Unsere fünf Fragen gehen diesmal an Walter Posch von der Landesverteidigungsakademie in Wien. Wir haben den Iranisten gefragt, welche Auswirkungen der Sturz des Assad-Regimes auf Irans Position in der Region hat.
Herr Posch, Teheran hat das Assad-Regime über Jahre hinweg mit seinen Milizen unterstützt. Warum konnten sie den Vorstoß der Rebellen nicht stoppen?
Die Unterstützung Teherans lief im Rahmen genauer militärischer Absprachen mit den syrischen Stellen ab. Ohne ausreichenden Kampfwillen der Syrer macht der Einsatz der Milizen keinen Sinn.
„Syrien ist nun der Dreh- und Angelpunkt des Zurückrollens des iranischen Einflusses.“
Teheran und staatsnahe Medien haben mehrmals angedeutet, dass sie eine Konterrevolution in Syrien gutheißen würden. Welche Möglichkeiten hat Iran, Konflikte in Syrien zu schüren?
Das ist heute schwierig zu sagen. Kontakte zu den Resten des syrischen Regimes bestehen natürlich weiter, aber die Iraner sind prinzipiell pragmatisch genug, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Andererseits stammt die HTS aus der Al-Qaida, einem Erzfeind der Schiiten allgemein und der Iraner im besonderen.
In einem Interview im saudischen Staatssender Al-Arabiya betonte Al-Sharaa, Saudi-Arabien werde eine „große Rolle” in Syriens Zukunft spielen. Wird nun Riad den Iran als großen Player in Syrien ablösen?
Syrien ist nun der Dreh- und Angelpunkt des Zurückrollens des iranischen Einflusses. Es ist anzunehmen, daß Saudi-Arabien beziehungsweise seine Nachrichtendienste neben den türkischen, katarischen und anderen eine Rolle beim Aufstieg und letztlich Erfolg der HTS gespielt haben. Die Frage ist jedoch, ob sich Syrien unter der HTS/Al-Qaida zwischen der Türkei und Katar auf der einen Seite und Saudi-Arabien auf der anderen positionieren wird.
Inwiefern wirkt sich die Schwächung Irans in Syrien auf seine Position in der Region aus?
Dramatisch! Iran hat Syrien verloren und die Partnerschaft mit Syrien geht Jahrzehnte zurück, eigentlich schon in die Zeit vor dem jetzigen Regime und war immer gegen den Irak gerichtet. Das wurde besonders im langen Krieg mit dem Irak (1980 bis 1988) deutlich und nach Kriegsende mit der Gründung der sogenannten Widerstandsachse, die im Kern aus Iran, Syrien und der Hisbollah bestand. Syrien war vor allem für die Koordination und Kooperation mit palästinensischen Gruppen wichtig, zu denen die Iraner ein kompliziertes Verhältnis hatten.
„Vor diesem Hintergrund gewinnt das iranische Verhältnis zu den Taliban an Bedeutung.“
Inwiefern könnte sich denn der Verlust wichtiger Partner in der Region und die damit verbundene geschwächte Position des Regimes auf die innenpolitische Lage im Iran auswirken?
Die im Westen bekannte zivilgesellschaftliche Protestbewegung stellt nur dann ein Problem für das Regime dar, wenn es durch innere Spannungen gelähmt ist. Das ist zur Zeit nicht der Fall, was nicht heißt, dass sich das nicht ändern könnte. Dennoch wiegt der Glaubwürdigkeitsverlust bei der eigenen Bevölkerung schwer. Denn das Regime hat sein Engagement in der Region defensiv als Vorwärtsverteidigung gegen Al-Qaida und den Islamischen Staat gerechtfertigt. Zur Zeit ist die iranische Zivilgesellschaft nicht das drängendste Problem, für die iranischen Entscheidungsträger. Diese gehen davon aus, dass der Westen den radikalen sunnitischen Dschihadismus allgemein und die Nachfolgeorganisationen der Al-Qaida und des Islamischen Staates aktiv und passiv unterstützen. Die erste Priorität für Teheran ist daher, bewaffnete dschihadistische Gruppen aus diesem Umfeld unschädlich zu machen, sobald sie im Iran aktiv werden. Das ist vor allem in Balutschistan, also an der Grenze zu Pakistan und zu Afghanistan der Fall. Vor diesem Hintergrund gewinnt das iranische Verhältnis zu den Taliban an Bedeutung.
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