Was macht ein Präzisionsschütze bei einem Bewerb zum Verteidigungsschießen? Sich herausfordern! Das nahm sich Christian vom Ranger Magazin als Ziel vor und meldete sich kurzerhand beim Edelweiss Adventure Verteidigungsschießbewerb an. Hier seine Erfahrungen bei seinem „ersten Mal” im dynamischen Schießbetrieb.

Ich will nicht verheimlichen, dass ich vor dem Bewerb ziemlich nervös war. Nach – zu dem Zeitpunkt – 15 Jahren Schießerfahrung im statischen Bereich, ein bisschen Trockentraining mit dem Holster und nur die eine oder andere Session vor Stahlgongs, wirkt die Teilnahme an einem Bewerb, der drei verschiedene Szenarien und mehrere Stages hat, doch ein wenig überfordernd. Andi Steindl, Geschäftsführer von Edelweiss Adventure, sprach mir aber schon im Vorfeld in klaren, einfachen Worten zu: „Probier’s einfach!” Das wirkte, denn nach unzähligen Bewerben weiß ich, dass Bewerbe das beste Training sind.

Darum geht’s

Der Bewerb läuft in allen drei Hallen von Edelweiss Adventure ab. Die Raumschießanlage 1 (RSA1) hat einen Pkw, der in das Szenario eingebunden wird. Mit Trennwänden können außerdem eigene Räume aufgebaut werden. In der RSA2 stehen ebenfalls Wände und Absperrungen für die Gestaltung von weiteren Räumen bereit. Die Szenarien in diesen beiden Hallen werden im scharfen Schuss abgewickelt. In RSA3 hingegen wird 360 Grad mit einer Airsoft-Glock-Replika gearbeitet. Die Räume sind teilweise extrem verwinkelt, hinter jedem Regal könnte ein „Gegner” stehen.

Bevor es mit dem Bewerb losgeht noch ein schneller Blick in die RSA1. ©Edelweiss
Bevor es mit dem Bewerb losgeht noch ein schneller Blick in die RSA1.

Vor dem Bewerb bekommt man die Informationen zu den zu absolvierenden Szenarien ausgehändigt. Die Aufgaben werden darin genau definiert, ebenso wie die zu treffenden Zielmedien: Alles, was eine Waffe trägt und sich in einer bestimmten Distanz befindet, muss zur Gefahrenabwehr beschossen werden. Aber Achtung: Nicht alles, was bewaffnet ist, ist auch ein Gegner. So mancher Undercover-Polizist, der seine Einsatzmarke gerne unscheinbar am Körper trägt, befindet sich auch unter den unzähligen Pappscheiben. Ob Fön, Bierdose, Blumenstrauß oder Uzi – die manchmal freundlich, manchmal grimmig wirkenden Pappkollegen können schlichtweg alles in den Händen halten und so ihren Status als „Freund” oder „Feind” definieren.

Edelweiss Adventure bietet mehrere größere Bewerbe im Jahr an. Der Verteidigungsschießbewerb gilt als „Hauptbewerb”. Teilnehmer erhalten einen eigens dafür geschaffenen Patch.

Außerdem vertreten war die Firma Ammotec, die einen besonderen Fokus auf das Sortiment von Beretta legten. Von Pistolen über Flinten war alles dabei und konnte vor Ort in die Hände genommen werden.

Raus aus dem Kombi, rein in den Tumult

Man startet in Kleingruppen. Rechtzeitige Anwesenheit ist notwendig, um den Betrieb nicht zu stören – und wegen der kognitiven Verarbeitung des Szenarios ohnehin empfohlen. Bei diesem Bewerb wurde vor jeder Stage von den Instruktoren noch einmal in knappen Worten erklärt, was (nicht) zu tun ist. Das Szenario muss da aber schon im Kopf abgespeichert sein.

Nach dem Pieps ging’s los. In RSA1 startete man mit ungeladener Pistole hinter dem Steuer eines Autos. Also hieß es: Im engen Umfeld Pistole schnell ziehen, Magazin anstecken, Ziele beschießen. Sobald abgeschossen wurde, musste man sich schnell durch den Kombi zwängen und sich beim Kofferraum raus hieven. Auch das macht man nicht jeden Tag, oder? Nächstes Magazin angesteckt ging es gleich weiter. Dann war da schon ein enger Raum, der mit geholsteter Waffe zu betreten war. Immer und überall standen die Zielmedien – mal waren sie zu beschießen, mal nicht. Man war mit ständigem Scannen und Suchen nach Gefahren beschäftigt.

Im letzten Raum und nach dem letzten abgegebenen Schuss sah ich zuerst nur im Augenwinkel einen „blutenden” Kollegen. Vom Instruktor wurde ich aber schnell mit den Worten „Der blutet ja! Du musst ihm helfen!” ermahnt, Erste Hilfe zu leisten. Das Tourniquet – spürbar schon mehrfach im Gebrauch gewesen – sollte die „Blutung” aus der Aquariumpumpe stillen, doch es hörte schlichtweg nicht auf zu rinnen.

