In chinesischen Foren sind mehrere Bilder und Videos eines bislang unbekannten Delta-Nurflügel-Kampfjets ohne jegliche vertikalen Steuerflächen aufgetaucht. Dabei dürfte es sich nicht um den schon lange erwarteten neuen Stealth-Bomber H-20 handeln, sondern um ein völlig neues Modell der 6. Generation.
Auf den Aufnahmen ist das bisher unbekannte Flugzeug bei einem Testflug am Tag zu sehen, in Begleitung eines zweisitzigen Chengdu J-20S-Kampfflugzeugs. Der Ort des Gesehenens kann im Moment noch nicht verifiziert werden, allerdings könnte die J-20S (auch jener Zweisitzer nur in Grundierung ist noch Prototyp oder Vorserie) darauf hindeuten, dass die Aufnahmen in der Nähe des Werksflugplatzes der Chengdu Aircraft Corporation (CAC) in Chengdu entstanden sein könnten, was auch ein Hinweis auf den möglichen Hersteller des neuen Geräts sein könnte. Ein weiterer Beleg dafür ist, dass laut chinesischen Bloggern CAC von 12. bis 31. Dezember auch den anliegenden Chengfei Park schließen ließ – von dort hat man gute Sicht auf die Piste des Unternehmens.
Gewinnt China das Rennen um die 6. Generation?
Sollte es sich auf den Bildern – wie von Experten vermutet – tatsächlich um den Prototyp eines chinesischen (taktischen) Kampfflugzeuges der sogenannten 6. Generation handeln, hätten die chinesischen Ingenieure sowohl die Amerikaner mit ihrem pausierten NGAD als auch die GCAP- (-> Projekt GCAP auf Schiene) und FCAS-Programme überholt. Das wäre ein gewaltiger Sprung im Kampfflugzeugbau, den China damit gemacht hätte.
— Justin Bronk (@Justin_Br0nk) December 26, 2024
Mit Blick auf die daneben fliegende J-20S dürfte das unbekannte Muster eine Spannweite von rund 20 Metern und eine Länge von 21 bis 22 Metern haben, der rund sechs Meter lange Waffenschacht wäre zu klein für einen Bomber. Allerdings sind auf den Aufnahmen zwei Räder am Bugfahrwerk und vier am Hauptfahrwerk (im Tandem wie an der Su-34) zu sehen, was üblicherweise auf eine entsprechend schwere Startmasse hindeutet. Jene ist schwer zu schätzen, dürfte aber irgendwo im Bereich von 50 Tonnen MTOW (maximum take off mass = höchstzulässiges Startgewicht) liegen, möglicherweise auch leicht darüber. Damit ließe sich auf eine Nutzlast von rund zehn Tonnen und ein Einsatzradius – ohne Luftbetankung – von rund 1.500 Kilometer schätzen.
Bemerkenswert ist auch die sichtlich aufwendige Anordnung der Steuerelemente in Verbindung mit dem schwanzlosen Design mit mehreren Hinterkanten-Steuerflächen pro Flügel. Dazu gehören markante geteilte Spreizklappen außen in der Nähe der Flügelspitzen. Diese dürften differenziell angeordnet sein, um eine Giersteuerung in Ermangelung der vertikalen Steuerflächen zu ermöglichen, sowie gleichzeitig als Luftbremsen dienen. Das Cockpit könnte auch zweisitzig sein, möglicherweise sind die beiden Sitze – so wie bei der Su-34 oder einst bei der F-111 – sogar nebeneinander angeordnet.
Hat das unbekannte Kampfflugzeug drei Triebwerke?
Auf der Oberseite des Flugzeugs ist auf einigen Aufnahmewinkel ein „Buckel” zu erkennen, der möglicherweise auf einen Lufteinlauf hinweist. Ebensolche dürften sich auch an beiden Rumpfseiten befinden. Dies führt bereits zu Spekulationen, dass der Entwurf eine höchst unorthodoxe dreistrahlige Anordnung haben könnte. Es wird über drei im Inland produzierten WS-10C-Turbofans theoretisiert, aber auch zwei mit einem Staustrahltriebwerk in der Mitte, welches erst bei hoher Geschwindigkeit aktiv wird. Andererseits könnte in Anbetracht des höheren Gesamtgewichts des Flugzeugs (im Vergleich zur J-20) drei Turbofan-Triebwerke erforderlich sein, um ehrgeizige Leistungsziele zu erreichen, insbesondere für anhaltende Hochgeschwindigkeitsflüge und Operationen in großen Höhen. Man kann die Anordnung natürlich auch so auslegen, dass die Chinesen drei Antriebe brauchen, wofür im Westen möglicherweise zwei genügen.
Möglich natürlich auch, dass es sich bei dem neuen Flugzeug – es ist jedenfalls definitiv das erste bemannte ohne vertikale Flächen – „nur” um einen allgemeinen Demonstrator handelt, mit dessen Hilfe neue Technologien getestet werden sollen, die später auf anderen Plattformen zum Einsatz kommen könnten, womit sich doch ein Bezug zum eingangs bereits erwähnten H-20-Bomber ergeben könnte. Details dazu hatten Experten auf der Zhuhai Airshow erwartet, dort wurde Mitte November dann aber „nur” der neue chinesische Stealth-Jäger J-35 gezeigt (-> China zeigt seine neuen Flügel).
Übrigens: Die Neuigkeiten aus China reißen nicht ab. Vor Kurzem wurden auch Fotos eines zweiten, kleineren und zweistrahligen Stealth-Jägers veröffentlicht – zwar bereits vier Tage alt, aber dennoch aufschlussreich. Auch dieses – dem anderen chinesischen Hersteller Shenyang (SAC) zugeschriebene – Modell verzichtet auf vertikale Steuerelemente, zeigt jedoch ein markantes Rumpfvorderteil und nach hinten gekröpfte äußere Tragflächen.
— OedoSoldier (@OedoSoldier) December 26, 2024
In den kommenden Wochen und Monaten dürften weitere Details zu beiden Designs ans Licht kommen. Wir bleiben dran und berichten weiter!