Für die meisten heimischen Journalisten ist Rüstungstechnik entweder ein Buch mit sieben Siegeln oder überhaupt ein „No Go” und so darf es wohl wenig verwundern, dass im rot-weiß-roten Blätterwald immer wieder höchst erstaunliche Ungenauigkeiten publiziert und unwiedersprochen stehen bleiben.
So geschehen etwa heute in der Kronen Zeitung, die unter der Headline „Bisher größter Deal: Ungarn kauft US-Raketen für eine Milliarde Dollar” darüber berichtete, dass der gerne als EU-Outlaw beschriebene ungarische Präsident Viktor Orban um 850 Millionen Euro Mittelstreckenraketen in den USA bestellt habe.
Das ist so natürlich nicht zutreffend, bezeichnet der Terminus doch ballistische konventionell/nukleare Boden-Boden-Flugkörper mit einer Reichweite von bis zu 5.000 Kilometer. Auf wen sollte – bei allem Framing um Herrn Orban – Budapest solche richten? Etwas Googlen und Einlesen in die Thematik der START-Verträge und der gerade in Wien stattfindenden Gespräche zu einem „New START” zwischen den USA und Russland und dem nicht anwesenden China (Militär Aktuell berichtete) hätte hier „Erhellung” gebracht.
Was Ungarn bestellt hat, und was in Österreich seit 1955 für den Objektschutz oder zum Schutz von Schlüsselzonen oder -objekten nie auch nur angedacht wurde, ist die Erneuerung weiterreichender bodengestützten Luftabwehr. Gemeint sind also „simple” Luftabwehrraketen (SAMs – Surface to Air Missiles). Die Schweizer hatten dafür einst die riesigen britischen Bloodhound-Raketen (eine ist als Museumsstellung erhalten) und wollen jene Komponente nun als Teil des Projekts „Air2030” unter der Bezeichnung BODLUV wieder erlangen.
Ungarn hat sich schon im Vorjahr wie einige andere Länder für das norwegische System NASAMS der norwegischen Firma Kongsberg entschieden (Bericht von Defensenews), um seine russischen Luftabwehrsysteme noch aus der Zeit des Warschauer Pakts zu ersetzen – und jenes ist mit bodengestarteten Versionen des BVR- (Über den Horizont) Luft-Luft-Flugkörpers AIM-120 C7/C8 AMRAAM-ER von Raytheon bestückt. Ebenso übrigens die ungarischen JAS-39C/D Gripen, die mit AMRAAM C6/C7 über eine Komponente verfügen, die hierzulande verschämt „Allwetter-Radarlenkwaffe” gerufen wird, um die bis 100 Kilometer Reichweite nur nicht zu offensiv zu thematisieren.
Was in Wahrheit den Eurofighter erst komplettieren würde, war in der Tat hier tatsächlich schon mal „am Tisch”. Im alten – später „verglichenen” – Vertrag wären vier Stück AIM-120 AMRAAM angedacht gewesen, nur um – so der ehemalige österreichische Airchief Erich Wolf zum Autor – im „AMRAAM-Klub” dabei zu sein. Diese vier fielen wie viele andere Aspekte dem Drücken des Preises auf unter 2 Milliarden Euro zum Opfer.
Was aber nun Ungarns tatsächliche Beschaffung betrifft, hier die Meldung von der DSCA im Pentagon mit allen wichtigen Details und Informationen.
Aktualisierung vom 19. August 2020
Als Illustration was sowohl Flugzeuge als auch bodengestützte Luftabwehrsysteme erst funktional macht, wurde am 12. August in Budapest von Verteidigungsminister Tibor Benkö und US-Botschafter David Cornstein das FMS-Flugkörper-Paket für Ungarn offiziell unterzeichnet und detailliert. Ungarn erhält gemäß zwei seperater Notifications an den Kongress um knapp 500 Millionen Euro 180 AIM-120C7 AMRAAM BVR Luft-Luft-Raketen (für die JAS-39 Gripen und möglicherweise deren Nachfolger) sowie um etwas mehr als 200 Millionen Euro 60 Stück AIM-120C-7/C-8 als Wirkungskörper des bodengestützten NASAMS-Luftverteidigungssystems. In einem dritten, direkt-kommerziellen Auftrag, wird zudem das AN/MPQ-64F1 Improved Sentinel Radar der Firma Raytheon beschafft (weiterführender Bericht).