Am Ende das Gefühl versagt zu haben, weil man die gewohnten paar Windungen am Tourniquet automatisch runtergedreht hatte, nicht aber auf den tatsächlichen „Blutverlust” geachtet hatte. Wieder was gelernt und das glücklicherweise in sicherer Umgebung.

Rettungseinsatz Nummer 2

Nicht weniger abwechslungsreich ging es in RSA2 zu. Eine „Person” musste gefunden und zum Verbandskasten gebracht werden. Auf dem Weg zur Kollegin – einer glücklicherweise leichtgewichtigen, aber unhandlich aufzunehmende Puppe – und dann zum Verbandskasten, galt es aber auf „Feinde” zu achten.

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Das Kopfkino, das sich beim Lesen des Szenarios ins Laufen kam, passte so gar nicht zum tatsächlichen Fall. Man weiß ja im Vorhinein nicht, wie die Räume aussehen. Aber immerhin konnte die Puppe so über die Schultern geworfen werden, dass es im echten Leben schreienden Protest gegeben hätte, im Bewerb aber Zeit gespart wurde. Zielpunkt erreicht, Ziele bekämpft und die Conclusio: Adaption ist essentiell!

Plastikkugeln und Kalaschnikowurdews

Ab ging’s dann noch in die RSA3 – jene Halle, in der mit Airsoft-Pistolen in jede Richtung geschossen werden kann. Mit einer Glock-Replika bewegte man sich von Raum zu Raum. Dicht an dicht standen da die Zielscheiben, häufig verdeckt durch Regale und man musste schon ziemlich nahe hin, um festzustellen, ob es sich bei dem, was die netten Pappkollegen da auf Hüfthöhe in den Händen hielten, um ein Buch oder eine AK-74 handelte. Vom Äußeren der Figur, ob maskiert, grimmig oder liebenswürdig dreinschauend, durfte man sich jedenfalls nicht täuschen lassen.

Mit Airsoft-Glocks und Blowback lässt es sich sehr realitätsnah trainieren. ©Edelweiss
Mit Airsoft-Glocks und Blowback lässt es sich sehr realitätsnah trainieren.

Insgesamt also ganz schön anspruchsvoll, und das ohne einen einzigen scharfen Schuss! Auch da gab es wieder sehr viele Aha-Effekte.

Und wie ging’s aus?

Zunächst das Erfreuliche: Die Erfahrung von eineinhalb Jahrzehnten Training mit schießenden Sportgeräten wurde auch in der stressigen und weitestgehend unbekannten Situation vom Körper automatisch richtig abgerufen. Es gab weder selbst noch von den Instruktoren festgestellte Sicherheitsmängel. Der Finger war „lang”, wenn er es sein sollte, und die Mündung zeigte immer in die richtige Richtung.

Nach jeder Stage wird Sicherheit hergestellt. ©Edelweiss
Nach jeder Stage wird Sicherheit hergestellt.

Bei den Treffern war nichts Überwältigendes und doch, wenn auch wenig, Beschämendes dabei. Dass es auf nur wenigen Metern zu Fehlschüssen kommen kann, ist für statische Schützen geradezu unerklärlich, in der Eile und im Gesamtstress aber tatsächlich nicht unüblich, wie Gespräche nach dem Bewerb mit Leidensgenossen ergaben. Das zähle ich also als halben Erfolg.

Weniger erfreulich aber die Fragestunde in meinem Hirn während der Stages, weil sich so schnell keine Antworten anboten: Gehe ich mit der Waffe im persönlichen Sicherheitsbereich, nahe vor der Brust, in einen unbekannten Raum, oder führe ich sie analog zu meinen Blicken sofort einsatzbereit und ausgestreckt? Ist die blutverschmierte Puppe mit Messer und Kopf des Opfers in der Hand ein Halloween-Scherz oder tatsächlich eine „Gefahr”? Und wieso zum Henker reagieren diese Papp-Scheiben nicht auf meinen Zuruf?

Der Analytiker in mir wollte es eben genau wissen – und exakt das kostet bei einem Bewerb Punkte, von den Folgen in einem Ernstfall wollen wir gar nicht reden. Es musste gar eine unschuldige „Person”, die anstatt – wie ich dachte – einer Maschinenpistole nur einen ungefährlichen Gegenstand in der Hand hielt, Schüsse aus der Airsoft-Pistole einstecken. Die meisten Punkte blieben aber dort auf der Strecke, wo sie eigentlich wie serviert vor mir lagen: Beim Treffen von tatsächlichen „Tätern”. An oben erwähnter blutverschmierter Halloween-Figur bin ich – kaum zu glauben – nach langem Überlegen doch vorbeigegangen. Mein Hirn stempelte es als „völlig unrealistisch” ab. Da stellte sich also der Analytiker über die eindeutige Zielvorgabe, die vor dem Bewerb ausgegeben wurde – und verlor.

