Im April vor 50 Jahren stellte die israelische Luftwaffe ein von der eigenen Luftfahrtindustrie entwickeltes Kampfflugzeug in Dienst. Sein Name: Kfir, Hebräisch für „Junger Löwe”. Für Militär Aktuell beleuchtet Patrick Huber die Geschichte dieses Jets, der später sogar eine wichtige Rolle in der US Navy (-> aktuelle Meldungen rund um die US-Streitkräfte) spielte und noch heute, Jahrzehnte nach seiner Ausmusterung in Israel, in den USA fliegt.

Seit der Gründung 1948 als Staat der Shoa-Überlebenden muss Israel um seine Existenz kämpfen. Aktuell seit den jüngsten islamistischen Terroranschlägen vom 7. Oktober 2023, doch schon unmittelbar nach der Deklaration des Staates Israel 1948 überfielen mehrere arabische Staaten ihren neuen Nachbarn und wollten ihn vernichten. Weitere Versuche der Zerstörung Israels folgten. Auch wenn sich die Bedrohungsszenarien über die Jahre verändert haben, Wachsamkeit ist auch heute noch unverzichtbar für Israel.

©Militär Aktuell

Dazu zählt auch ein starkes Militär mit einer schlagkräftigen Luftwaffe. In den ersten Jahren nach der Staatsgründung setzte man beispielsweise die Avia S-199 (tschechoslowakischer Lizenzbau der deutschen Messerschmitt Me 109) sowie die britische Spitfire ein. Später kaufte man Flugzeuge in verbündeten westlichen Staaten, wie die Mirage III aus Frankreich, die 1962 eingeführt wurde und sich im Kampfeinsatz zum Schutz Israels bestens bewährte. Mitte der 1960er-Jahre begann Frankreich mit der Entwicklung des Nachfolgers, der Mirage V. Israel hatte Interesse an diesem Typ. 1968 hatte der französische Hersteller Dassault 50 Maschinen für Israel fertiggestellt, doch aufgrund des Drucks arabischer Staaten lieferte Frankreich die Maschinen nicht an Israel aus. Der israelische Geheimdienst organisierte sich daraufhin die Pläne und das israelische Unternehmen Israel Aircraft Industries, kurz IAI, – heute Israel Aerospace Industries – baute den Jet kurzerhand unter der Bezeichnung Nesher (Hebräisch für „Adler”) nach. Auch der Nesher bewährte sich im Kampfeinsatz, doch aufgrund der Weigerung Frankreichs, Kampfjets an Israel zu liefern, fürchtete die israelische Regierung, die Luftüberlegenheit zu verlieren und startete frühzeitig ein Programm zur Entwicklung eines Nesher-Nachfolgers.

„Kfir“ – der Löwe der Lüfte – ©US Navy
Bei den US-Streitkräften ist das israelische Flugzeug auch heute noch im Einsatz.

Der Löwe als Verteidiger Israels

Das war die Geburtsstunde des „Jungen Löwen”, des Kfir, der im Juni 1973 zu seinem Jungfernflug abhob. Im Wesentlichen basierte der Kfir auf der Mirage IIIB, verfügte jedoch über das amerikanische J79 Triebwerk (die gleiche Turbine diente als Antrieb der A4 Skyhawk und der F-4 Phantom, die beide von den USA an Israel geliefert wurden), israelische Avionik sowie eine gesteigerte Treibstoffkapazität. Der neue einsitzige Jet (für das Training wurde auch eine zweisitzige Version entwickelt) war ein wahres Kraftpaket. Seine Höchstgeschwindigkeit lag bei Mach 2,3, seine Dienstgpifelhöhe bei 58.020 Fuß, das sind unfassbare 17.681 Meter. Mit eingeschaltetem Nachbrenner erreichte der Kfir eine Steigleistung von bis zu 45.900 Fuß pro Minute (fast 14.000 Meter). Als Bordradar war das L/M-2001B verbaut und die Maschine verfügte auch über die Möglichkeit der Luftbetankung.

Neben den beiden eingebauten 30-Millimeter-Kanonen der israelischen Waffenschmiede Rafael mit je 140 Schuss Munition konnte der Kfir sowohl mit Luft-Luft-Raketen vom Typ Sidewinder als auch mit verschiedenen ungelenkten Luft-Boden-Raketen sowie einer ganzen Reihe von Bomben bestückt werden, was den Typ universell einsetzbar machte. Die maximale Waffenzuladung lag bei sechs Tonnen. Das Leergewicht des knapp 16 Meter langen Kfir betrug etwa 7,2 Tonnen, das maximale Startgewicht 16,2 Tonnen. Die Treibstoffkapazität von drei Tonnen ermöglichte einen Einsatzradius von 700 Kilometern, der mit Zusatztanks (die zu Lasten der Bewaffnung gingen) sogar auf bis zu 1.300 Kilometer gesteigert werden konnte.

