große Herausforderung dar. Jede Verschlechterung wirkt sich auch auf den Rest von Europa aus. Griechenland sichert ja die EU-Außengrenze und liegt an einer bedeutenden Migrationsroute nach Europa. Interessant ist dabei, wie Griechenland diese Probleme sowohl politisch, sozial als auch unter Einsatz der Exekutivgewalten auf innen- und außenpolitischer Ebene zu lösen versucht.
Wie verlief ihr Start vor Ort und was war für Sie bislang die größte Herausforderung, die Sie in Ihrer Position als beigeordneter Militärattaché bewältigen mussten?
Dadurch, dass ich erst seit Mitte Juni in Athen bin und mich erst mal einarbeiten musste, war die Organisation erster hochrangiger bilateraler Treffen und Verhandlungen in Athen Anfang September eine große Herausforderung.
Wie aus den Medien bekannt, ist die Flüchtlings- und Migrationssituation in einigen südlichen EU-Ländern wie beispielsweise Griechenland prekär. Wie nehmen Sie die Situation vor Ort wahr?
Die Bewältigung dieser Situation ist und bleibt auch in Griechenland eine schwere Aufgabe. Migranten und Flüchtlinge kommen legal und illegal sowohl auf dem Land- als auch dem Seeweg hier an. Die Situation in den überfüllten Lagern ist brisant und spitzt sich oft zusammen mit Covid-19-Fällen nochmals zu, etwa der Brand im Flüchtlingszentrum Moria auf Lesbos. Diese Situation ist natürlich auch für die lokale griechische Bevölkerung schwierig. Österreich unterstützt Griechenland dabei finanziell und materiell.
Neben der Flüchtlingssituation ist in Griechenland auch das Verhältnis zur Türkei ein ständiges Thema, zuletzt drohten Politiker beider Seiten sogar mit Krieg. Wie ernst sind solche Drohungen aus ihrer Sicht zu nehmen und wie schätzen Sie die Sicherheitslage in der Region ein?
Die Spannungen mit der Türkei sind sehr ernst zu nehmen und laufend zu verfolgen. Ich hoffe, dass die Diplomatie und die Vermittlungsversuche der EU und einzelner Staaten zu erfolgreichen Verhandlungen führen. Krieg würde für beide NATO-Mitglieder wohl die letzte Option sein, welche beide Staaten eigentlich vermeiden wollen, und daher ist diese Option auch nicht sehr wahrscheinlich. Jedoch besteht jederzeit die Gefahr von lokalen und ungewollten Zwischenfällen. In puncto Reisen nach Griechenland empfehle ich daher vorab die Warnungen des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) zu berücksichtigen.
Angesichts der angespannten Situation mit der Türkei investiert Griechenland seit Jahren weit überdurchschnittlich viel Geld in seine Streitkräfte, kämpft gleichzeitig aber mit massiven wirtschaftlichen Problemen. Inwieweit hat die griechische Bevölkerung Verständnis für die hohen Militärausgaben?
Die Investitionen waren in den letzten Jahren durch die wirtschaftlichen Probleme eher moderat gehalten, aber durch die derzeitige Situation mit der Türkei wurden sie intensiviert. Die Bevölkerung hat einen hohen Nationalstolz und sieht die Ausgaben als sinnvoll zur Vorbereitung ihres Landes zur Verteidigung an.
Welches Standing haben vor diesem Hintergrund die griechischen Streitkräfte in der eigenen Bevölkerung?
Die Streitkräfte genießen hohes Ansehen. Durch die allgemeine Wehrpflicht ist das Heer in der Bevölkerung tief verankert. Die meisten Wehrpflichtigen versehen mit Stolz ihren Dienst.
Gibt es von Seiten Österreichs und des Bundesheeres irgendwelche militärischen Kooperationen oder einen militärischen Austausch mit Griechenland?
Kooperationen gibt es derzeit im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Bereich Ausbildung und permanenter strukturierter Zusammenarbeit. Im Rahmen des ERASMUS-Projektes gibt es das Auslandssemester für österreichische und griechische Militärakademiker und es erfolgt ein Austausch von Lektoren und Kursteilnehmern im Sprachbereich. Weitere Zusammenarbeiten erfolgen bei gemeinsamen Einsätzen von der UN und EU. Zukünftig ist sowohl seitens Griechenlands als auch Österreichs eine Intensivierung der Kooperationen in vielen Bereichen vorgesehen.
Ich nehme an, dass auf Ihrer Agenda in den vergangenen Monaten auch das Thema Coronavirus sehr präsent war. Inwiefern hat sich dadurch Ihre Arbeit verändert?
Auch hier gab und gibt es Einschränkungen bei den Kontakten vor Ort und im Bürobetrieb. Herausfordernd ist dabei, die laufenden Veränderungen zu berücksichtigen und trotzdem das erforderliche Leistungsspektrum voll abzudecken. Viele Kooperationen zwischen Österreich und Griechenland mussten aufgrund Covid-19 für heuer abgesagt und auf 2021 verschoben werden. Die griechische Wirtschaft, insbesondere der Tourismussektor, leidet unter den Auswirkungen. Die ältere Bevölkerung hat verständlicherweise Angst vor einer Ansteckung, geht nur für wichtige Besorgungen auf die Straße und weicht bei direkten Begegnungen großräumig aus. Jüngere und Jugendliche sind diesbezüglich eher unbesorgter.
Abschließend gefragt: Gibt es außer den besprochenen Themen noch weitere, mit denen Sie sich aktuell beschäftigen?
Neben den gestellten Herausforderungen ist es auch wichtig, das Stimmungsbild der Bevölkerung vor Ort laufend einzufangen und die politischen und sozialen Entwicklungen zu verfolgen. Ebenso sind die persönlichen Kontakte zur österreichischen Botschaft, zu den anderen ausländischen Militärattachés, GOs und NGOs wichtig und aufrechtzuerhalten.