Insgesamt reichte es für Platz 63 von 106. Ja, was soll man dazu sagen? Mit quasi null Vorerfahrung im dynamischen Bereich vielleicht akzeptabel, ansonsten aber unterhalb der persönlichen Schmerzgrenze, die bei mir bei der Hälfte der Teilnehmer liegt. Und wieder ein Ansporn.

Lernaufgaben

Die größten Herausforderungen lagen für mich persönlich also zum einen in dem richtigen Bewegen mit Waffe im Verteidigungsfall außerhalb der gewohnten und eintrainierten Bewegungsmuster in den eigenen vier Wänden. Dazu gehört auch die Rückstoßkontrolle und schnelle Zielaufnahme aus der Bewegung. Das muss man einfach trainieren.

Zum anderen war die Zielansprache sehr schwierig vorzunehmen. Das Gegenüber war ja nur eine statische Scheibe, hatte aber fast immer etwas in der Hand, das in meine Richtung zeigte. In der Eile und unter nicht immer guten Sichtverhältnissen zu erkennen, ob es sich um eine Gefahr handelt, oder nicht, ist eine große Herausforderung – und Übungssache.

Fazit

Nach all der strengen Selbstkritik und der Aneinanderreihung von ärgerlichen Erfahrungen: Würde ich diesen Bewerb dennoch anderen Anfängern im Verteidigungsschießen empfehlen? Absolut, sofern ein sicherer Umgang mit der Waffe vorhanden ist. Das ist kein subjektiv erfahrbares Kriterium, sondern lässt sich an ganz klaren Punkten festmachen. Wer also gerade erst in den Schießsport eingestiegen ist, wird sich wahrscheinlich zuerst in Kursen fortbilden, um dann auch für sich selbst einen höheren Nutzen aus einem Bewerb zu ziehen, der gleich mehrere Kompetenzen gleichzeitig abverlangt: Bewegen, Wahrnehmen, Schießen, Treffen – immer mit höchster Sicherheit.

Wer schon länger dabei ist, aber noch nie oder selten aus der Bewegung geschossen hat, könnte sich beispielsweise von einem wirklich geschulten Auge eine Einschätzung zum Status geben lassen, und dann gezielt an etwaigen Mängeln arbeiten. Wie immer gilt es, zuerst auf die sichere Handhabung zu achten, alles andere ist schon Schießtechnik.

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Hat der Bewerb denn auch „Spaß” gemacht? „Darf” man in so einem Fall überhaupt von „Spaß” sprechen? Das muss jede und jeder für sich selbst klären. Meine persönliche Antwort darauf ist: Es ist eine Art von „Freude”, nämlich am Lernen. Reflektiert man sich selbstkritisch und verbindet die  – übrigens sehr hilfreichen! – Rückmeldungen der Instruktoren mit der Punkteauswertung, kommen schon spannende Fragen heraus. Was hat richtig gut funktioniert, was nicht? Was kann getan werden, um die Wahrnehmung zu schulen? Wie können Schüsse auch in Bewegung mit maximaler Kontrolle abgegeben werden?

Eine Antwort: Es hilft nur Training. Gemäß der selbstgewählten Direktive habe ich das auch schon bald nach dem Bewerb in Angriff genommen. Es gilt verschiedene didaktische Zugänge kennenzulernen und die besten Lehren für die eigene Situation und Zielsetzung zu behalten und zu festigen. Und ja, das macht dann schon auch Spaß.

Im Ranger Magazin werden wir euch daher laufend über weitere Erfahrungen von Bewerben und aus Kursen berichten.

Ranger-Tipps: Anfänger sollten sich nicht nur ein bisschen Zeit zur Vorbereitung vor Ort nehmen, sondern sich auch bei den Instruktoren der jeweiligen Stage als Einsteiger zu erkennen geben. Die Instruktoren helfen zwar nicht beim Schummeln, aber sie nehmen etwas Druck aus der Sache. Außerdem geben sie bereitwillig Rückmeldung, um gleich mit einem Lerneffekt vom Bewerb zu gehen.

Und: Macht euch nicht zu viele Gedanken um die „perfekte Ausrüstung”. Nehmt, was für euch passt und mit dem ihr euch wohlfühlt.

@Militär Aktuell

Die Schussanzahl ist je Stage limitiert. Man kommt bei der Ausrüstung auch mit einer Minimalausrüstung sehr gut durch. Wenn die Ersatzmagazine in der Hosentasche und nicht in einem Schnellzieh-Magpouch stecken, wird auch das reichen – sofern die Magazine sicher und rasch gezogen werden können.

Quelle©Edelweiss