Einst ist die niederösterreichische Firma Schiebel mit Minensuchgeräten groß geworden, heute gilt das Unternehmen als einer der weltweit führenden Drohnenhersteller. Ein Firmenbesuch in Wiener Neustadt.

Wiener Neustadt als Wiege der Fliegerei in Österreich zu bezeichnen, ist keine Übertreibung. Schon im Jahr 1906 siedelte sich die „k. u. k. Militäraeronautische Anstalt” auf der Heide zwischen Wiener Neustadt und Wöllersdorf an. Damals diente die Freifläche als Landeplatz für Freiballone und Luftschiffe. 1909 wurde dann vom Gemeinderat sogar die Errichtung eines Flugfelds und mehrerer Aeroplan-Hallen „zum Zwecke der Förderung des mechanischen Flugwesens” beschlossen. Ein visionärer Plan, denn motorisierte Flugzeuge hat es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gegeben.

Autoklav bei Schiebel - ©Schiebel
Fest und trotzdem leicht: Um die Zuladung des Camcopter zu maximieren, werden bei Schiebel alle Bauteile gewichtsoptimiert. Wichtige Elemente sind aus Kohlefaser hergestellt, diese müssen anschließend im Autoklav ausbacken.

Hannes Hecher schmunzelt. Dem Geschäftsführer des österreichischen Drohnenherstellers Schiebel gefällt die Geschichte. „Ohne Visionen keine Ziele und ohne Ziele keine Entwicklung”, sagt er im Gespräch mit Militär Aktuell. Und dann erzählt er davon, wie sich in Wiener Neustadt auch noch eine andere Vision Bahn brach. Wie die 50.000-Einwohner-Stadt auch zu einer Wiege der österreichischen und der europäischen Drohnenfliegerei wurde. Und wie dort vor drei Jahrzehnten die Basis für eines der weltweit gefragtesten Drohnenmodelle der Gegenwart gelegt wurde.

Damals, Mitte bis Ende der 1990er-Jahre, wollte noch niemand so recht an unbemannt fliegende Starr- und Drehflügler glauben. Bei Schiebel aber, da begannen sie das Potenzial zu erkennen. Das bereits 1951 in Wien gegründete Unternehmen war auch dank eines Großauftrags der US-Armee gerade zum Weltmarktführer von hochtechnologischen Minensuchgeräten aufgestiegen – rund zehn Prozent des Umsatzes werden immer noch in diesem Bereich generiert. Parallel dazu begannen einige Mitarbeiter an Konzepten für einen unbemannten Helikopter zu feilen. Sie erdachten erste Modelle, verwarfen Ansätze und Überlegungen wieder, entwickelten andere weiter, als Antrieb diente ihnen zunächst der Motor einer Kettensäge. „Der Zweck heiligte eben die Mittel”, sagt Hannes Hecher.

©Militär Aktuell

Einige der frühen Modelle hängen heute als Erinnerung an diese Zeit von der Decke der Fertigungshalle. Darunter geht es aber freilich viel hochtechnologischer zu als damals. So dürfen es am Ende nicht 164 Lagen sein – und auch nicht 162. Genau 163 müssen es sein. 163 Kohlefaserlagen in unterschiedlichen Breiten und Längen, die millimetergenau übereinandergelegt, anschließend in einem Autoklav über Stunden hinweg bei unterschiedlichen Temperaturstufen luftdicht verpackt ausgebacken werden. Das klingt komplex – und ist es auch, der Bauteil bildet schlussendlich aber nur einen Part des Landing Gear eines Camcopter S-100.

Gespräch mit Hannes Hecher – ©Sebastian Freiler
Schiebel-Geschäftsführer Hannes Hecher gibt Militär Aktuell Einblicke in die Produktionsabläufe und einzelne Fertigungsprozesse der Camcopter.