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Knapp zwei Jahre nach dem Erstflug wurde der Kfir im April 1975 bei der 101st „First Fighter” Squadron der Israeli Air Force in Dienst gestellt. Weitere Einheiten folgten. Doch als Jagdflugzeug war dem „Kfir” nur eine kurze Einsatzdauer beschieden, denn ab 1976 lieferten die USA die F-15 Eagle an ihren wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten. Israel war nicht mehr von französischen Kampfjets abhängig. Am 27. Juni 1979 gelang einem israelischen Piloten dann mit seinem Kfir der Abschuss einer syrischen MiG 21. Die MiG 21 fiel dabei der israelischen Shafrir 2-Rakete zum Opfer – diese Rakete war übrigens die erste von Israel selbst entwickelte Luft-Luft-Rakete. Es sollte der einzige dokumentierte Luftsieg des „Jungen Löwen” in den Diensten Israels bleiben.

Während der israelischen Invasion des Südlibanon 1982 führten die mit dem Kfir ausgerüsteten Einheiten Schläge gegen feindliche Infrastruktur auf dem Boden durch, während die F-16 und die F-15 ihre Rolle als Luftüberlegenheitsjäger ausspielten. Trotzdem blieb der Kfir ein wichtiger Bestandteil der israelischen Luftstreitkräfte, bis der Typ von Israel in den 1990er-Jahren sukzessive ausgemustert wurde.

Unter fremder Flagge

1981 verkaufte Israel zwölf Kfir an die Ecuadorian Air Force, die zwischen 1982 und 1983 ausgeliefert und später teilweise modernisiert wurden. Während des Krieges zwischen Ecuador und Peru schoss ein Kfir eine Cessna A-37B der peruanischen Luftwaffe mit einer Shafrir 2 ab. Bis 2005 verlor Ecuador allerdings fünf seiner Kfir durch Unfälle. Der letzte Kfir wurde erst 2024 stillgelegt.

„Kfir“ – der Löwe der Lüfte – ©FAE
Bei der ecuadorianischen Luftwaffe war bis zum vorigen Jahr noch eine Kfir im Einsatz.

Ab 1985 verleaste Israel 25 Kfir an die US-Streitkräfte, die sie bis 1989 unter der Bezeichnung F-21A Lion als Feinddarsteller-Maschinen nutzten. Unter anderem wurde mit dem israelischen Jet die sowjetische MiG 23 simuliert.  Die Kfir kamen sowohl bei der US Navy als auch beim US Marine Corps zum Einsatz.

Im Jahr 1989 verkaufte Israel 13 gebrauchte Maschinen nach Kolumbien und 2008 wurde ein Vertrag unterzeichnet, der die Lieferung von weiteren 24 gebrauchten Jets vorsah. Die Maschinen wurden von IAI zuvor umfassend modernisiert. Mehrere Maschinen gingen im Laufe der Jahre allerdings durch Unfälle verloren. Ende 2017 gab es für die verbliebenen Kfir ein Upgrade. Sie erhielten das AESA-Radar EL/M 2052 und moderne Luft-Luft-Raketen der Typen I-Derby-ER und Python-5. 2019 waren noch 23 Kfir einsatzbereit, im Frühjahr 2024 gerade einmal acht Stück und Israel gab bekannt, mit 1. Jänner 2025 jedwede technische Unterstützung für den Betrieb der kolumbianischen Kfir einzustellen. Ende 2024 boten die USA dem südamerikanischen Land die F-16 Block 70 als Kfir-Nachfolger an, doch auch der schwedische Konzern Saab rittert mit dem JAS-39 Gripen um den Auftrag. Zudem prüft Kolumbien auch die Beschaffung von M-346FA von Leonardo – denselben Typ, für den sich auch das Österreichische Bundesheer entschieden hat.

Zwischen 1995 und 1996 lieferte Israel 16 Kfir an die Luftwaffe von Sri Lanka, wo die Jets während des Bürgerkrieges gegen die Rebellen zum Einsatz kamen. Von den 16 Flugzeugen gingen zwei durch Kampfhandlungen auf dem Boden sowie drei weitere durch Unfälle verloren. 2011 kollidierten zwei Maschinen während einer Flugschau. 2021 schlossen Sri Lanka und Israel einen 48-Millionen-Euro Vertrag über die Modernisierung von fünf der verbliebenen Kfir ab. Diese fünf Jets sind noch heute im Einsatz.

Weiterhin genutzt wird der Kfir auch vom US-Unternehmen ATAC, das als „Contractor” Trainingsdienste für das US-Militiär anbietet. ATAC erwarb sechs Maschinen, eine stürzte allerdings im Jahr 2012 ab, der Pilot kam ums Leben.

Auch wenn der Kfir niemals den Bekanntheitsgrad einer F-4 Phantom, einer F-16 oder einer MiG 21 erlangte, so war er doch eine innovative technische Entwicklung, die maßgeblich dazu beitrug, Israels Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Von den etwas mehr als 220 seit 1973 gebauten Exemplaren haben nur rund zwei Dutzend in Museen oder als „Gate guard” auf Luftwaffenstützpunkten „überlebt”. Mehr als ein Dutzend sind im israelischen Luftwaffenmuseum Hatzerim ausgestellt, drei in Sri Lanka und eine Maschine in den USA.

Quelle©unbekannt, US Navy, FAE, Sgt. S.D. Brown, Bukvoed CC BY 2.5, S.C. Air National Guard Maj. Matthew Booth