Die Notwendigkeit, dass Europa oder genauer die EU verteidigungspolitisch als eigenständiger Akteur erstarken muss, steht außer Zweifel. Russlands Angriff auf sein Bruderland Ukraine (-> aktuelle Meldungen aus dem Ukraine-Krieg) und eine mögliche weitere Präsidentschaft von Donald Trump haben selbst den größten Skeptikern die Augen geöffnet. Doch der Weg zur strategischen Autonomie ist steinig, er verlangt Einigkeit, klare Ziele und konkrete Schritte. Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.

Ambitionen und Programme zur Stärkung von Europas Autonomie gibt es zuhauf, doch ist vor übertriebenen Erwartungen zu warnen. Die kollektive (Landes-)Verteidigung bleibt schließlich fest in der NATO verankert. In diesem Rahmen erfolgen die Verteidigungs- und Fähigkeitsplanungen, über weite Strecken werden auch Beschaffungsvorhaben koordiniert. Das muss geändert werden, denn derzeit beschaffen die EU-Staaten 80 Prozent ihrer Rüstungsgüter im Ausland, überwiegend aus den USA (60 Prozent).

„Europa muss auch ohne signifikante Beteiligung der USA handeln können.“

Der EU kommen wie bisher primär Aufgaben im Rahmen des internationalen Krisenmanagements zu. Angesichts hybrider Bedrohungen, die sich gezielt gegen einzelne EU-Staaten und die EU richten, gibt es genug gemeinsame Herausforderungen. Die große Frage ist, wie weit und wie lange sich die europäischen Staaten noch auf die USA als stärksten Partner und NATO-Führungsmacht verlassen können. Schließlich sind es auch die USA, die für Europa die nukleare Abschreckung vor allem gegenüber Russland sicherstellen. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass Frankreich und Großbritannien diese Aufgabe übernehmen würden, bliebe eine große Lücke.

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Häufig wird auf den Strategischen Kompass der EU und alle zugehörigen Konzepte hingewiesen – diese können jedoch nur die Richtung weisen. Alles steht und fällt mit dem gemeinsamen politischen Willen, tatsächlich mehr für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung (GSVP) zu tun. Ohne Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip sind vermutlich keine großen Sprünge möglich. Man sollte sich ohnehin davon verabschieden, dass immer alle EU-Länder teilnehmen müssen, es gibt auch die konstruktive Enthaltung. Doch erfahrungsgemäß entsteht eine positive Dynamik, der sich die wenigsten entziehen können, wenn Gleichgesinnte („Koalition der Willigen”) vorangehen. Vielleicht gelingt es Deutschland, Frankreich und Polen tatsächlich, wie vor Kurzem angekündigt, als Motor der GSVP zu wirken.

Die für 2025 angekündigte Krisenreaktionstruppe (Rapid Deployment Capacity) mit 8.000 Mann klingt verheißungsvoll, sie dürfen aber nicht das Schicksal der EU-Battlegroups erleiden, die noch nie zum Einsatz kamen. Laut EU-Planern sollen bis 2030 mindestens 40 Prozent der Rüstungsbeschaffungen gemeinsam erfolgen, die Hälfte bei europäischen Betrieben. Dafür ist eine verstärkte Kooperation und Konzentration der Rüstungsindustrie unerlässlich. Ziel sollte jedoch sein, beispielsweise europäische Panzer, Kampfjets oder Drohnen zu entwickeln und sich damit am Weltmarkt zu behaupten.

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Das Warten auf eine EU-Armee ist müßig – außer es sind damit Verbände europäischer NATO-Staaten gemeint, die unter besonderen Voraussetzungen unter europäischem Kommando zum Einsatz kommen. Im Ex­tremfall muss Europa auch ohne signifikante Beteiligung der USA handeln können. Daher gilt es, den europäischen Pfeiler der NATO auszubauen, ohne die Allianz per se infrage zu stellen. Als Alternative dazu eine separate EU-Struktur aufzustellen, erscheint undurchführbar und kontraproduktiv. Bleibt die Hoffnung auf eine strategische Autonomie daher Illusion und sollte Euro­pa bedingungslos den Schutz der USA suchen? Keinesfalls, auch wenn die Vereinigten Staaten als Partner unverzichtbar bleiben und ein steiniger Weg bevorsteht

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