Als Camcopter bezeichnet Schiebel sein Premiumprodukt. Hannes Hecher spricht lieber von einem „Arbeitstier“ und nach einem Blick auf die Leistungsdaten muss man ihm absolut recht geben: Der Drehflügler hebt bei gut drei Metern Länge, etwas mehr als einem Meter Höhe und einem Rotordurchmesser von 3,4 Meter ein maximales Abfluggewicht von satten 200 Kilogramm – knapp das Doppelte des Eigengewichts. Bei jedem Flug stehen dem Betreiber 90 Kilogramm für Treibstoff, Sensoren, Kameras und andere Ausrüstung zur Verfügung. „Das ist ein echter Mehrwert für Kunden und muss uns in der Klasse erst einmal jemand nachmachen”, sagt Hecher.

Möglich wird diese enorme Zuladung durch konsequenten Leichtbau auf allen Ebenen – und durch viele Eigenentwicklungen, die über die Jahre immer weiter verbessert und verfeinert wurden. „Wir haben schon sehr früh 3D-Drucker eingesetzt und entwerfen auch den Motor und das Getriebe selbst”, sagt Hecher während unseres Rundgangs durch die Schiebel-Fertigung. Durchschnittlich fließen jährlich 20 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung, aktuell sind es sogar 30 Prozent. „Bei uns ist nichts ,off the shelf’ und auch wenn ein Camcopter von heute optisch einem Camcopter von vor fünf oder zehn Jahren ähnelt – technologisch ist das ein gänzlich anderes System.”

„auch wenn ein Camcopter Von heute optisch einem camcopter von vor fünf oder vor zehn jahren ähnelt, technologisch ist das ein neues system.“

Schiebel-Geschäftsführer Hannes Hecher

Ziel all dieser Bemühungen: die Maximierung des Kundennutzen. Und der wird schon jetzt weltweit geschätzt. Der S-100 kommt sowohl bei Polizei- als auch bei Grenzüberwachungsbehörden, Küstenwachen, bei Militärs, aber auch bei zivilen Behörden wie der European Maritime Safety Agency (EMSA) zum Einsatz – mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zielsetzungen. Für die EMSA überwacht Schiebel beispielsweise die Emissionen von Schiffen in Nordsee und Ärmelkanal. Bei der spanischen Küstenwache SASEMAR unterstützen Camcopter die Ausweitung der SAR-Fähigkeiten (SAR = Search and Rescue) im Verbund mit Sensoren von bemannten Helikoptern und Flugzeugen sowie Schiffen. Aufträge im Defence-Bereich kamen in den vergangenen Jahren etwa aus Thailand und Australien. Im Rahmen des gemeinsam mit Thales betriebenen „Peregrine”-Projekts schützen Camcopter mit leistungsstarker Sensorik aber auch Schiffe der britischen Royal Navy.

Zurück in die Produktion und dort ins Lager, wo sich Kohlefasertanks, Leiterplatten, Getriebeboxen, Front- und Heckteile in hohen Regalen stapeln. Einen Raum weiter legt ein Mitarbeiter gerade letzte Hand an einen Kohlefaser-Bauteil. Entgraten, abschleifen und glätten, Löcher für Schrauben und Nieten ausbohren. Rechnet man alle Bauschritte ein, dauert es nur eine Woche, bis ein Camcopter fertig zusammengebaut ist. Die Vorlaufzeiten einzelner Bauteile wie beispielsweise des Titan-Rotorschafts liegen aber schon bei rund einem Jahr im Voraus, was in der Produktionssteuerung viel Weitblick notwendig macht, damit im Endeffekt alle Bauteile auch dann verfügbar sind, wenn sie benötigt werden.

Übrigens: Schiebel hat mit dem S-300 einen großen Bruder des Camcopter angekündigt – mit noch mehr Ladevolumen und vielen weiteren Verbesserungen und neuen Möglichkeiten. Mit der südkoreanischen Marine gibt es auch bereits einen ersten Auftraggeber für das System. Viel mehr will man dazu in Wiener Neustadt aber aktuell nicht verraten. Nur so viel: „Wir sind auf einem guten Weg”, sagt Hannes Hecher. „Jetzt gilt es diesen Weg aber auch erfolgreich zu beschreiten – und dann geben wir gerne auch weitere Details bekannt.” Wir bleiben in jedem Fall dran.

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Quelle©Schiebel, Sebastian Freiler